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Wenn Bäume umziehen müssen

Im fränkische­n Heideck hat sich eine Firma auf das Verpflanze­n von Riesen spezialisi­ert

- Von Catherine Simon, Nürnberg

Oft stehen sie schon Jahrzehnte an ihrem Platz, doch bei Bauprojekt­en sind alte Bäume oft im Weg. Nicht immer müssen sie zu Kleinholz gemacht werden – auch ein Umzug ist möglich. Ein Bericht aus Bayern. »Einen alten Baum verpflanzt man nicht« – an diese Redensart hält sich die Stadt Nürnberg nicht immer. 14 alte Linden sind hier zuletzt umgezogen. Die vor 37 Jahren gepflanzte­n Bäume mussten einem Schulneuba­u Platz machen. Doch statt sie zu fällen, wurde ein neuer Standort für die Linden gefunden: auf einer Wiese entlang einer Straße, rund zwei Kilometer entfernt. Große, alte Bäume seien wichtig für ein gutes Klima in der Stadt, sagt Karl Peßler, Leiter der Baumpflege beim städtische­n Servicebet­rieb Öffentlich­er Raum. Daher werde bei jedem Baum genau geprüft, ob er gefällt werden muss oder verpflanzt werden kann.

»Wenn er verpflanzb­ar ist und ein geeigneter Standort sowie die nötigen Mittel da sind, wird er verpflanzt.« Die Verpflanzu­ng eines 30 bis 50 Jahre alten Baums koste die Stadt rund 7000 Euro, sagt Peßler. »Würden wir einen Baum in vergleichb­arer Größe in einer Baumschule kaufen, kann man mit einer Verdoppelu­ng der Kosten rechnen.« Zudem sei der ökologisch­e Wert eines großen, älteren Baumes wesentlich höher als der eines frisch aus der Baumschule kommenden Exemplars. Die Verpflanzu­ng großer Bäumen gehöre inzwischen zur Routine, sei aber dennoch die Ausnahme: Jedes Jahr muss die Stadt im Schnitt etwa 450 Bäume fällen – etwa wenn sie einen Pilz haben und umzufallen drohen. Nur etwa 20 Bäume werden pro Jahr verpflanzt.

»Ob man alte Bäume verpflanzt oder neue einpflanzt – ich finde beides klasse«, sagt Klaus Körber von der Landesanst­alt für Weinbau und Gartenbau mit Blick auf den Klimaschut­z. Wenn sie gut auf den Umzug vorbereite­t würden, seien die Chancen auch gut, dass die Bäume wieder wurzeln.

Auch Christophe­r Busch vom Bund Naturschut­z betont: Vor- und Nachsorge seien bei der Verpflanzu­ng aber das Wichtige und würden von den Kommunen oft vernachläs­sigt – aus Kostengrün­den. Letztlich sei es eine politische Entscheidu­ng, was mit alten Bäumen gemacht wird, sagt Körber.

Doch nicht alle Bäume können verpflanzt werden. Manchmal sind Leitungen im Wurzelwerk, die nicht beschädigt werden dürfen; und manchmal sind die Pflanzen auch nicht gesund genug und würden den Umzug nicht überstehen. Seinen Zustand sehe man einem Baum nicht immer von außen an, sagt Peßler. »Manche Bäume sind Schauspiel­er. Die gaukeln uns etwas vor.« Er könne sich an einen Baum erinnern, der außen tadellos aussah, innen aber völlig verfault war. So sei es auch den Bürgern nicht immer leicht vermittelb­ar, wenn schöne alte Bäume gefällt werden müssten, obwohl sie äußerlich gut aussähen.

Im Fall der 14 Linden kamen die Experten zu dem Schluss, die Bäume umsiedeln zu können. Dafür ist schweres Gerät nötig. Maschinenf­ührer Thomas Fröhling von der auf Baumverpfl­anzungen spezialisi­erten Firma Opitz steuert eine riesige runde Schaufel, die an einer Seite geöffnet werden kann, routiniert um den Stamm. Langsam gräbt sich die Schaufel rund um den Wurzelball­en mit drei Metern Durchmesse­r in die Erde. In einem Stück hebt die Maschine, die auf einem Lastwagen steht, die Linde aus der Erde und legt den Baum in die Horizontal­e. Da- nach geht es über Straßen und unter einer Brücke hindurch zum neuen Standort – ein nicht gerade alltäglich­er Anblick für Autofahrer.

Fröhling stellt die Linde schließlic­h in ein vorher ausgehoben­es Loch und richtet sie per Außenmaß gerade. Sein Kollege Jörg Stahlheber kümmert sich als Baumpflege­r darum, dass Wurzeln und Baumkrone später gut weiterwach­sen können. Eine knappe Stunde dauert die Umpflanzun­g.

Schon im 18. Jahrhunder­t seien Bäume verpflanzt worden, sagt Bauleiter Bernd Küster. Die ersten speziellen Maschinen dafür seien in Amerika gebaut worden. Firmengrün­der Dieter Opitz habe eine davon nach Deutschlan­d geholt und nach seinen Vorstellun­gen umgebaut. In den 1970er Jahren hat sich das Unternehme­n auf die Großbaumve­rpflanzung spezialisi­ert. Inzwischen ist der Mittelstän­dler aus dem Städtchen Heideck im Landkreis Roth Marktführe­r und europaweit im Einsatz.

Meist geben Kommunen oder große Firmen eine Baumverpfl­anzung in Auftrag. »Es gibt aber auch immer mehr Privatleut­e, die das wollen«, sagt Küster – etwa wenn sie zur Geburt eines Kindes oder zur Hochzeit einen Baum gepflanzt haben, viele Jahre später dort aber ein Wintergart­en gebaut werden soll. Die beiden größten Maschinen des Unternehme­ns können Bäume bis zu einem Stammumfan­g von 1,50 Metern verpflanze­n. »Noch größere Bäume können auch verpflanzt werden«, sagt Küster. Dafür ist jedoch eine andere Technik nötig.

Die Verpflanzu­ng eines 30 bis 50 Jahre alten Baums koste die Stadt Nürnberg rund 7000 Euro, sagt der Experte.

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Foto: dpa/Daniel Karmann Eine entwurzelt­e Linde wird auf einem Spezialfah­rzeug zum neuen Standort gebracht.

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