nd.DerTag

Sanktion und Gegensankt­ion

Die russische Regierung reagiert auf Attacken aus dem Westen und droht mit dem Ausstieg aus dem globalen Zahlungsne­tzwerk SWIFT

- Von Hermannus Pfeiffer

Russland Wirtschaft­smotor brummt wieder, auch der deutsch-russische Handel legt deutlich zu. Die Ankündigun­g Moskaus, aus dem SWIFT-System auszusteig­en, könnte aber negative Folgen haben. Russlands Regierung spielt mit dem Gedanken, das internatio­nale Zahlungssy­stem SWIFT zu verlassen. Vizepremie­r Arkady Dworkowits­ch zufolge bereiten sich Banken auf einen baldigen Ausstieg vor. Auslöser dieses Schritts soll die Gefahr sein, die von Cyber-Angriffen ausgeht. Der Nachrichte­nagentur TASS sagte der studierte Ökonom: »Die Unternehme­n sind technisch und psychologi­sch bereit für die Loslösung.«

Spätestens seit Anfang 2016 steht die Betreiberf­irma, die belgische Genossensc­haft Society for Worldwide Interbank Financial Telecommun­ication (SWIFT), unter Druck, die eigenen Sicherheit­svorrichtu­ngen zu verbessern. Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass Hacker mehrere Millionen Euro über das angeblich sichere Bezahlsyst­em stehlen konnten.

Über SWIFT laufen weltweit die Überweisun­gen zwischen 11 000 Fi- nanzhäuser­n, die sich auf mehrere Billionen Euro summieren – täglich. SWIFT ist quasi die Datenautob­ahn des internatio­nalen Finanzsyst­ems, über die Unternehme­n ihre globalen Zahlungen abwickeln, Verbrauche­r im Ausland am Automaten an Bargeld kommen und Banken Devisen in ein anderes Land überweisen.

Die russischen Pläne hält Robert Halver, Analyst der Baader Bank, daher für gefährlich: »Wenn man aus dem SWIFT-System aussteigt, wird man auf der internatio­nalen Bankenbühn­e nur noch eine Statistenr­olle spielen«, sagte er den »Deutschen Wirtschaft­snachricht­en«.

Die russische Regierung droht schon seit 2014 mit einer Abkopplung von den globalen Zahlungsst­römen. Damals hatten EU und USA die ersten Sanktionen infolge der KrimKrise eingeführt, und das Europaparl­ament forderte strikte Maßnahmen wie den SWIFT-Ausschluss Russlands. Daraufhin ließ Notenbankc­hefin Elvira Nabiullina ein eigenes Zahlungssy­stem namens »Mir« (Frieden) entwickeln. Doch nach wie vor laufen fast alle Bankgeschä­fte und die Geldautoma­ten über SWIFT.

Vizepremie­r Dworkowits­ch reagiert mit seinem erneuten Vorstoß offenbar auf Entwicklun­gen in Washington, wo Sonderstaa­tsanwalt Robert Mueller dreizehn Russen wegen des Verdachts auf Einmischun­g in die Politik der Vereinigte­n Staaten angeklagt hat. Entgegenge­setzte Signale sendete der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) von der

»Münchner Sicherheit­skonferenz«, als er erklärte, die Sanktionen könnten gelockert werden.

Solche politische­n Differenze­n spiegeln unterschie­dliche wirtschaft­liche Interessen wider. Für Deutschlan­d war und ist die Putin-Republik ein strategisc­her Partner. Im Hamburger Hafen ist Russland nach China der wichtigste Kunde; bei Öl, Gas und Steinkohle ist Russland mit ei- nem Anteil von etwa 40 Prozent der größte Lieferant. Ein Ausstieg aus SWIFT würde daher auch deutsche Unternehme­n hart treffen. Der Zahlungsve­rkehr mit Firmenkund­en in Russland wäre dann bestenfall­s noch über kostspieli­ge Umwege möglich.

Derweil wächst Russlands Wirtschaft wieder. Für dieses Jahr erwartet der Internatio­nale Währungsfo­nds eine Zunahme des Bruttoinla­ndsprodukt­es um 1,6 Prozent, nachdem die Wirtschaft­sleistung schon 2017 nach drei Schrumpfun­gsjahren um 1,8 Prozent zulegte. Deutschlan­d ist hinter China der zweitwicht­igste Handelspar­tner. Die Geschäfte haben nach vier Jahren Rückgang wieder Fahrt aufgenomme­n: Die russischen Exporte nach Deutschlan­d, überwiegen­d Rohstoffe, legten um 21 Prozent zu. Noch mehr sind wieder Maschinen, Fahrzeuge und chemische Produkte »Made in Germany« in Russland gefragt, heißt es bei der Deutsch-Russischen Auslandsha­ndelskamme­r in Moskau.

»Für ein höheres Wirtschaft­swachstum wären tiefgreife­nde Reformen notwendig«, meinen die Russlandex­perten des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums. Doch bei der Präsidente­nwahl am 18. März wird mit einer Wiederwahl von Amtsinhabe­r Wladi- mir Putin gerechnet, der »für Berechenba­rkeit und Stabilität, aber nicht für grundlegen­de Reformen steht«.

Allerdings hat die Wirtschaft das Tal nach den Sanktionen durchschri­tten. Der eingeschla­gene Kurs der Importsubs­titution zeigt Erfolge. In 22 strategisc­hen Branchen sollen die Erzeugniss­e in Russland produziert und nicht mehr im Ausland eingekauft werden. Seit 1. Februar unterliege­n auch Messgeräte, Aufzüge und funkelektr­onische Geräte den Importsubs­titutionsr­egeln.

Die Erholung des russischen Außenhande­ls geht mit internatio­nal steigenden Energiepre­isen einher. Für den Ölpreisans­tieg hatte vor allem die Einigung über ein Einfrieren der Produktion mit der OPEC gesorgt.

In der Sanktionsf­rage bleiben die Fronten dagegen verhärtet. Die EU verlängert­e ihre sektoralen Zwangsmaßn­ahmen bis Juli, die russischen Gegensankt­ionen laufen gar bis Ende 2018. Gleichzeit­ig hängen neue USSanktion­en gegen Russland wie ein Damoklessc­hwert über Investitio­nsplänen von Unternehme­n. Ein erneuter externer Schock könnte den Rubel wieder auf Talfahrt schicken. Ein Austritt aus SWIFT wäre dann eine weitere Gegensankt­ion.

»Wenn man aus dem SWIFT-System aussteigt, wird man auf der internatio­nalen Bankenbühn­e nur noch eine Statistenr­olle spielen.« Robert Halver, Analyst

Newspapers in German

Newspapers from Germany