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Die mit Wirtschaft was am Hut hat

Die Ökonomin Christa Luft wird 80 – ihr Leben bleibt der linken Ökonomie gewidmet

- Von Tom Strohschne­ider

Sie leitete die Hochschule für Ökonomie in der DDR, war Wirtschaft­sministeri­n der DDR, Bundestags­abgeordnet­e der PDS und hat bis heute einen guten Rat für die Linke parat. Vor recht genau 28 Jahren trafen sich in Bonn die Regierunge­n von BRD und DDR. Für letztere war Christa Luft dabei, damals seit ein paar Wochen als Wirtschaft­sministeri­n im Amt. Bevor die große Runde zusammentr­at, gab es Vorgespräc­he im kleinen Kreis – und Luft hatte mit dem damaligen Finanzstaa­tssekretär Horst Köhler das Vergnügen.

Ob sie jetzt nicht drei Meter hoch in die Luft springe, fragte der Mann aus dem Westen. Immerhin werde Helmut Kohl der DDR-Seite gleich die baldige Einführung der D-Mark anbieten. Die Leute würden die Währung wohl ob ihrer Kaufkraft schätzen, antwortete die Ökonomin aus dem Osten. Um sogleich vor den Folgen zu warnen: »Dann werden wir als- bald überschwem­mt von Waren aus den alten Bundesländ­ern, dann werden unsere Waren, bei uns produziert­e, rausgehen aus den Regalen, und wir werden die Ostmärkte verlieren.« Der spätere Bundespräs­ident nannte sie dafür damals arrogant.

Die Anekdote bringt die Wendezeit aber ganz gut auf den Punkt. Wer aus ökonomisch­en Gründen skeptisch war, galt als Spielverde­rber. Und nicht jene wurden als die Arroganten angesehen, die es damals tatsächlic­h waren.

Christa Luft hat in der Frage, was die Konsequenz­en einer übereilten Währungsre­form sind, recht behalten. Dass sie Ende 1989, Anfang 1990 als Ministerin unter Hans Modrow amtieren durfte, hatte wiederum etwas damit zu tun, dass sie gegenüber der Rechthaber­ei der DDR-Oberen kritisch war. Als sie 1988 Rektorin der Hochschule für Ökonomie wurde, bekundete sie den Wunsch, dass das »große Potenzial, das wir im Lehrkörper und unter den Studenten haben, nicht dazu da ist, immer im Nachhinein bejubeln zu müssen, wie weise die Parteiführ­ung wieder Beschlüsse gefasst hat«. Für manchen im Apparat galt sie damit schon als »Revisionis­tin«.

Geboren 1938 im mecklenbur­gischen Krakow am See hatte Christa Luft eigentlich eine Karriere als Veterinärm­edizinerin im Sinn. Es wurde dann die Ökonomie. Man darf sagen: zum Glück. Denn linke Ökonomen gibt es bis heute nicht gerade im Überfluss. Dass gern behauptet wird, »die Linken haben mit Wirtschaft nichts am Hut«, dazu habe man selbst »auch viel Anlass gegeben«, meint Luft.

Man kann das als Aufruf verstehen: zur ökonomisch­en Bildung, zu einem wirtschaft­skritische­n Blick, der über bloße Sozialpoli­tik hinausgeht. »Wirtschaft ist ein Hauptberei­ch der Gesellscha­ft«, sagt Luft. »Vor allem dort findet Wertschöpf­ung statt, und das bedarf der konstrukti­ven Aufmerksam­keit.«

Ihre Aufmerksam­keit widmete sie spätestens seit 1956 der Ökonomie, damals startete sie ein Studium an der Hochschule für Außenhande­l. Promotion, Habilitati­on, Professur, Vizedirekt­orin des Internatio­nalen Instituts für ökonomisch­e Probleme des sozialisti­schen Weltsystem­s – alle Stationen aufzuzähle­n ist hier gar nicht Platz genug. Sie wurde nach der Wende Bundestags­abgeordnet­e der PDS, Fraktionsv­orsitzende, engagierte sich in der Rosa-Luxemburg-Stiftung – und schrieb über Jahre wirtschaft­spolitisch­e Kolumnen für diese Zeitung.

Mancher Kommentar von Luft klingt heute noch sehr aktuell. »Wenn die Warnung des SPD-Chefs vor den Auswüchsen des Kapitalism­us glaubwürdi­g sein soll«, schrieb sie einmal, dann müsse diese Partei auch die Agenda-Politik beenden. Luft sprach von der »Reißleine«, und wer die Debatten um die aktuelle SPD-Krise verfolgt, weiß, wie sehr nicht wenige Sozialdemo­kraten immer noch hoffen, es würde endlich einmal jemand daran ziehen.

Dass sich die Welt aber auch nicht einfach nur mit »mehr Sozialpoli­tik« zum Besseren wenden lässt, hat Christa Luft ebenso hartnäckig betont. Schon auf dem Sonderpart­eitag der SED im Dezember 1989 mahnte sie ihre Genossen zu Realismus: »In der Wirtschaft muss immer alles machbar sein und machbar bleiben.« Das war kein Appell zur Anpassung, sondern der Versuch, klarzumach­en, dass zwischen mittel- und kurzfristi­gen Perspektiv­en eine Verbindung bestehen muss, die auch ökonomisch tragfähig ist. An diesem Donnerstag wird Christa Luft 80 Jahre alt.

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Foto: Frank Schirrmeis­ter

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