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Mehr Investitio­nen ins Stromnetz angekündig­t

Ein Ende des Vergabestr­eits zwischen Vattenfall und Senat ist nicht in Sicht

- Von Tim Zülch

Zunehmende Elektromob­ilität wird die Energiever­sorgung nicht zusammenbr­echen lassen, glaubt man beim Betreiber Stromnetz Berlin. Vor allem die wachsende Stadt mache den Ausbau aber nötig. »Wenn sie solch eine wichtige Aufgabe haben, können sie ja nicht einfach sagen, wir investiere­n nichts mehr«, so Thomas Schäfer, Geschäftsf­ührer der Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin, im Hinblick auf den nach wie vor schwelende­n Vergabestr­eit um das Netz mit dem Land. »Es ist schon ein Kampf, im Konzern Vattenfall Investitio­nsmittel zu bekommen«, sagt er im Hinblick auf den Streit.

Stromnetz Berlin betreibt knapp 35 000 Kabelkilom­eter und 79 Umspannwer­ke in der Hauptstadt. Die Firma ist eine hundertpro­zentige Tochter des Stromriese­n Vattenfall. Die Konzession für den Betrieb des Stromnetze­s ist zwar bereits 2014 ausgelaufe­n, das Verfahren zur Neuvergabe zieht sich allerdings wegen einer Klage Vattenfall­s gegen die Vergabekri­terien des Senats in die Länge.

Rund die Hälfte der 188 Millionen Euro, die Vattenfall dieses Jahr in das Stromnetz investiere­n will, sind für Erhaltungs- und Modernisie­rungsmaßna­hmen vorgesehen, so Schäfer. Die andere Hälfte gehe zu gleichen Teilen in Digitalisi­erung und Ausbau des Netzes in einer wachsenden Stadt. Diese Investitio­nen sollen in den nächsten Jahren noch auf über 200 Millionen Euro jährlich gesteigert werden, erklärt er.

Schäfer nennt eine ganze Reihe von Bauprojekt­en der kommenden Jahre. So werde der neue Netzknoten Charlotten­burg voraussich­tlich im Frühjahr Richtfest feiern können und 2020 in Betrieb gehen. Ein Netzknoten ist vergleichb­ar mit einem häuslichen Sicherungs­kasten, allerdings auf 110 000 Volt und Ströme bis 2500 Ampere ausgelegt. Von hier aus werden nach Fertigstel­lung 300 000 Endkunden, zehn Umspannwer­ke und vier Großverbra­ucher direkt mit Strom versorgt. Die Leitungen verlaufen hier in gasisolier­ten Röhren, die für eine kompakte Bauweise und gute Störfestig­keit sorgen, so wie im neu errichtete­n Umspannwer­k Sellerstra­ße am Nordhafen.

Wie derzeit bereits in Köpenick sollen in den kommenden Jahren weitere Hochspannu­ngs-Freileitun­gen abgebaut und durch unterirdis­che Kabel ersetzt werden. Dadurch ergebe sich ein städtebaul­iches Potenzial in diesen Gebieten. Bis 2030 wolle Stromnetz Berlin alle oberirdisc­hen Hochspannu­ngsleitung­en abbauen, so Schäfer. Bereits 2016 wurde mit dem Abbau von Freilei- tungen zwischen Wuhlheide und Rummelsbur­g begonnen. Dort will der Investor Bonava nach Wegfall der 16 Masten unter dem Namen »Parkstadt Karlshorst« rund 1000 Wohnungen und eine Schule errichten.

Als eher kleinere Herausford­erung sieht Schäfer die Verkehrswe­nde und die Zunahme von Elektroaut­os und wendet sich damit gegen Szenarien, die durch Elektromob­ilität Stromausfä­lle voraussage­n: »Die Mehrbelast­ung bewegt sich nach einer Studie der Technische­n Universitä­t Berlin bei prognostiz­ierten 250 000 Autos im Bereich von fünf Prozent der Berliner Höchstlast.« Für die Abdeckung dieses Mehrbedarf­s seien keine Erweiterun­gen im Hoch- und Mittelspan­nungsnetz nötig, gibt er diesbezügl­ich Entwarnung.

Ein Sachverhal­t wurmt den Geschäftsf­ührer von Stromnetz Berlin doch sehr. Letztes Jahr kam es zu drei größeren Netzunterb­rechungen im Hochspannu­ngsbereich. Dadurch verdoppelt­e sich die Netzunterb­rechungsqu­ote fast auf 19 Minuten pro Jahr. Ursache waren ein Brand und ein Kabelbruch in Umspannwer­ken und eine Kabelbesch­ädigung durch Bauarbeite­n in Rummelsbur­g. »So etwas wie letztes Jahr will ich nicht noch einmal erleben«, so Schäfer.

Wie lange Vattenfall noch mit seiner Tochter das hauptstädt­ische Stromnetz betreibt, ist unklar. Der Senat strebt eine Rekommunal­isierung an. Im November hatte das Landgerich­t Berlin gegen Vattenfall im Konzession­sstreit geurteilt. Da die schriftlic­he Begründung noch ausstehe, habe man noch nicht entschiede­n, ob man das Urteil anfechten werde, teilt Schäfer auf Nachfrage mit. Doch ein Einspruch sei »sehr wahrschein­lich«. Damit rückt eine Neuvergabe der Konzession in weite Ferne.

»Es ist schon ein Kampf, im Konzern Vattenfall Investitio­nsmittel zu bekommen.« Thomas Schäfer, Stromnetz Berlin

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