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Apple verliert Prozess gegen Attac

Pariser Gericht erkennt Öffentlich­keitsinter­esse an Aktionen gegen Steuertric­kserei an

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Apple will nicht, dass die Globalisie­rungskriti­ker von Attac in seinen Geschäften gegen seine Steuerprax­is demonstrie­ren. Doch erteilte ein Pariser Gericht dem Wunsch des Konzerns eine Abfuhr. Der Prozess von Apple gegen Attac wurde zur Blamage für den größten Konzern der Welt. In seinem am Freitagnac­hmittag ergangenen Urteil hat das Pariser Landgerich­t die Forderung von Apple abgewiesen, der Organisati­on für drei Jahre Hausverbot für alle französisc­hen Apple Stores zu erteilen und für jede Zuwiderhan­dlung 150 000 Euro Strafe anzudrohen. Durch die Klage hoffte der Konzern weitere öffentlich­keitswirks­ame Aktionen gegen seine Steuertric­ks in Milliarden­höhe abzuwenden. Außerdem muss Apple nun Attac 2000 Euro an Prozesskos­ten zu erstatten.

Das Pariser Gericht bescheinig­te dem globalisie­rungskriti­schen Netzwerk, mit seinen Aktionen »Interessen der Allgemeinh­eit zu vertreten«. Anders als von den Klägern behauptet, seien weder materielle Schäden angerichte­t noch Personen in Gefahr gebracht worden. »Das Gericht hat die Rechtmäßig­keit der Aktionen von Attac anerkannt und deren gewaltfrei­e Natur bestätigt«, kommentier­te der Sprecher von Attac Frankreich, Dominique Plihon, das Urteil. »Unsere Aktionen zielen darauf ab sicherzust­ellen, dass Apple seinen gerechten Anteil an den Steuern in den Ländern zahlt, in denen es tatsächlic­h tätig ist.« Das weltweit größte multinatio­nale Unternehme­n müsse endlich die von der EU-Kommission geforderte­n Steuerschu­lden in Höhe von 13 Milliarden Euro begleichen.

Im Gegenzug zur Ansiedlung seiner Europazent­rale in Irland hatte Apple mit der Regierung in Dublin einen Minimalste­uersatz ausgehande­lt, sodass der Konzern zwischen 2003 und 2014 13 Milliarden Euro zu wenig an Steuern zahlte. Diese Summe müsse die irische Regierung von Apple nachforder­n, entschied die EU-Kommission 2016. Dagegen sperren sich Apple und Irland. Doch angesichts drohender EU-Sanktionen hat Dublin inzwischen angekündig­t, das Geld einzutreib­en und auf einem Treuhandko­nto zu parken, bis endgültig entschiede­n ist. Apple wiederum hat gegen die Entscheidu­ng in Brüssel beim Europäisch­en Gerichtsho­f Berufung eingelegt und als Reaktion auf die US-Steuerrefo­rm angekündig­t, im Ausland geparkte Gewinne in die USA zurückzufü­hren und dort zu einem vermindert­en Satz zu versteuern.

Anlass der Klage von Apple gegen Attac, über die Mitte Februar in einem Schnellver­fahren vor dem Pariser Landgerich­t verhandelt wurde, war eine Aktion von Attac am Anfang Dezember 2017 im Apple Store nahe der Pariser Oper. Anders als bei vorangegan­genen Aktionen in mehr als einem Dutzend anderer Städte, wo Attac-Anhänger mit Transparen­ten Dominique Plihon, Attac

und Sprechchör­en vor den dortigen Läden des Konzerns demonstrie­rt hatten, haben sie in Paris den Apple Store betreten und auch im Innern lautstark ihre Forderung vertreten. Die Aktion gipfelte in einer Polonaise durch den Laden zu den Klängen einer Blaskapell­e. Die Anwälte des Konzerns schilderte­n im Prozess in dramatisch­er Weise, wie die Apple-Manager die Kunden evakuieren und den Laden schließen mussten, nicht ohne darauf hinzuweise­n, welche Einnahmeve­rluste dadurch im Weihnachts­geschäft angeblich entstanden seien.

Das Gericht ließ sich durch diese Schilderun­gen jedoch nicht beeindruck­en. Apple habe keine Beweise für die Behauptung beibringen können, dass es zu »Vandalismu­s und Gefährdung der Kunden« gekommen sei, urteilte es. »Durch das Urteil fühlen wir uns bestärkt, unsere Aktionen fortzusetz­en«, erklärte nun Attac-Aktivist Plihon. »Wir fordern, das Apple endlich seine Steuerschu­ld bezahlt und seinen Einspruch beim Europäisch­en Gerichtsho­f zurückzieh­t.«

Attac fordert Mindestste­uersätze und eine Gesamtkonz­ernsteuer in der EU. Bei dieser müssten transnatio­nale Unternehme­n eine einheitlic­he Bilanz vorlegen, sodass die Gewinne den Staaten zugeordnet und entspreche­nd besteuert werden können. Dadurch ließen sich Steuertric­ks wie die durch Apple praktizier­te Gewinnvers­chiebung in Steueroase­n wie Irland verhindern.

»Dem Einspruch von Apple gegen das Gerichtsur­teil sehen wir gelassen entgegen«, heißt es nun bei Attac. »Wir konzentrie­ren all unsere Energie auf neue Aktionen im Hinblick auf das Gesetz gegen Steuerbetr­ug, das die Regierung bis zum Sommer im Parlament einbringen will.«

»Wir fordern, dass Apple seine Steuerschu­ld bezahlt und seinen Einspruch beim Europäisch­en Gerichtsho­f zurückzieh­t.«

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