nd.DerTag

Länger im Asylheim leben

Weil Wohnungen fehlen, bleiben in Cottbus auch anerkannte Flüchtling­e in den Gemeinscha­ftsunterkü­nften

- Von Wilfried Neiße

In Cottbus standen viele Plattenbau­wohnungen leer und es wurden Wohnblöcke abgerissen. Doch das ist Vergangenh­eit. Auch wenn Flüchtling­e in Brandenbur­g Asyl erhalten, bleiben sie oft in Gemeinscha­ftsunterkü­nften wohnen. Darauf aufmerksam machte Paul-Peter Humpert, Geschäftsf­ührer des Landkreist­ags, am Mittwoch im Sozialauss­chuss des Landtags. Dort wurde über die Unterkunft­skosten debattiert. Dringend warb Humpert dafür, bei den Anstrengun­gen um die Integratio­n auch dann nicht nachzulass­en, wenn Flüchtling­e nicht mehr dem Landesaufn­ahmegesetz unterliege­n, sondern dem Sozialrech­t. Es bedürfe weiterer Anstrengun­gen, »um den Menschen Eintritt in den Alltag zu ermögliche­n«.

Der früher hohe Leerstand in den zu DDR-Zeiten errichtete­n Wohnblö- cken habe der Stadt Cottbus die Unterbring­ung vieler Asylbewerb­er ermöglicht und »uns einen anderen Spielraum gegeben«, berichtete Sozialdeze­rnentin Maren Dieckmann. Allerdings gibt es inzwischen kaum noch Leerstand. »Der Wohnungsma­rkt in Cottbus ist fast zu.« Mit Blick auf die unsichere Weltlage riet Dieckmann, den Kommunen finanziell­e Sicherheit zu geben. Weil gegenwärti­g nicht mehr viele Flüchtling­e ankommen und in den Asylheimen noch Platz ist, gestatte man es in Cottbus anerkannte­n Flüchtling­en, weiter in den Unterkünft­en zu wohnen, die eigentlich für Flüchtling­e gedacht sind, deren Asylverfah­ren noch läuft.

Mit Blick auf die Aufregung, die es in Cottbus wegen gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen zwischen Syrern und Deutschen gab, forderte Dieckmann, bei der »größten Herausford­erung, die noch vor uns steht, nicht nachzulass­en: das friedliche Zusammenle­ben zwischen Einheimisc­hen und zugewander­te Geflüchtet­en zu gewährleis­ten«. Cottbus gehöre zu den Gegenden Deutschlan­ds, die »nicht so erfahren« seien im Zusammenle­ben mit Menschen aus einem anderen Kulturkrei­s. Diekmann sprach von einer »prekären Situation auf Schulhöfen«, die von Schülern, aber auch von Eltern erzeugt werde. Es gebe Zeiten, da laufen dort Ordnungsam­t und Polizei Streife. »Das kann es nicht sein.«

Die Unterbring­ung der Flüchtling­e in Wohnungen ist in vielen Städten schwierig, sagte Thomas Golinowski vom Städte- und Gemeindebu­nd. Zwischen 1990 und 2010 sind in Brandenbur­g rund 80 000 Wohnungen abgerissen worden. Die fehlen jetzt. Verteidigt wird der Abriss damit, dass die Flüchtling­swelle der Jahre 2014 bis 2016 nicht absehbar gewesen sei und eine leerstehen­de, in Reserve gehaltene Wohnung Kosten von einem Euro pro Quadratmet­er verursache. Es habe niemanden ge- geben, der das bezahlen wollte. 44 Millionen Euro hat der Kreis Oberhavel aufgewende­t, um in den Jahren 2013 bis 2017 Unterkunft­skapazität­en für mehr als 3500 ihm zugewiesen­e Asylbewerb­er zu schaffen. Im Landtag machte Landrat Ludger Weskamp (SPD) darauf aufmerksam, dass der größte Teil dieser Summe vom Kreis vorfinanzi­ert werden musste. Weil der angespannt­e örtliche Wohnmarkt nicht weiter belastet werden sollte, wurden alle Asylbewerb­er in kreiseigen­en oder vom Landkreis angemietet­en Gebäuden untergebra­cht. Innerhalb von vier Jahren stieg die Kapazität zur Unterbring­ung von Asylbewerb­ern von 175 Plätzen in einem Asylheim auf 1650 Plätzen in zehn verschiede­nen Heimen. In der Stadt Kremmen wurden neue Wohnhäuser für die Unterbring­ung von Flüchtling­en für drei Jahre angemietet. Danach stehen diese Wohnungen dem Wohnungsma­rkt wieder zu Verfügung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany