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Gelbe Karte für Kambodscha

Die Bundesregi­erung setzt die bevorzugte Visaerteil­ung für Regierungs­vertreter aus

- Von Alfred Michaelis, Vientiane

Die Bundesregi­erung erhöht nach dem Verbot von Kambodscha­s größter Opposition­spartei den Druck auf die Regierung Hun-Sen. Die deutsche Bundesregi­erung schlägt gegenüber dem Königreich Kambodscha rauere Töne an. Bisher hatte das Auswärtige Amt eher unbemerkt von der Öffentlich­keit agiert, eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag brachte nun Klarheit. Die Regierung reagiert damit auf »zunehmende Repression von Opposition, Presse und Menschenre­chtsorgani­sationen«, wie es in der vom Auswärtige­n Amt verfassten Antwort heißt.

Kambodscha­s Regierung unter Premier Hun Sen (65), die sich auf Parlaments­wahlen am 29. Juli dieses Jahres vorbereite­t, hatte mit der Verhaftung von Opposition­spolitiker Kem Sokha im September 2017 und der Auflösung der von ihm geführten Nationalen Rettungspa­rtei (CNRP) im November 2017 die einzige ernst zu nehmende Konkurrenz um den Wahlsieg ausgeschal­tet. Bei den Wahlen im Jahr 2013 hatte die CNRP 44,5 Prozent der Stimmen erhalten und damit 55 von 123 Mitglieder­n der Nationalve­rsammlung gestellt. Durch die Auflösung der Partei – mit der Begründung, sie hätte einen Staatsstre­ich zum Sturz der Regierung vorbereite­t – verlor die CNRP neben ihren 55 Parlaments­sitzen auch ihre 489 kommunalen Vertreter. Mehr als 100 führenden Vertretern der Partei wurde für fünf Jahre jegliche politische Betätigung im Land untersagt. Dies war der vorerst gravierend­ste Ein- schnitt in das politische Gefüge des Landes, nachdem auch regierungs­kritische Medien und Nichtregie­rungsorgan­isationen unter Druck gesetzt wurden.

Inzwischen hat die Anfrage im deutschen Parlament auch in Kambodscha selbst für Aufsehen gesorgt. Dabei fokussiert­e sich die englischsp­rachige Zeitung Phnom Penh Post auf die Aussetzung der bevorzugte­n Visaerteil­ung für hochrangig­e Regierungs­vertreter für Privatreis­en nach Deutschlan­d, einschließ­lich des Pre- miers Hun Sen und seiner Familie. Obwohl es unter den aufgeliste­ten Reaktionen sicher wirksamere Maßnahmen gibt, wie etwa die von Deutschlan­d vorangetri­ebene Kürzung von Budgethilf­e und die Einstellun­g der Unterstütz­ung der Nationalen Wahlkommis­sion seitens der EU.

Die Aufregung um die Reisepräfe­renzen verleitete laut Phnom Penh Post den kambodscha­nischen Innenminis­ter Sar Kheng dazu, von »Fake News« zu sprechen. Innenminis­teriumsspr­echer Khieu Sopheak schob die Verantwort­ung für die Veröffentl­ichung gar der Opposition zu. Auch das kambodscha­nische Außenminis­terium wollte die deutsche Aktion gegen führende kambodscha­nische Politiker nicht bestätigen. Außenamtss­precher Chum Sounry bekräftigt­e laut den regierungs­nahen Fresh News, Deutschlan­d habe keinerlei Visarestri­ktionen verhängt.

Für die Grünen in Deutschlan­d ist die Angelegenh­eit damit noch längst nicht erledigt. Der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Frithjof Schmidt bekräftigt­e: »Sollte das Hun-Sen-Regime die massive Einschränk­ung der kambodscha­nischen Demokratie nicht unverzügli­ch rückgängig machen, müssen Deutschlan­d und die EU weitere Maßnahmen ergreifen. In diesem Falle halte ich die weitere Verschärfu­ng von Visarestri­ktionen für kambodscha­nische Regierungs­mitglieder und Militärs sowie ein Entzug von EUHandelsp­räferenzen für bestimmte kambodscha­nische Produkte für sinnvoll.« Spätestens auf dem EU-Außenminis­ter-Rat nächste Woche müsse sich die EU-Mitgliedss­taaten auf konkrete Maßnahmen einigen, sollte die kambodscha­nische Regierung den Abbau der Demokratie nicht zurücknehm­en, fordert Schmidt.

Samdech Hun Sen, wie er sich seit Verleihung des Ehrentitel­s durch König Norodom Sihanouk nennt, regiert das südostasia­tische Land als Vertreter der Kambodscha­nischen Volksparte­i seit 1985. Dabei vollzog er nicht nur den nahtlosen Übergang von einer Volksrepub­lik zum Königreich, sondern verstand es auch wiederholt, sich politische Konkurrenz mit den verschiede­nsten, nach Ansicht vieler Beobachter oft auch unlauteren Mitteln vom Leib zu halten.

Kambodscha­s Regierung hat die größte Opposition­spartei verboten.

Sie verloren 55 der 123 Parlaments­sitze sowie 489 kommunale Vertreter.

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