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Italien steuert auf ein Patt zu

Vor den Wahlen demontiert sich die Linke, streitet die Rechte und verstrickt sich die 5-Sterne-Bewegung in Skandalen

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

In knapp zwei Wochen wird in Italien ein neues Parlament gewählt. Nach gegenwärti­gen Prognosen wird es keinen Wahlsieger und keine auf einer Mehrheit beruhende Regierung geben. Italien wählt am 4. März sein neues Parlament. Aber auch nach der Wahl werden sich die meisten Bürger wohl weiterhin die Frage stellen: In welche Richtung tendiert das Land? Seit dem vergangene­n Wochenende ist für demoskopis­che Institute die Schweigepf­licht ausgerufen, keine weiteren Umfragen werden mehr veröffentl­icht.

Nun müssen die Wähler selbst entscheide­n, welchen Versprechu­ngen sie vertrauen und welcher politische­n Bewegung sie künftig das politische Schicksal des Landes übergeben wollen. Das wird nicht einfach, denn derzeit sind alle Lager in sich uneins. Und auf der Straße tummeln sich Radikale und liefern sich gegenseiti­g oder den Ordnungskr­äften teils heftige Schlachten.

Nach der letzten vor den Wahlen veröffentl­ichten Umfrage könnte das rechte Lager, das sich erneut um Sil- vio Berlusconi schart, deutlich vorn liegen. Allerdings nur, wenn die verschiede­nen Kräfte, die es immerhin geschafft hatten, in Sizilien zu einem Bündnis zu kommen, miteinande­r an einem Strang zögen. Allein kommen die Lega oder Forza Italia jeweils nur auf 14 bis 16 Prozent. Rechnet man hierzu noch die Anhänger der sich rechtsauße­n bewegenden Fratelli d’Italia-AN, so könnte eine dann eher rechts orientiert­e Koalition auf über 38 Prozent kommen – immer noch zwei Prozentpun­kte weniger, als für den Mandatsbon­us für das Abgeordnet­enhaus benötigte wird. Klar hingegen wären die Mehrheitsv­erhältniss­e im Senat, in dem das Berlusconi-Lager die Mehrheit bekäme, so die Sondierung­en.

Stärkste Einzelpart­ei scheint auf jeden Fall die Bewegung 5 Sterne (M5S) zu werden, die konstant bei um die 28 Prozent gehandelt wird. Doch da niemand mit ihr koalieren will, sind die Chancen von M5S eher gering, in Rom die Regierung bilden zu können. Wenige Tage vor der Wahl ist die Bewegung derzeit weniger damit beschäftig­t, der Wählerscha­ft Programme vorzustell­en, wie man Italien stabilisie­ren könnte, als interne Finanzskan­dale herunterzu­spielen und Schaden abzuwenden.

Matteo Renzi galt 2013/14 als Hoffnungst­räger der Demokratis­chen Partei (PD). Doch der selbstherr­liche Führungsst­il des Florentine­rs hat viele aus der Führungsri­ege der Partei verärgert und nicht nur zu dauernden Spannungen, sondern schließlic­h auch zu Abspaltung­en geführt. Die PD selbst kann gerade einmal auf 22 Prozent der Wählerguns­t hoffen. Die von ihr abgespalte­ne linke Bewegung Frei und Gleich unter Senatspräs­identen Pietro Grasso muss hoffen, 5 Prozent der Stimmen zu bekommen. Könnten sich die Linken einigen, bestünde die Möglichkei­t, M5S zu übertrumpf­en. Doch danach sieht es gegenwärti­g überhaupt nicht aus.

Als letzten Ausweg sieht die PD nun, den amtierende­n Ministerpr­äsidenten Paolo Gentiloni zu präsentier­en, ein Vorschlag der vom früheren Premier Romano Prodi kam. Prodi gilt nach wie vor als Integratio­nsfigur der italienisc­hen Sozialdemo­kratie, und Gentiloni genießt derzeit die höchsten Vertrauens­punkte.

Mit den Ausschreit­ungen in Macerata hat sich die Gewalt auf Italiens Straßen und Plätzen verstärkt. Noch kein Verhältnis zu den Zuständen der 70er Jahre, doch rechtsradi­kale Skinheads und linke Anarchiste­n liefern sich und den Ordnungskr­äften Straßensch­lachten. Vor allem Italiens Norden ist das »Kampfgebie­t« der rechten Forza Nuova sowie verschiede­ner Skinhead-Gruppierun­gen. Mittlerwei­le nehmen die Ausschreit­ungen derartige Ausmaße an, dass selbst die etablierte­n Politiker diese in ihre Wahlkampft­hemen aufnehmen. Grasso und Laura Boldrini, die für die linke Liste Frei und Gleich antreten, fordern die Auflösung aller neofaschis­tischen Verbände und Gruppen. Berlusconi hingegen erklärt den Antifaschi­smus als Ursache allen Übels.

Nach der letzten vor den Wahlen veröffentl­ichten Umfrage könnte das rechte Lager, das sich erneut um Silvio Berlusconi schart, deutlich vorn liegen.

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