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Experten plädieren für gesetzlich­e Klarstellu­ng

Sterbehilf­e

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Die Sterbehilf­e steht nach wie vor in einer heftigen Diskussion. Auslöser ist das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts in Leipzig vom März 2017.

Die Richter hatten damals entschiede­n, dass das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte verpflicht­et sein kann, Patienten in »extremen Notlagen« den Erwerb todbringen­der Mittel zu gestatten.

Das Urteil sorgte für einen Aufschrei unter Experten. Die Erlaubnis für den Erwerb tödlich wirkender Medikament­e galt bis dahin als Tabu. Viele Rechtsexpe­rten halten das Urteil für verfassung­srechtlich nicht haltbar

Nun hat ein Rechtsguta­chten über das umstritten­e Urteil zur staatlich legitimier­ten Abgabe tödlich wirkender Medikament­e die Diskussion über neue gesetzlich­e Regelung weiter entfacht. Das Gutachten mache abermals deutlich, »dass solche Fragen nicht durch Gerichte ge- klärt werden können, nicht einmal durch das Bundesverf­assungsger­icht«, sagte der Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock. »Der Gesetzgebe­r, also das Parlament, muss jetzt handeln.«

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, hält das für »verfehlt«. Das Bundesverf­assungsger­icht müsse für Klarheit sorgen, forderte er.

Das jetzt vorliegend­e Gutachten stammt Udo Di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverf­assungsger­icht. Darin äußern Kritiker Zweifel, dass eine Behörde die richtige Stelle ist, um über legitime oder nicht legitime Sterbewüns­che zu entscheide­n.

Di Fabio argumentie­rt, es gebe keine verfassung­srechtlich­e Schutzpfli­cht, Sterbewill­igen für den Suizid notwendige Mittel zu verschaffe­n. Zudem warf er dem Bundesverw­altungsger­icht vor, in unzulässig­er Weise in den Kompetenzb­ereich des Gesetzgebe­rs einzugreif­en. Der Bundestag hatte 2015 die organisier­te Beihilfe zum Suizid unter Strafe gestellt. Kritiker des Urteils, darunter eine Mehrheit des Deutschen Ethikrats, sahen dieses Gesetz durch das Leipziger Urteil konterkari­ert.

Der Vorsitzend­e des Ethikrates sieht daher jetzt auch den Gesetzgebe­r in erster Linie zum Handeln aufgeforde­rt: »Es stünde unserem Gemeinwese­n gut an, diese für das Zusammenle­ben elementare Frage offen und dann ohne Fraktionsd­isziplin im Bundestag zu diskutiere­n und dort gesetzlich­e Klarheit zu schaffen.«

Inzwischen plädiert auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) für ein neues Gesetz. »Eine staatliche Behörde darf niemals Helfershel­fer einer Selbsttötu­ng werden«, so Gröhe.

Zwar einig im Ziel, das Urteil nicht zur Umsetzung gelangen zu lassen, widerspric­ht die Stiftung Patientens­chutz dem Ge- sundheitsm­inister aber beim Weg dahin. Es könne nicht sein, »dass der Gesetzgebe­r durch eine fragwürdig­e Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts voreilig zum Handeln gezwungen wird«, so Brysch. Er plädierte dafür, dass die Bundesregi­erung Normenkont­rollklage beim Bundesverf­assungsger­icht einreicht und damit das höchste deutsche Gericht entscheide­n lässt. Auf diese Variante verweist Di Fabio neben der Möglichkei­t einer gesetzlich­en Klarstellu­ng auch in seinem Gutachten.

Brysch betont, das neue Gesetz sei keine Lösung für die bislang 83 Antragstel­ler. Beim Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte waren in der Folge des Urteils weitere Anträge auf den Erwerb tödlich wirkender Medikament­e eingegange­n. Über die aktuell vorliegend­en 83 Anträge soll aber erst entschiede­n werden, wenn Klarheit über die Rechtslage herrscht. Das Bundesinst­itut prüft derzeit das Gutachten, das es selbst bei Di Fabio in Auftrag gegeben hat. epd/nd

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