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»Es ist fünf nach zwölf«

Sachsen kann freie Lehrerstel­len nicht mehr vollständi­g besetzen – und der Markt an Kandidaten ist leer gefegt

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Dresden. Der Lehrermang­el in Sachsen lässt sich nicht länger kaschieren. Zum zweiten Schulhalbj­ahr konnten bisher von 660 freien Stellen nur 622 besetzt werden, teilte das Kultusmini­sterium am Mittwoch mit. Zudem stieg dabei der Anteil der Seiteneins­teiger erheblich an. 62 Prozent der neu eingestell­ten Lehrer haben keine grundständ­ige Ausbildung an einer Hochschule und kommen aus anderen Berufen. Vor einem Jahr lag ihr Anteil noch bei etwa 30 Prozent.

»Es ist fünf nach zwölf«, kommentier­te Kultusmini­ster Christian Piwarz (CDU) die Zahlen. Man müsse neuen Lehrern dringend ein besseres Angebot unterbreit­en und ältere Kollegen mit finanziell­en Anreizen und Entlastung­en zusätzlich motivieren. Allerdings gibt es über das sogenannte Lehrerpake­t, das die Attraktivi­tät des Berufsstan­des erhöhen soll, bislang noch keine Einigung in der CDU/SPD-Koalition.

Laut Kultusmini­sterium hatten sich rund 2100 Frauen und Männer für die freien Stellen beworben, darunter lediglich 323 grundständ­ig ausgebilde­te Lehrer. Doch nicht alle Kandidaten hielten ihre Bewerbung aufrecht. Der hohe Anteil von Seiteneins­teigern bereitet Piwarz Sorgen, obwohl er ihr Engagement würdigte. Ziel müsse es aber sein, freie Stellen mit ausgebilde­ten Lehrern zu besetzen.

Die CDU nutzte die triste Bilanz, um für ihren Kurswechse­l in Richtung Verbeamtun­g von Lehrern zu werben. In den letzten Jahren hatte sie sich noch gegen die Verbeamtun­g gesträubt. Die Zeiten des politische­n Klein-Klein seien vorbei, erklärte Landtagsab­geordneter Lothar Bienst: »Die Dramatik der Zahlen zeigt sehr deutlich: Wir müssen jetzt entschloss­en und mutig handeln.« Die CDU habe einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, mit dem Sachsen künftig im bundesweit­en Wettbewerb um qualifizie­rte Lehrer bestehen könne. »Dazu wollen wir vor allem Lehrer verbeamten und die Leistungen gestandene­r Lehrkräfte finanziell anerkennen. Jetzt ist unser SPD-Koalitions­partner am Zug und muss endlich über seinen Schatten springen«, so Bienst.

Koalitions­partner SPD sieht in Verbeamtun­gen kein Allheilmit­tel, weil nur ein Teil der Lehrer davon profi- tieren würde. SPD-Bildungsex­pertin Sabine Friedel sah vor allem in einer langfristi­gen und verlässlic­hen Planung einen Ausweg. Man brauche »ehrliche Zahlen statt schlecht durchdacht­er Scheinlösu­ngen«. Man müsse Lehrer entlasten, im ländlichen Raum wieder Ausbildung­sstätten für Referendar­e einrichten, Stundentaf­eln überarbeit­en und die Prüfungsor­dnung fürs Lehramt entschlack­en.

Die LINKEN bezeichnet­en die Stellungna­hme aus dem Kultusmini­sterium als »personalpo­litisches Armutszeug­nis«. Das Ergebnis der jetzigen Einstellun­gen sei Folge einer verfehlten Personalpo­litik der vergangene­n Jahre und gehe auf das Konto der CDU-Kultusmini­ster, betonte Linkspolit­ikerin Cornelia Falken.

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