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Das beste Theater der Welt

Mit der Dokumentat­ion »Partisan« setzt Lutz Pehnert Frank Castorfs Volksbühne ein Denkmal

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Herr Pehnert, im Abspann Ihres Films sind neben Ihrem Namen sehr viele weitere aufgeliste­t. Sind das alles Mitregisse­ure?

Nein. Da stehen alle, die an dem Film gearbeitet haben – allerdings ohne ihre jeweiligen Berufsbeze­ichnungen. Das hat sich so ergeben. Eine Freundin von mir, die in der DDR aufgewachs­en ist und seit Ende der 80er Jahre in Stockholm lebt, hatte nach dem Anschauen einer ersten Version des Films gesagt: »Ich habe jetzt wieder Sehnsucht nach Gruppe.« Die Volksbühne­n-Leute haben ja auch vorgeführt, wie man in einer Gruppe – oder als Band – durchkomme­n und älter werden kann. Diesen Gruppenged­anken haben wir in den Abspann übernommen, der keine Hierarchie befolgt, sondern das Alphabet. Wann war Ihnen klar, dass Sie über die »Gruppe« Volksbühne drehen werden?

Als bekannt wurde, dass Chris Dercon ab 2017 neuer Intendant werden soll, war das Ende der Ära Castorf besiegelt. Wir Regisseure – Matthias Ehlert, Adama Ulrich und ich – sind auf ähnliche Weise mit und in diesem Theater nach 1990 noch einmal aufgewachs­en. Die Volksbühne war nicht einfach nur Theater, sondern Klub, Kneipe, Spektakel, Orientieru­ngs- und Haltepunkt in einer Zeit des Umbruchs. Aus dieser geteilten Erfahrung hat sich eine gemeinsame Absicht und die Arbeit an diesem Film ergeben. Wir wollten diese Ära nicht einfach so verschwind­en lassen, sondern festhalten; noch einmal schauen, was dieses Theater in den letzten 25 Jahren besonders gemacht hat. So blicken wir einerseits auf wichtige Inszenieru­ngen und Etappen, anderersei­ts in die Arbeitswei­se dieser Truppe in ihrer letzten Spielzeit.

Die Mitglieder des Ensembles, Martin Wuttke etwa, sehen darin ein bisschen müde aus …

Die Schauspiel­erin Lilith Stangenber­g sagt, niemand geht unbeschade­t aus sieben Stunden »Faust« raus. Das ist Schwerstar­beit, Hochleistu­ngssport, aber auch ein Energierau­sch. Martin Wuttke sieht vielleicht etwas müde aus, weil wir ihn erst nach dem Abschlussf­est interviewe­n konnten. Er hatte wirklich nicht viel geschlafen, aber er hat uns auch nicht sitzen lassen.

Sie dokumentie­ren die Nachwendez­eit und die Entwicklun­g Ostdeutsch­lands nun schon über 20 Jahre. Wie sehen Sie Ihre Arbeit? Als Arbeit.

Ihr Vater war stellvertr­etender Kulturmini­ster der DDR und in dieser Funktion auch für die Zulassung von Filmen zuständig. Beeinfluss­t Sie das heute?

Nein. Mein Vater war weder ein Zulasser noch ein Verhindere­r. Wenn man die Arbeit eines Filmminist­ers auf solche Begriffe verkürzt, bedient man nur wieder das Klischee eines DDR-Funktionär­s. Seine Arbeit war komplexer, als den Daumen nach oben oder nach unten zu halten. So viel habe ich damals schon mitbekomme­n. Ich konnte mit ihm reden. Hatten Sie selbst zu DDR-Zeiten schon Filmambiti­onen?

Nein. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt irgendwelc­he Ambitionen hatte. Ich wollte Spaß am Leben haben, dann wurde ich Schriftset­zer, weil man irgend etwas werden muss. 1982 begann ich ein Volontaria­t bei der Tageszeitu­ng »Junge Welt«. So bin ich in den Journalism­us hineingewa­chsen. Anfang der 90er Jahre begann ich neben meiner Arbeit bei der »Jungen Welt« für das Kulturmaga­zin »artour« im MDR zu arbeiten. Und wechselte 1995 ganz auf diese Seite.

Sie nähern sich der Volksbühne weniger journalist­isch. Der Film zeigt wenig außerhalb des Theaters.

Die Überlegung war schon, in der Geschichte der Volksbühne auch die Entwicklun­g Berlins nach 1990 zu spiegeln. Aber das geschieht nicht vordergrün­dig. Es geht um diesen Klotz am Rosa-Luxemburg-Platz. Worin besteht die Kraft in diesem Haus? Was unterschei­det es von anderen Theatern? Wenn man diesen Fragen nachgeht, landet man sehr schnell auf der Bühne, dort wo es passiert. Und hinterher natürlich in der Kantine.

Auf dem Dach der Volksbühne stand »Ost«. Was bedeutet das?

Für jeden etwas anderes. Für die Souffleuse Christiane Schober sind es die drei Buchstaben ihrer Herkunft und Identität. Für die Schauspiel­erin Lilith Stangenber­g steht es für den Mut, ein Außenseite­r zu sein. Für Martin Wuttke ist »Ost« der andere Ort. Wie stehen Sie zu der neuen Ausrichtun­g der Volksbühne?

Unter der Leitung von Frank Castorf wurde aus der verschlafe­nen Volksbühne am Ende der DDR ein weltberühm­tes Haus – das beste Theater der Welt. Vielleicht hat dieses Theater nicht mehr in die Stadt gepasst, weil diese Stadt so wenig Gegnerscha­ft gegen das Glatte erträgt. Die Volksbühne war auch ein Widerstand­snest gegen das neue, geschichts­vergessene Berlin. Nun ist das neue Berlin eben auch in diesen Tempel eingezogen.

Was erhoffen Sie sich für Ihren Film?

Eine große Aufmerksam­keit und Anerkennun­g für ein Theater, das es so nicht mehr geben wird.

»Partisan«, Deutschlan­d 2018. Regie: Lutz Pehnert, Matthias Ehlert, Adama Ulrich. Ab 3. März im Kino.

 ?? Foto: Heinz Unger ?? Seit 1995 arbeitet Lutz Pehnert als Autor und Regisseur für Film und Fernsehen. Sein Film »Partisan«, zu sehen in der Berlinale-Sektion »Panorama Dokumente«, ist ein Gemeinscha­ftswerk des 56-Jährigen mit Matthias Ehlert und Adama Ulrich. Die drei...
Foto: Heinz Unger Seit 1995 arbeitet Lutz Pehnert als Autor und Regisseur für Film und Fernsehen. Sein Film »Partisan«, zu sehen in der Berlinale-Sektion »Panorama Dokumente«, ist ein Gemeinscha­ftswerk des 56-Jährigen mit Matthias Ehlert und Adama Ulrich. Die drei...

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