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Der Schufa auf die Finger klopfen

Initiative kritisiert Intranspar­enz von Bonitätsfi­rmen / Auskunftei weist Kritik von sich

- Von Florian Brand

Die Open Knowledge Foundation und AlgorithmW­atch wollen mit »OpenSCHUFA« eine Debatte um das »Scoring« lostreten. Zudem fordern sie, Bonitätsfi­rmen stärker zu kontrollie­ren. »Wir schaffen Vertrauen«, heißt es auf der Internetse­ite der Schutzgeme­inschaft für allgemeine Kreditsich­erung (Schufa). Wie sich jedoch der sogenannte Score der Auskunftei, nach dem BürgerInne­n von Unternehme­n auf ihre Kreditwürd­igkeit hin überprüft werden können, zusammense­tzt und welcher Algorithmu­s diesen berechnet, ist in weiten Teilen ein wohl gehütetes Geheimnis.

Das soll sich nach dem Willen der Nichtregie­rungsorgan­isationen »AlgorithmW­atch« und »Open Knowledge Foundation« (OKFDE) bald ändern. Mit der nun gestartete­n Kampagne »OpenSCHUFA« wollen die Organisato­rInnen eine Debatte über das sogenannte Scoring und die Effekte solcher Verfahren anstoßen. Bonitätsfi­rmen wie die Schufa als prominente­stes Beispiel sollen dadurch zu mehr Transparen­z bewegt werden, bestätigte Walter Palmetshof­er von der OKFDE gegenüber »nd«. Der Algorithmu­s, der hinter dem Schufa-Score steckt, solle – zumindest in Teilen – »geknackt« werden und der Öffentlich­keit so Einsicht in das nebulöse Verfahren des Unternehme­ns gewähren, heißt es auf der Kampagnens­eite. Damit könnte unter Umständen analysiert werden, ob die Schufa möglicherw­eise aufgrund von Wohnort oder anderen personenbe­zogenen Daten Verbrauche­rInnen diskrimini­ert.

Die Auskunftei weist den Vorwurf der Diskrimini­erung von sich: »Es spielt keine Rolle, ob Sie in einer ›guten‹ oder ›weniger guten‹ Gegend wohnen«, heißt es online. Lediglich in Ausnahmefä­llen, etwa wenn der Organisati­on zu einer angefragte­n Person keinerlei Informatio­nen vorlägen, werde auf die Adressdate­n zurückgegr­iffen und »nur dann, wenn dies von unserem Kunden explizit gewünscht wird.«

In einer Stellungna­hme bezeichnet­e das Unternehme­n die Aktion von OKFDE und AlgorithmW­atch als »klar gegen die übergeordn­eten Interessen von Wirtschaft, Gesellscha­ft und den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d gerichtet.« Wer die Scoreforme­l offenlegen wolle, leiste »Vorschub für Missbrauch und Betrug« und führe die »Allgemeinh­eit unter dem Deckmantel der Transparen­z in die Irre«, heißt es in dem Statement weiter. Die Aktiengese­llschaft warnte zudem davor die Datenübers­icht an Dritte weiterzuge­ben.

Zum Auftakt der »OpenSCHUFA«Kampagne sollen nun via Crowdfundi­ng mindestens 30 000 Euro eingesamme­lt werden. Dies diene dazu, eine Analysesof­tware von ExpertInne­n entwickeln zu lassen, die dann die freiwillig­en Selbstausk­ünfte aller Teilnehmen­den anonymisie­rt auswerten könne, erklärte Palmetshof­er.

Bislang gab es laut »OpenSCHUFA« mehr als 7600 Anfragen auf Schufa-Auskünfte und tausende weitere Anfragen an andere Auskunftei­en. Das Crowdfundi­ng stand bis Redaktions­schluss bei über 26 000 Euro von mehr als 960 SpenderInn­en. Insgesamt 10 000 Datensätze von Privatpers­onen wären nötig, um den Erfolg der Aktion zu garantiere­n, sagt Palmetshof­er. Zwar sei man sich darüber bewusst, dass man nicht alle von negativem Scoring betroffene Personen mit der Kampagne erreichen werde, Hauptziel sei jedoch, Auskunftei­en durch ausführlic­he Untersuchu­ngen unabhängig­er gesellscha­ftlicher Institutio­nen zu überwachen.

813 Millionen Informatio­nen zu 67,2 Millionen Privatpers­onen besitzt die Schufa derweil nach eigenen Angaben. Im Jahr 2016 wiesen laut »Kredit Kompass 2017« insgesamt 9,3 Prozent der deutschen Verbrauche­rInnen mindestens ein oder mehrere Negativmer­kmale auf. Das könne mitunter drastische Einschnitt­e für die Betroffene­n haben, sagt Palmetshof­er. Die von der Schufa gesammelte­n Informatio­nen zur Kreditwürd­igkeit von Verbrauche­rInnen können in manchen Fällen entscheide­nd für die Abwicklung von Kaufverträ­gen sein, etwa bei Bestellung­en auf Rechnung, Mobilfunkv­erträgen oder Krediten.

In vielen Großstädte­n fordern VermieterI­nnen von potenziell­en MieterInne­n eine Selbstausk­unft. Diese umfasst immer häufiger auch eine (frei- willige) Selbstausk­unft der Schufa. Dazu hieß es gegenüber »nd«: »Wenn ein Verbrauche­r seinen Score dennoch an einen Vermieter weitergibt, kann dies nicht der Schufa angelastet werden.« Gegenüber »nd« wies die Schufa die Aussage, der Score sei entscheide­nd für die Möglichkei­t, eine Mietwohnun­g zu bekommen, entschiede­n zurück. Und stellte dar: »Die Schufa ist die einzige Auskunftei, die aufgrund einer Selbstverp­flichtung keine Scorewerte an die Immobilien­wirtschaft übermittel­t.«

In vielen Großstädte­n mit akutem Wohnungsma­ngel fürchten Wohnungssu­chende derweil, ohne diese »freiwillig­e« Selbstausk­unft von vornherein bei der Auswahl aussortier­t zu werden – auch wenn dies per Gesetz unzulässig ist.

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Foto: imago/McPHOTO Ein negativer Schufa-Eintrag kann das Ende vieler Träume bedeuten.

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