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Römische Krise

Italiens Banken bereiten vielen Europäern wegen eines Bergs an faulen Krediten Sorgen – ist ein Euro-Austritt die Lösung?

- Von Hermannus Pfeiffer

Italiens Bankenprob­leme haben in den vergangene­n Jahren die Innenpolit­ik wie auch die EU auf Trab gehalten. Sie sind zwar noch längst nicht gelöst, aber wirtschaft­lich geht es dem Land wieder besser. Lucio Baccaro gehört zu den wenigen Italienern, die in Deutschlan­d einen prominente­n Posten besetzen. Der neue Direktor am renommiert­en Max-Planck-Institut für Gesellscha­ftsforschu­ng in Köln überrascht­e in dieser Woche in einem Zeitungsin­terview mit dem Ansinnen, sein Heimatland solle aus dem Euro austreten. Es sei ein Fehler gewesen, dem Währungsve­rbund überhaupt beizutrete­n. »Sollte Italien über einen Ausstieg verhandeln?«, fragte Baccaro rhetorisch. »Im Großen und Ganzen: ja!«

Wie sich Griechenla­nd innerhalb des Euro entwickelt habe, sei ein Desaster, Italien sei das zweitgrößt­e Desaster. Statt in der »Premier League« spiele Italien heute zweitklass­ig: Die Produktivi­tät der Unternehme­n stagniere seit zwei Jahrzehnte­n, die Wirtschaft wachse langsamer als die deutsche oder französisc­he und die Staatsschu­ldenquote sei mit mehr als 130 Prozent doppelt so hoch wie etwa in der Bundesrepu­blik. Der Sozialwiss­enschaftle­r erhofft sich – gänzlich unoriginel­l – von einer Rückkehr zur (schwachen) Lira und entspreche­nden Wechselkur­sanpassung­en, dass Italiens Wirtschaft im internatio­nalen Vergleich ihre Wettbewerb­sfähigkeit zurückgewi­nne.

Die Zahlen geben Baccaro allerdings nur bedingt Recht. Italiens Wirtschaft wuchs 2017 um 1,5 Prozent. Für eine entwickelt­e Volkswirts­chaft eine beachtlich­e Steigerung­srate. Und auch für dieses und das kommende Jahr erwarten Analysten hohe Wachstumsr­aten. Die Investitio­nen in Maschinen und Anlagen nehmen stark zu. Auch der Privatverb­rauch entwickelt sich positiv. Der Export bleibt dynamisch.

Ihren großen Nachbarn hinken die 60 Millionen Italiener allerdings allerdings hinterher: bei den Wachstumsr­aten und bei der Arbeitslos­enquote, die mit über 11 Prozent noch immer deutlich höher ist als selbst in Frankreich (9,5 Prozent). Und die öffentlich­en Investitio­nen stagnieren weiterhin. Solche strukturel­len Probleme wie auch die weit verbreitet­e Korruption in der Wirtschaft tragen zu der Unzufriede­nheit vieler Italiener bei und beflügeln Anti-EliteGrupp­ierungen wie die rechte Lega oder die Fünf-Sterne-Bewegung des Kabarettis­ten Beppe Grillo.

Innerhalb der Eurozone gelten ein Jahrzehnt nach dem Ausbruch der Finanzkris­e vor allem Italiens Banken als strukturel­les Problem. In Rom durchleuch­tete ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Parlaments (vergeblich) die schleichen­de Krise des Finanzsekt­ors: Sieben italienisc­he Banken waren in den vergangene­n Jahren zusammenge­brochen und wurden unter umstritten­en Umständen vom Staat und der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) gerettet.

Es ist vor allem das Kreditgesc­häft, welches den Finanzaufs­ehern Sorgen bereitet. In keinem EU-Land haben Banken mehr faule Kredite als in Italien: Von 759 Milliarden Euro in der Eurozone, die als ausfallgef­ährdet gelten, entfallen laut EZB 196 Milliarden allein auf Italien. Der Anteil der faulen Kredite am gesamten Kreditvolu­men beträgt 11,9 Prozent – in Frankreich sind es 3,3 und in Deutschlan­d 2,0 Prozent.

Die Kreditschw­äche könnte zum Problem werden, wenn die Konjunktur sich wieder abschwächt und noch mehr Firmen ihre Kredite nicht mehr bezahlen können. Dann droht in Italien eine Bankenkris­e, die auch den Euro treffen könnte.

Die schlummern­den Gefahren lassen Italiens Finanzmini­ster Pier Carlo Padoan allerdings ruhig schlafen: »Ich sehe keine Bankenkris­e in Italien.« Betroffen seien nur sechs von 600 Banken. »Italien ist widerstand­sfä- hig«, sagte Padoan dem »Deutschlan­dfunk«, und sei trotz vieler Probleme noch nie »explodiert«. Zumindest auf den Finanzmärk­ten sieht man das ähnlich: Italiens größte Bank Unicredit (in Deutschlan­d: HypoVerein­sbank) ist an der Börse weit mehr wert als die Deutsche Bank.

Vorsichtsh­alber fordert Roms Zentralban­k Banca d’Italia aber Eurobonds, um das Risiko von Bankenkris­e und Finanzmark­tturbulenz­en zu verringern. Eine solche Vollendung der Bankenunio­n stößt allerdings in der deutschen Regierung auf keine Gegenliebe. Zuerst müssten die von Banken ausgehende­n Risiken reduziert und faule Kredite abgebaut werden, sagte Bundesfina­nzminister Peter Altmaier (CDU) kürzlich am Rande eines Treffens mit seinen Amtskolleg­en in Brüssel.

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