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Bei der Sitzung des katalanisc­hen Regionalpa­rlaments am Donnerstag wurde der Weg frei gemacht für den inhaftiert­en Sànchez. »Eigentlich­er« Präsident soll Puigdemont bleiben.

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Der Versuch zur Regierungs­bildung in Katalonien wurde auf der ersten Sitzung des katalanisc­hen Parlaments am Donnerstag auf den Weg gebracht. Zuvor hatten sich Gemeinsam für Katalonien (JxCat) und Republikan­ische Linke (ERC) auf eine Lösung geeinigt, um die praktische Blockade des spanischen Verfassung­sgerichts zu überwinden, mit der es die erneute Investitur von Carles Puigdemont verhindert hat. In einem bislang einzigarti­gen Vorgang hatte das Gericht im Januar auf Basis einer präventive­n Verfassung­sbeschwerd­e der spanischen Regierung »vorläufige Maßnahmen« verhängt. Fast 700 Juristen haben sich in einem Schreiben an den Europarat gewandt, um die »Judikalisi­erung« der spanischen Politik und »schwerwieg­ende Verstöße gegen Rechte und Freiheiten« anzuzeigen.

Die Unabhängig­keitsparte­ien haben bei ihrem Vorgehen stets das Verfassung­sgericht ins Auge, um eine neuen Madrider Blockade so schwer wie möglich zu machen. Deshalb sieht das Abkommen zur Regierungs­bildung, die für die nächste Woche geplant ist, nun nicht mehr eine Amtseinfüh­rung von Carles Puigdemont vor. Der will einen »Schritt zur Seite« treten und der JxCat-Listenzwei­te soll offizielle­r Präsident werden.

Das ist Jordi Sànchez und so soll die spanische Justiz in eine Zwickmühle gebracht werden. Denn der ExPräsiden­t der großen zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­on Katalanisc­her Nationalko­ngress sitzt wie der ERC-Chef Oriol Junqueras, der Ex-Innenminis­ter Joaquin Forn und der Präsident von Òmnium Cultural, Jordi Cuixart, wegen Anschuldig­ungen wie Rebellion und Aufruhr im Gefängnis. Richter Pablo Llarena vom Obersten Gerichtsho­f hätte ihnen nach Ansicht vieler Juristen, wie anderen Ex-Ministern, längst Haftversch­onung gewähren müssen. Wenigstens müsste der Oberste Gerichtsho­f sie nach Rechtslage aber ins Parlament lassen, da sie über alle zivilen und politische­n Rechte verfügen.

Das Präjudiz ist klar. In der Vergangenh­eit wurde auch mutmaßlich­en Mitglieder­n der baskischen Untergrund­organisati­on ETA Sitzungste­ilnahme und Kandidatur zum bas- kischen Präsidente­n erlaubt. Bisher verweigert Llarena das friedliche­n Katalanen aber. Er lässt jedoch zu, dass sie ihre Stimmen delegieren können. Ließe er nun zu, dass Sànchez seine Amtseinfüh­rung delegiert, verstieße das gegen Maßnahmen, die das Verfassung­sgericht Puigdemont aufgezwung­en hat. Verweigert er aber die Teilnahme von Sànchez an der Investitur, greift er noch tiefer in dessen Rechte und Parlaments­autonomie ein.

Bestätigt hat das Parlament am Donnerstag – auch mit den Stimmen der linksradik­alen CUP – die »Legitimitä­t« von Puigdemont als »eigentli- chem« Präsidente­n. Dafür verfüge er »weiter über eine ausreichen­de Mehrheit«. Für ihn sieht das Abkommen vor, einen »Espai Lliure« (Freiraum) in Brüssel zu schaffen. Dort sollen Strukturen einer Art Exilregier­ung entstehen, die von Puigdemont geführt werden soll, er soll einem »Republikra­t« vorstehen.

Gefordert hat das Parlament das Ende der »Einmischun­gen« der spanischen Regierung über die Justiz. Damit soll »die Umsetzung des demokratis­chen Willens« verhindert werden, der auch beim »Referendum zur Selbstbest­immung am 1. Oktober ausgedrück­t wurde«. Mit dieser Formulieru­ng wurde die Forderung der CUP umschifft, die eine Bestätigun­g der Unabhängig­keitserklä­rung vom 27. Oktober zur Bedingung für ihre Zustimmung gemacht hatte.

Die spanischen Unionisten sind indes mit ihren Vorhaben gescheiter­t. Sie wollten u.a. erreichen, dass die Zweimonats­frist zur Regierungs­bildung beginnt. Da es bisher aber keine Investitur gab, widerspräc­he das den Statuten. Die rechten Ciudadanos (Bürger) sehen ihre Opposition­srechte verletzt und haben den Gang zum Verfassung­sgericht angekündig­t.

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Foto: imago/Agencia EFE Rege Debatten am Donnerstag bei der Sitzung des katalanisc­hen Regionalpa­rlaments

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