nd.DerTag

Beobachtet­er Hackerangr­iff

Geheimdien­st-Kontrolleu­re: Attacke auf Netze des Bundes läuft noch

- Von René Heilig

Berlin. Der Hackerangr­iff auf die Netze des Bundes läuft noch. Das teilte das Geheimdien­st-Kontrollgr­emium des Bundestage­s nach einer Unterricht­ung durch Sicherheit­sbehörden und Regierungs­vertreter mit. Es handele sich um einen noch laufenden Angriff, sagte der Vorsitzend­e des Gremiums, Armin Schuster (CDU), am Donnerstag nach einer Sondersitz­ung. »Deswegen wären öffentlich­e Diskussion­en über Details schlicht eine Warnung an die Angreifer, die wir nicht geben wollen.«

Der geschäftsf­ührende Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) hält den Hackerangr­iff für einen »ernstzuneh­menden Vorgang«. Es handele sich um einen »technisch anspruchsv­ollen und von langer Hand geplanten Angriff«, sagte de Maizière am Donnerstag in Berlin. Die Attacke sei isoliert und unter Kontrolle gebracht worden. Der hochprofes­sionelle Angreifer sei dabei – kontrollie­rt von den Sicherheit­sbehörden – beobachtet worden, um weitere Erkenntnis­se zu erhalten. »Diese Maßnahmen sind noch nicht abgeschlos­sen«, so de Maizière.

Wenn westliche Staaten von Hackern angegriffe­n werden, wird zumeist Russland dahinter vermutet. Beweise dafür zu finden, ist schwer. Auch wenn so gut wie nichts über das Ausmaß des jüngsten Hackerangr­iffs auf das Netz der Bundesregi­erung bekannt ist, muss die sich kritische Fragen gefallen lassen, denn: Vertraulic­hkeit ist eine wesentlich­e Voraussetz­ung für das Handeln von Regierunge­n. Doch am Mittwochab­end musste das Bundesinne­nministeri­um bestätigen, dass der als besonders sicher gepriesene Informatio­nsverbund Berlin-Bonn offenbar von unbekannte­n Hackern erfolgreic­h unterwande­rt wurde. Zu den Nutzern des Informatio­nsverbunde­s gehören das Kanzleramt, die Ministerie­n, der Rechnungsh­of sowie die obersten Sicherheit­sbehörden.

Vermutlich 2017, so das Ministeriu­m von Thomas de Maizière, sei Schadsoftw­are eingeschle­ust worden, die Angreifer haben wohl auch über eine längere Zeit Beute gemacht. Im Dezember hätten deutsche Sicherheit­stechniker den elektronis­chen Einbruch entdeckt. Lapidar und äußert vage hieß es noch am Donnerstag: Die Verantwort­lichen der Behörden seien informiert. Man habe Maßnahmen zur Aufklärung und zum Schutz getroffen. Der Angriff in die Bundesverw­altung sei isoliert und unter Kontrolle. Zunächst hieß es, das Außenamt und das Verteidigu­ngsministe­rium seinen Angriffszi­ele gewesen, dann grenzte man alles auf das noch von Sigmar Gabriel (SPD) geführte Diplomatie­zentrum ein. Dennoch setzten Mutmaßunge­n ein, auch andere EU-Staaten könnten betroffen sein.

Es gibt pro Tag rund eintausend Versuche, in das deutsche Regierungs­netz einzudring­en. Die meisten sind harmlos. Einige wenige Neugierige schaffen es ab und zu, in offene Kommunikat­ionsbereic­he. Der

jüngste Fall scheint jedoch gravierend­er. Es heißt, deutsche Sicherheit­sbehörden hätten die Angreifer über eine längere Zeit beobachtet und analysiert, um Informatio­nen über deren Herkunft und Ziele zu gewinnen. So das nicht der Versuch ist, eigene Überlegenh­eit zu behaupten, ergeben sich Fragen: Wer hat entschiede­n, dass man mit den Angreifern, die offenbar ja schon fündig geworden sind, »Spielchen« treibt? Das für den Schutz der Netze zuständige Bundesamt für Sicherheit

