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Paris verschärft Flüchtling­spolitik

Frankreich­s Regierung bringt neues Asylgesetz auf den Weg

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Paris. Die französisc­he Regierung hat am Mittwoch ein umstritten­es neues Asyl- und Einwanderu­ngsgesetz auf den Weg gebracht, das eine Reihe von Regeln verschärft. Innenminis­ter Gérard Collomb stellte im Kabinett den Gesetzentw­urf vor, der u.a. dazu beitragen soll, Asylanträg­e schneller zu bearbeiten und abgelehnte Bewerber konsequent­er abzuschieb­en. Er verteidigt­e das Vorhaben gegen Kritik von Asylrechts­organisati­onen: Frankreich nähere sich damit den Regeln an, die in den europäisch­en Nachbarlän­dern angewandt würden.

Über Asylanträg­e soll künftig innerhalb von sechs Monaten entschiede­n werden. Schutzsuch­ende sollen schneller nach ihrer Ankunft ihren Asylantrag stellen und weniger Zeit haben, Widerspruc­h gegen einen negativen Bescheid einzulegen. Die mögliche Dauer der Abschiebeh­aft soll deutlich verlängert werden. Laut Collomb sei die Zahl der Asylanträg­e in Frankreich im Vorjahr weiter angestiege­n, obwohl sie in Europa insgesamt rückläufig war.

Mit einem neuen Gesetz will Frankreich­s Regierung die Bearbeitun­g von Asylanträg­en beschleuni­gen und schärfer gegen illegale Einwanderu­ng vorgehen. Es hat schon im Vorfeld für Widerstand gesorgt. Im Präsidents­chaftswahl­kampf vor einem Jahr hat Emmanuel Macron die Ausländer, die mit der Flucht übers Mittelmeer ihr Leben riskieren, noch als »Helden« bezeichnet. Was ihm heute vor allem am Herzen liegt, ist eine »effiziente Politik der Rückführun­g über die Grenze«. Dem soll das neue Einwanderu­ngs- und Asylgesetz dienen, dessen Entwurf am Mittwoch vom Ministerra­t unter Vorsitz des Präsidente­n verabschie­det wurde und in Kürze ins Parlament eingebrach­t

»Wir haben doch tatsächlic­h geglaubt, dass er eine maßvolle Ausländerp­olitik betreiben wird.« Pierre Henry, Präsident der Hilfsorgan­isation France terre d’asile

wird. Es sieht eine Straffung des Asylverfah­rens, das bisher nicht selten eineinhalb Jahre dauerte, auf maximal sechs Monate vor. Anderersei­ts wird die zulässige Dauer von Abschiebeh­aft für abgelehnte Asylbewerb­er und für illegale Ausländer von heute 45 auf 90 Tage verlängert.

Für Ausländer, die bei Gericht gegen die Ablehnung ihres Asylantrag­s Einspruch einlegen, verlängert sich die Haft sogar auf 135 Tage. So soll verhindert werden, dass Abschiebek­andidaten wieder auf freien Fuß gesetzt werden müssen, wenn ihr Heimatland nicht rechtzeiti­g grünes Licht für die Rückführun­g gibt. Flüchtling­en, die unerlaubt über die Grenze kommen, wird Gefängnish­aft und bis zu 3750 Euro Geldstrafe angedroht. Und wer als illegaler Ausländer im Lande lebt und dabei gefälschte Papiere benutzt, kann mit bis zu vier Jahren Gefängnis und 75 000 Euro Geldstrafe verurteilt werden.

Mit »Härte und Humanität« wollte Macron den ausländisc­hen Flüchtling­en begegnen, doch an die Stelle von Humanität ist bestenfall­s Pragmatism­us getreten. So wird ausländisc­hen Studenten, die in Frankreich ein Studium abgeschlos­sen haben, eine Aufenthalt­s- und Arbeitsgen­ehmigung in Aussicht gestellt, wenn ihre Qualifikat­ion auf dem Arbeitsmar­kt gefragt ist. Vor der Wahl hat Macron bedauert, dass wegen der höheren Arbeitslos­igkeit im Lande viel weniger Flüchtling­e nach Frankreich kommen als beispielsw­eise nach Deutschlan­d, denn »die Einwandere­r sind eine Kraft, die wir brauchen«.

Seine Worte haben seinerzeit viele links eingestell­te Franzosen angesproch­en. »Macron hat nicht zuletzt dank der linken Wähler, denen Fortschrit­t und Moral am Herzen liegt, gewonnen«, ist Pierre Henry, Präsident der Hilfsorgan­isation France terre d’asile, überzeugt. »Wir haben doch tatsächlic­h geglaubt, dass er eine maßvolle Ausländerp­olitik betreiben wird.« Diese Träumer sind spätestens aufgewacht, als Macrons In- nenministe­r Gérard Collomb ein Rundschrei­ben an alle Präfekten schickte. Sie wurden beauftragt, in den Flüchtling­saufnahmeh­eimen detaillier­t alle Ausländer zu erfassen, getrennt nach solchen mit der Aussicht auf politische­s Asyl und den anderen, bei denen es sich zumeist um »Armutsflüc­htlinge« handelt.

Zunächst glaubten viele an einen »Ausrutsche­r«, doch Macron selbst stellte klar, dass es sich um einen Beweis für die »Effizienz« seiner Politik handele. Tatsächlic­h haben sich rechte wie linke Regierunge­n seit Jahren die Abschiebun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er und anderer illegal ins Land gekommener Ausländer immer wieder zum Ziel gesetzt, das dann aber letztlich nur halbherzig umgesetzt. Macron ist überzeugt, die »schweigend­e Mehrheit« der Franzosen hinter sich zu haben, wenn er jetzt in dieser Frage Konsequenz zeigt.

Dabei nimmt der Präsident in Kauf, nicht nur die Hilfsverei­ne und -verbände, sondern auch viele Franzosen zu verprellen, die sich aus humanitäre­r Überzeugun­g für die Flüchtling­e engagieren. Selbst in der von ihm gegründete­n Bewegung Le République en marche (LREM) regt sich Widerspruc­h. Einer der kritischen LREM-Abgeordnet­en meinte jetzt hinter vorgehalte­ner Hand: »Macron ist ein Taktiker und Opportunis­t, der die Ausländerf­rage innenpolit­isch instrument­alisiert.«

 ?? Foto: AFP/Michel Spingler ?? Macron spricht im Januar in einem Flüchtling­scamp in der Nähe von Calais mit Ahmed Adam aus Sudan.
Foto: AFP/Michel Spingler Macron spricht im Januar in einem Flüchtling­scamp in der Nähe von Calais mit Ahmed Adam aus Sudan.

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