nd.DerTag

Die Gewaltspir­ale dreht sich

Niklas Franzen über den Einsatz des Militärs in Rio de Janeiro

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Brasiliens Präsident Michel Temer sitzt einem alten Irrglauben auf: Gewalt ließe sich mit mehr Gewalt bekämpfen. Per Dekret greift die Bundesregi­erung erstmals seit 1988 im Bundesstaa­t Rio de Janeiro ein und macht die Armee dort zum Hüter der öffentlich­en Ordnung. Die Militärdik­tatur (1964-1985) lässt grüßen und das Parlament nickt diese Interventi­on ab. Anlass für den Einsatz ist die massive Gewalt. Polizei und Drogenband­en liefern sich unerbittli­che Gefechte. Die Mordrate in der krisengebe­utelten Stadt ist so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Ein erster Schritt in Richtung Militärsta­at? Die Offizielle­n versuchten zu beschwicht­igen, dass die Demokratie nicht in Gefahr sei. Bei vielen Brasiliane­r*innen dürften die Bilder von Panzern auf den Straßen dennoch Erinnerung­en an die dunklen Tage der Militärdik­tatur hervorrufe­n. Präsident Temer will vor allem eines: zeigen, dass er handelt. Aber die Aufrüstung wird die Gewalt nur noch weiter anheizen. Mehrfach kam es bei Militärope­rationen in Favelas zu schweren Menschenre­chtsverlet­zungen und die Sicherheit­slage hat sich nicht verbessert. Auch diesmal wird die Interventi­on vor allem die Armen treffen. Verbesseru­ngen der Sicherheit lassen sich nur erreichen, wenn man an die Wurzeln der Probleme geht – und die heißen Ungleichhe­it und Rassismus.

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