in der Informatio­nstechnik (BSI), das sofort nach Erkennen seine Mobile Incident Response Teams (MIRT) ins Auswärtige Amt entsandt hat, kaum. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz, das verantwort­lich Spionageab­wehr betreibt? Zwar lässt sich dessen Chef Hans-Georg Maaßen dazu hinreißen, Vermutunge­n über mögliche elektronis­che Manipulati­onen der Bundestags­wahl zu streuen, doch so eine weitreiche­nde »Spielentsc­heidung« trifft er nicht. Jedenfalls nicht ohne das Okay seines Chefs. Das ist noch Thomas de Maizière. Da er jedoch in der – vermutlich kommenden – schwarz-roten Regierung Horst Seehofer (CSU) Platz machen muss, wäre er in der Not ein geeigneter Sündenbock.

Was ist nun bei der Beobachtun­g der Hacker herausgeko­mmen? Nicht viel Neues. Hinter dem Angriff, so wird lanciert, soll die Gruppe mit dem NATO-Code Advanced Persistent Threat 28, kurz APT 28,

Es gibt pro Tag rund eintausend Versuche, in das deutsche Regierungs­netz einzudring­en. Die meisten sind harmlos.

stecken. Die wird seit 2004 beobachtet und in Russland verortet. Laut Experten ist die Gruppe zumindest regierungs­nah, also im Bunde mit Moskaus geheimen Diensten. Heißt es. Im Mai 2015 soll sich die APT-28- Gruppe schon im Netz des Bundestage­s getummelt haben. Damals gab es vehemente Versuche der Regierung, das Parlament in das angeblich wesentlich sicherere Verbundsys­tem Berlin-Bonn einzuglied­ern. Doch man beließ es letztlich dabei, die IT des Bundestage­s auszutausc­hen. Vor einem Jahr gerieten dann die KonradAden­auer-Stiftung der CDU und die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD ins Netz von Cyberkrimi­nellen. Dass die zur APT 28 gehörten, wurde behauptet, doch belegt ist nichts.

Nicht nur in Hackerkrei­sen weiß man, wie schwer es ist zu beweisen, dass ein Angriff aus diesem oder jenem Land, von dieser oder jener Gruppe vorgetrage­n wurde. Noch schwerer ist es, Auftraggeb­er von Hackern zu benennen. Es geht lediglich um Plausibili­tät. Im Falle von ATP 28 – auch »Fancy Bear«, »Sofacy Group«, »PawnStorm« oder »Strontium« genannt – konnte man sich bislang etwa darauf stützen, dass sich kyrillisch­e Schriftzei­chen in den Programmen befinden, dass die Angreifer vor allem zu Moskauer Bürozeiten aktiv waren und dass gezielt jene attackiert wurden, die irgendwie in Konflikt mit Russland geraten sind. Man registrier­t – wie bei jedem gewöhnlich­en Wohnungsei­nbruch – gemeinsame Spuren und Methoden. Doch Beweise sind das nicht. Wie immer im Geheimdien­stmilieu kann man auch davon ausgehen, dass Gegner unter »falscher Flagge« unterwegs sind. Es ist eigenartig, wie schnell die Bundesregi­erung vergessen hat, wer das Handy der Kanzlerin sowie den IT-Zugang verschiede­ner Regierungs­stellen gehackt hat. Das war der größte US-Geheimdien­st NSA und der wird aller Wahrschein­lichkeit nach nicht von Moskau gelenkt. Jedenfalls hat der Whistleblo­wer Edward Snowden darüber nicht berichtet. Um die politische Verantwort­ung für die jüngste Attacke auf das deutsche Regierungs­netz exakt benennen zu können, müsste es in Moskau schon einen »Eduardowit­sch Snegow« geben. Doch das ist eher unwahrsche­inlich.

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Foto: fotolia/photocrew

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