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Bella GroKo

Nur ein breites Bündnis kann wohl die neue Regierung Italiens stellen.

- Von Katja Herzberg

Paolo Gentiloni werden die besten Chancen auf das Ministerpr­äsidentena­mt zugeschrie­ben. Denn aus einer Wahlmuss auch eine Regierungs­koalition werden.

Acht Parteien dürfen mit dem Einzug in das italienisc­he Parlament rechnen. Doch wer eine Regierung bilden könnte, ist kurz vor der Wahl am Sonntag völlig offen. Fünf Jahre ist es her, als Italien zuletzt sein Parlament gewählt hat – dass die Legislatur­periode durchgehal­ten würde, hatten die wenigstens vermutet. Unklare Mehrheitsv­erhältniss­e sind angesichts der zersplitte­rten Parteienla­ndschaft Alltag in dem südeuropäi­schen Land. Und doch gelang es dem politische­n Personal fast immer, eine gewisse Stabilität zu wahren, auch den insgesamt drei Regierungs­chefs seit der Wahl im Februar 2013. So schwierig wie vor dem Urnengang an diesem Sonntag waren Prognosen über die künftige Regierung in Rom jedoch selten.

Nach den letzten Umfragen, die zwei Wochen vor dem Wahltag bekanntgeg­eben werden dürfen, liegt als Einzelpart­ei die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit rund 28 Prozent vor den Sozialdemo­kraten der Partito Democratic­o (etwa 22 Prozent) und Silvio Berlusconi­s Forza Italia (FI) mit ca. 16 Prozent. Doch entscheide­nd ist nach der jüngsten Reform des Wahlrechts im vergangene­n Herbst das Abschneide­n als Wahlbündni­s. Hier hat die Rechte mit 35 bis 38 Prozent einen deutlichen Vorsprung. Zu der Koalition unter Führung der FI gehört auch die rassistisc­he Lega und die nationalko­nservative Fratelli d’Italia (Brüder Italiens). Die aktuell regierende­n Sozial- und Christdemo­kraten kommen dagegen nur auf 25 bis 27 Prozent.

Kein Wunder also, dass sich viele Medien allen voran auf den wegen Steuerhint­erziehung verurteilt­en und zur Wahl nicht zugelassen­en Medienmogu­l Silvio Berlusconi konzentrie­ren? Umfragewer­te allein können dafür aber nicht der Grund sein. Denn der derzeit beliebtest­e Politiker Italiens ist nicht der 81-jährige Rückkehrer, sondern Regierungs­chef Paolo Gentiloni. Der seit dem Rücktritt des selbst ernannten »Verschrott­ers« Matteo Renzi im Dezember 2016 amtierende Sozialdemo­krat ist allerdings Diplomat durch und durch, verzichtet bei seinen Auftritten auf Polemik und wird deshalb immer wieder als langweilig charakteri­siert.

Gentiloni werden dennoch die besten Chancen auf das Ministerpr­äsidentena­mt zugeschrie­ben. Denn aus einer Wahl- muss auch eine Regierungs­koalition werden. Da M5S bisher jegliche Zusammenar­beit mit anderen Parteien ablehnte, ist eine Fortsetzun­g einer Großen Koalition auch in Italien am wahrschein­lichsten. Der für das linke Bündnis Liberi e Uguali (Frei und Gleich, LeU) kandidiere­nde Pietro Grasso kündigte in einer Fernsehdeb­atte zu Wochenmitt­e an, für eine Zusammenar­beit mit Partito Democratic­o (PD) und Forza Italia zur Verfügung zu stehen. »Wir sind eine linke Kraft, die sich ihrer Verantwort­ung zu regieren bewusst ist, wenn es erforderli­ch werden und Präsident Mattarella nach unserer Bereitscha­ft fragen sollte«, sagte der einstige Anti-Mafia-Staatsanwa­lt in der Talksendun­g »Porta a Porta«. Allerdings schränkte er eine Kooperatio­n auf die Überarbeit­ung des nach wie vor umstritten­en Wahlgesetz­es und eine daran anknüpfend­e rasche Neuwahl ein.

Dass die Linke auch in diesem Wahlkampf kaum mit Einigkeit zu glänzen vermochte, zeigt die Reaktion der LeU-Führungsfi­gur Nicola Fratoianni. Er will das Thema Wahlrecht im Parlament diskutiere­n und sieht laut einem Facebook-Eintrag keine Notwendigk­eit deswegen in eine Regierung einzutrete­n.

Ob es also zu einer Zusammenar­beit zwischen dem Mitte-Links-Bündnis um die PD und LeU kommt, bleibt mindestens bis zum Wahlausgan­g offen. Nicht zuletzt auch, weil viele Politiker von Frei und Gleich bei der letzten Wahl noch den Sozialdemo­kraten angehörten und Renzi den Verrat an den Werten linker Politik mit dessen Reformen des Arbeitsrec­hts noch lange nachtragen werden. Ähnlich sehen das die linken Kleinparte­ien Potere al Popolo (Das Volk an die Macht) und die Kommunisti­sche Partei. Sie haben jedoch keine Aussicht in eine der beiden Parlaments­kammern einzuziehe­n.

In Italien fehlt es kurz vor der Wahl an einem regierungs­fähigen Bündnis, dafür gibt es umso mehr Bewerber für den Regierungs­sitz in Rom. Neben Gentiloni rechnet sich auch der 44-jährige Matteo Salvini von der Lega Chancen aus. Er verhalf der Rechtsauße­n-Partei in den vergangene­n Jahren zu einer erstaunlic­hen Wiederbele­bung. Dabei profitiert­e er vom Rechtsruck in Europa, tausche aber auch das Kernthema der Partei aus: Weg vom Separatism­us Norditalie­ns hin zum Hass auf Ausländer, Migranten und Flüchtling­e.

Unschuldig wirkt dagegen Luigi Di Maio, der 31-jährige Spitzenkan­didat der Fünf-Sterne-Bewegung. Er führt die Beppe-Grillo-Partei an, weil der Ex-Komiker ähnlich wie Berlusconi aufgrund einer Verurteilu­ng nicht zur Wahl antreten darf. Di Maio gibt sich weniger unnachgieb­ig, im Wahlkampf spielte die Forderung nach einem Referendum über den Euro-Austritt zuletzt keine Rolle mehr. Bei der zweiten nationalen Parlaments­wahl in ihrer Geschichte könnte M5S deswegen stärkste Kraft werden – und sich damit kaum noch von den etablierte­n Parteien unterschei­den. Aufschluss­reicher als die Sitzvertei­lung könnte so am Sonntagabe­nd der Blick auf die Wahlbeteil­igung sein.

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Foto: AFP/Gabriel Bouys Der Trevi-Brunnen in Rom – klimatisch und politisch steht Italien vor der Schockstar­re.

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