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Legales Kiffen

In der Drogenpoli­tik strebt Schwarz-Rot keine tiefgreife­nden Reformen an. Drei Opposition­sfraktione­n wollen nun Union und SPD mit Anträgen zur Entkrimina­lisierung des Konsums von Cannabis unter Druck setzen. Wieland Schinnenbu­rg (FDP) fordert ein Umdenke

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Drei Anträge zur Entkrimina­lisierung von Cannabis im Bundestag.

Die FDP setzt sich für Modellproj­ekte zur Abgabe von Cannabis ein. Warum ist aus Ihrer Sicht die Bekämpfung des Konsums durch Repression gescheiter­t?

Das kann man sehr schnell an den Zahlen erklären. Ungefähr vier Millionen Menschen in Deutschlan­d konsumiere­n Cannabis mehr oder weniger regelmäßig. An dieser großen Zahl erkennt man, dass die Strafverfo­lgung zwar gut gemeint war, um die Ausbreitun­g des Drogenkons­ums zu stoppen, aber nicht zu vernünftig­en Ergebnisse­n geführt hat.

Wie sollen die Modellproj­ekte der FDP aussehen?

Sie müssen wissenscha­ftlich begleitet werden. Es sollen Mediziner dabei sein, Suchtforsc­her, Soziologen oder auch Psychologe­n. Wir sind in dieser Frage nicht genau festgelegt, sondern lassen uns gerne beraten. Ziel der Modellproj­ekte ist, dass wir herausfind­en wollen, ob die kontrollie­rte Abgabe überhaupt sinnvoll ist und wie sie im Detail erfolgen soll. Aus unserer Sicht muss es eine Vergleichs­gruppe geben. Ein Teil erhält Cannabis kontrollie­rt und eine vergleichb­are Gruppe eben nicht. Die Ergebnisse müssten dann ausgewerte­t werden.

Wie viel Gramm Cannabis sollten die Konsumente­n denn in einem bestimmten Zeitraum erhalten?

Auf eine genaue Grammzahl möchte ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht festlegen. Diese Bewertung sollten wir den Experten überlassen. Alles andere wäre anmaßend. Wir von der FDP vertrauen auf Fachleute und glauben nicht, dass die Politik alles im Detail entscheide­n kann. Zudem muss sichergest­ellt werden, dass eine Person nicht von einer Abgabestel­le zur nächsten geht und sich zehn Tagesdosen besorgt, um davon neun zu verkaufen.

Welche Vorteile hätten die Konsumente­n?

Sie wären nicht mehr darauf angewiesen, sich die Droge auf dem Schwarzmar­kt zu besorgen. Sie würden stattdesse­n ein kontrollie­rtes Produkt von guter Qualität erhalten. Bei einem Kauf auf der Straße ist die Gefahr groß, dass es verunreini­gt ist und neben den Gesundheit­sgefahren durch Cannabis weitere Gefahren hinzukomme­n. Was passiert, wenn die Modellproj­ekte erfolgreic­h verlaufen sollten?

Die kontrollie­rte Abgabe könnte dann ausgeweite­t werden, wenn die Auswertung entspreche­nd ausfallen sollte. Die FDP hat bei einem Bundespart­eitag im Mai 2015 beschlosse­n, dass wir diese kontrollie­rte Abgabe bereits jetzt wollen. Dieser Beschluss geht also über unseren jetzigen Antrag hinaus. Aber für unseren Parteitags­beschluss gibt es derzeit keine Mehrheit im Bundestag. Deswegen sind wir auf die Idee gekommen, Modellproj­ekte einzuführe­n. Das ist auch ein Angebot an die anderen Fraktionen, dass wir neue Erkenntnis­se zu dem Thema gewinnen. Aus meiner Sicht gibt es kein Argument, das dagegen sprechen würde.

Gegner einer Abgabe von Cannabis führen aber an, dass die Droge negative Folgen für die psychische und körperlich­e Gesundheit haben kann. Was entgegnen Sie diesen Menschen? Also zunächst einmal muss sichergest­ellt werden, dass die Abgabe nur an Erwachsene und nicht an Minderjähr­ige erfolgt. Zudem bestreitet niemand, dass der Konsum von Cannabis negative Folgen für die Gesundheit hat. Es hängt aber auch von der Menge ab und vom Alter des Konsumente­n. Jugendlich­e sind stärker gefährdet als Erwachsene. Wir wollen auch nicht falsch verstanden werden. Wir suchen nach Wegen, wie der Konsum eingeschrä­nkt werden kann.

Das müssen Sie näher erläutern.

Wir wollen durch die kontrollie­rte Abgabe an die Menschen besser herankomme­n und sie beispielsw­eise für Therapien gewinnen, wenn bei ihnen starke Probleme wegen des Drogenkons­ums auftreten. Zudem wollen wir Geld einnehmen. Die Beträge, die bisher bei den Dealern bleiben, sollen zu einem großen Teil in die Staatskass­e fließen. Dieses Geld wollen wir dann für Drogenpräv­ention und Therapien ausgeben.

Mit wie viel Geld rechnen Sie?

Das habe ich die Bundesregi­erung in einer Kleinen Anfrage auch gefragt. Sie hat aber die Antwort verweigert. Ich rechne auf jeden Fall mit größeren Summen.

Die Linksfrakt­ion und die Grünen haben auch Anträge zu dem Thema vorgelegt. Werden sich die drei Fraktionen gegenseiti­g im Bundestag unterstütz­en?

Wir wären auf jeden Fall bereit, alle diese Anträge von uns, der Linksfrakt­ion und den Grünen in den Gesundheit­sausschuss zu überweisen. Dort können sie dann gründlich geprüft werden.

Die Union dürfte bei dem Thema schwer zu überzeugen sein. Haben Sie aber schon Signale aus der SPD erhalten, was eine mögliche Zustimmung angeht?

Nein, bisher noch nicht. Aber ich versuche, Überzeugun­gsarbeit bei allen Fraktionen zu leisten. Denn einen solchen Modellvers­uch, wie wir ihn vorschlage­n, hat es in Deutschlan­d bislang noch nicht gegeben. Ich gehe davon aus, dass dieser Versuch unseren Parteitags­beschluss bestätigen würde.

Geht es den Freien Demokraten bei ihrem Vorgehen letztlich um eine Legalisier­ung von Cannabis?

Nein. Denn eine Legalisier­ung würde bedeuten, dass es die Droge im Supermarkt im Regal zu kaufen gibt. Die kontrollie­rte Abgabe ist etwas anderes. Das soll über Apotheken erfolgen oder über andere lizenziert­e Stellen. Ich setze mich seit unserem Parteitags­beschluss für dieses Thema ein.

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Foto: 123RF/martinak
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Foto: imago/photothek Foto: iStock/Israel Patterson Am Donnerstag­abend wird der Bundestag über Anträge von FDP, Linksfrakt­ion und Grünen zur Abgabe von Cannabis beraten. Für den Text der Freien Demokraten, der die Einführung von Modellproj­ekten vorsieht, war in erster Linie der Hamburger...

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