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EU gibt sich Regeln gegen Lohndumpin­g

Grundsatze­inigung zwischen Kommission, Parlament und Ministerra­t über Reform der Entsenderi­chtlinie

- Von Kay Wagner, Brüssel

Die Reform der EU-Entsenderi­chtlinie hatte zu Spannungen zwischen östlichen und westlichen Ländern geführt. Nun ist ein Kompromiss in greifbare Nähe gerückt. Der Jubel war verhalten bei den vier Frauen, die am Donnerstag­vormittag eine Einigung bei der Reform der EU-Entsenderi­chtlinie vorstellte­n. Dabei geht es darum, welche sozialen Rechte Beschäftig­te haben, wenn sie von ihrem Unternehme­n zur Arbeit in ein anderes EU-Land entsandt werden.

EU-Sozialkomm­issarin Marianne Thyssen hatte vor fast zwei Jahren erste Vorschläge nach dem Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort« gemacht; es folgte Streit zwischen den Staaten. Nun hat sich dieses Motto durchgeset­zt, wie am Donnerstag betont wurde, nachdem in der Nacht zuvor ein Kompromiss er- zielt wurde. Demnach bekommen entsandte Arbeitnehm­er im Gastland künftig den dort vorgeschri­ebenen Tariflohn. Dazu haben sie – wenn das für Einheimisc­he vorgesehen ist – Anrecht auf ein dreizehnte­s Monatsgeha­lt, Schlechtwe­tterzulage­n und andere Zuschläge. Reise- und Aufenthalt­skosten müssen von den Arbeitgebe­rn zusätzlich gezahlt und dürfen nicht mehr vom Lohn abgezogen werden. Sozialabga­ben können allerdings im Heimatland der Arbeitnehm­er bezahlt werden.

Eine Entsendung ist auf zwölf Monate beschränkt und kann gegebenenf­alls um sechs Monate verlängert werden. Danach sollen entsandte und einheimisc­he Arbeitnehm­er gleich behandelt werden. Die EU-Mitgliedst­aaten müssen alle relevanten Tarifvertr­äge und -regelungen auf einer Webseite veröffentl­ichen, um Missbrauch zu verhindern. Verstöße müssen von den Mitgliedst­aaten aktiv verfolgt werden.

Doch noch ist nicht sicher, ob es bei diesen Beschlüsse­n bleibt. Denn anders als bei sonstigen Einigungen zwischen Kommission, Parlament und Ministerra­t in den sogenannte­n Trilogverh­andlungen bleibt die Zustimmung der einzelnen Einrichtun­gen ungewiss. Zu umstritten ist die Reform, besonders unter den Mitgliedst­aaten. Im Oktober hatten sich bereits die EU-Sozialmini­ster mehrheitli­ch auf Grundlegen­des zur Entsenderi­chtlinie geeinigt, was großenteil­s jetzt übernommen wurde. Doch schon damals hatten Polen, Ungarn, Lettland und Litauen dagegen gestimmt. Auch jetzt ist dieser Widerstand zu fürchten. Denn gerade die mittelund osteuropäi­schen Länder sehen durch die Neuregelun­gen den Wettbewerb­svorteil ihrer Unternehme­n gefährdet, wenn sie im EU-Ausland die dort geltenden Löhne bezahlen müssen. Dagegen haben viele westeuropä­ische Länder, allen voran Frankreich, die Reform forciert, um Dumpinglöh­nen das Wasser abzugraben.

Um den jetzt ausgearbei­teten Kompromiss im Rat anzunehmen, reicht eine qualifizie­rte Mehrheit. Einstimmig­keit ist trotzdem das Ziel, um die Einheit der EU zu wahren. Abhängig von dem weiteren Entscheidu­ngsgang könnten die Reformen noch bis zur Sommerpaus­e verabschie­det werden. Zwei Jahre später würden sie dann in Kraft treten.

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