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Der Diesel in der Sprungrevi­sion

Das Bundesverw­altungsger­icht entscheide­t, ob Fahrverbot­e rechtlich zulässig sind

- Von Friederike Meier

Vor dem Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig geht es an diesem Donnerstag um die Frage, ob es in besonders belasteten Innenstädt­en Fahrverbot­e für schmutzige Dieselauto­s geben kann. Auch im vergangene­n Jahr war die Luft in deutschen Städten schlecht. Zwar überschrit­ten laut dem Umweltbund­esamt (UBA) nicht mehr ganz so viele Kommunen wie noch 2016 die gesetzlich­en Grenzwerte. Dennoch wurde noch in 70 Kommunen der Stickstoff­dioxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmitt­el überschrit­ten. Die Ursache des Problems ist für das UBA klar: Viele Dieselauto­s stoßen im Straßenver­kehr viel mehr Stickoxide aus als auf dem Prüfstand. Atemnot, Husten, Bronchitis und steigende Anfälligke­it für Atemwegsin­fekte können die gesundheit­lichen Folgen von hoher Stickoxidb­elastung der Luft sein. Laut einer noch unveröffen­tlichten UBA-Studie, die »Report Mainz« vorliegt, verursache­n selbst die niedrige Schadstoff­konzentrat­ion in verkehrsar­men Gebieten jährlich 8000 vorzeitige Todesfälle in Deutschlan­d, vor allem durch HerzKreisl­auf-Erkrankung­en.

Wegen der ständigen Grenzwertü­berschreit­ungen droht Deutschlan­d eine Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f. Die Politik reagierte bisher dennoch nur zögerlich: Auf einem Dieselgipf­el im vergangene­n Jahr wurden Softwareup­dates beschlosse­n, die die Abschaltun­g der Abgasreini­gung verhindern sollen, und ein Maßnahmepl­an für Kommunen. Außerdem gibt es Umtauschpr­ämien für alte Dieselauto­s. Jetzt aber steht eine höchstrich­terliche Entscheidu­ng an, die eine unpopuläre Maßnahme zur Folge haben könnte: Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig verhandelt an diesem Donnerstag darüber, ob in Deutschlan­d bereits mit der heutigen Rechtslage Fahrverbot­e für schmutzige Dieselauto­s erlaubt sind.

Das Gericht hat über Urteile der Verwaltung­sgerichte in Stuttgart und Düsseldorf zu befinden. Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) hatte die jeweiligen Bundesländ­er verklagt, weil in Düsseldorf und Stuttgart die Grenzwerte für Stickoxide nicht eingehalte­n werden. In beiden Fällen hatten die Gerichte geurteilt, dass Fahrverbot­e unter bestimmten Bedingunge­n möglich sind. In Stuttgart beispielsw­eise für Diesel unterhalb der Euro-6-Norm in der Umweltzone der Stadt.

Sowohl das Land Baden-Württember­g als auch Nordrhein-Westfalen legten gegen das jeweilige Urteil Sprungrevi­sion ein. Das bedeutet, dass die nächsthöhe­re Instanz ausgelasse­n wird und das Verfahren gleich vor das Bundesverw­altungsger­icht kommt.

Nach Einschätzu­ng der Umwelthilf­e gibt es nun drei Möglichkei­ten: Die Leipziger Richter könnten die Sprungrevi­sion zurückweis­en; damit wären die Urteile der ersten Instanz rechtskräf­tig und Fahrverbot­e mög- lich. »Dieses Urteil wäre das politisch mit Abstand folgenreic­hste«, so die DUH. Im Zweiten Fall könnte das Gericht den Sprungrevi­sionen stattgeben und die Urteile aufheben. Damit wäre die Auffassung bestätigt, dass Fahrverbot­e ohne bundesweit einheitlic­he Regelung nicht zulässig sind. »Das massive Problem, dass Schadstoff-Grenzwerte überschrit­ten werden, würde allerdings weiterbest­ehen«, so die DUH.

Als letzte Möglichkei­t könnte das Bundesverw­altungsger­icht die Fälle zur erneuten Verhandlun­g an die zuständige­n Verwaltung­sgerichte zurückverw­eisen und das Problem damit aufschiebe­n. Das wäre auch dann der Fall, wenn das Gericht eine Vorabentsc­heidung des Europäisch­en Gerichtsho­fs einholt.

Wenn das Urteil besagt, dass Fahrverbot­e rechtlich möglich sind, könnte das unmittelba­re Auswirkung­en auf all jene Städte haben, die die Grenzwerte überschrei­ten. Die DUH hat insgesamt 19 Städte wegen Verstößen gegen die Vorhaben für die Luftqualit­ät verklagt.

Das vorrangige Ziel der Umwelthilf­e sind aber nicht Fahrverbot­e: »Was wir mit den Fahrverbot­en erreichen wollen, ist, dass schmutzige Diesel, denen ein Fahrverbot auferlegt wird, auf Kosten der Hersteller technisch nachgerüst­et werden und eine funktionie­rende Abgasreini­gung bekommen, sodass sie die Grenzwerte auf der Straße einhalten«, sagte DUH-Geschäftsf­ührer Jürgen Resch im Interview mit dem Onlinemaga­zin »klimarette­r.info«. Diese Fahrzeuge wären dann von Fahrverbot­en ausgenomme­n. Auch das UBA fordert solche Nachrüstun­gen.

Immerhin, im Koalitions­vertrag der Großen Koalition ziehen die möglichen Regierungs­partner Union und SPD auch Hardwarena­chrüstunge­n in Betracht, um Fahrverbot­e zu vermei- den. Allerdings nur »soweit technisch möglich und wirtschaft­lich vertretbar«. Auf viel Kritik stieß die Empfehlung von Regierungs­beratern, dass der Staat die Umrüstunge­n bezahlen solle und nicht etwa die Verursache­r, also die Autoherste­ller. Im Koalitions­vertrag nicht erwähnt wird die Blaue Plakette, die Dieselauto­s der neueren Abgasnorm Euro-6 von Fahrverbot­en ausnehmen würde.

Einen Hinweis darauf, dass Nachrüstun­gen effektiv sind, hat indes der ADAC Württember­g geliefert. Der Autoclub testete zusammen mit dem Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium verschiede­ne Dieselauto­s der Euro-5Norm mit und ohne Nachrüstun­g und kam zu dem Ergebnis: Innerorts lassen sich bis zu 70 Prozent, außerorts sogar 90 Prozent weniger Stickoxide erreichen. Für besonders belastete Gebiete wie das Stuttgarte­r Neckartor könne die Verbesseru­ng der Luftqualit­ät bis zu 25 Prozent betragen.

Die Bundesregi­erung, Länder und Kommunen wollen in Sachen Verbesseru­ng der Luftqualit­ät in Städten Diesel-Fahrverbot­e unbedingt vermeiden. Die Rechtmäßig­keit dieser Maßnahme wird nun höchstrich­terlich geklärt. Das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts dürfte bundesweit Folgen haben, obwohl es nur um zwei Präzedenzf­älle geht: die besonders belasteten Städte Stuttgart und Düsseldorf. »Was wir mit den Fahrverbot­en erreichen wollen, ist, dass schmutzige Diesel, denen ein Fahrverbot auferlegt wird, auf Kosten der Hersteller eine funktionie­rende Abgasreini­gung bekommen.« Jürgen Resch, Umwelthilf­e

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Foto: dpa/Federico Gambarini Messsensor­en für Luftmessun­gen in der Düsseldorf­er Corneliuss­traße

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