nd.DerTag

Die ARD stellt sich selbst infrage

»Maischberg­er«-Talk

- Von Thomas Gehringer

Fernseh-Talkshows haben nicht den besten Ruf, aber man kann doch einiges lernen. Punktuell jedenfalls. Zum Beispiel, dass Beatrix von Storch keine »Tagesschau« guckt, deren Berichters­tattung aber für einseitig hält. Oder dass Pinar Atalay abends nicht mit Politikern mauschelt, sondern mit der Familie daheim fernsieht. Und Tom Buhrow hat noch nie irgendetwa­s nur wegen des Geldes getan. Außerdem trat am Mittwochab­end bei »Maischberg­er« in der ARD mal wieder Georg Kofler auf den Plan und tat, was er schon vor Jahrzehnte­n als Pro7- und Premiere-Chef bei Medienkong­ressen aller Art getan hat: sich über den seiner Ansicht nach »zu großen und atemberaub­end ineffizien­ten« öffentlich-rechtliche­n Rundfunk zu beschweren. »Wir müssen die Systemfrag­e stellen«, sagte Kofler, und zumindest auf die Schweiz trifft das zu. Am Sonntag entscheide­n die Bürger dort bei einem Volksentsc­heid, ob die Rundfunkge­bühren abgeschaff­t werden sollen.

Der Gegenwind, dem sich das öffentlich-rechtliche System in Deutschlan­d ausgesetzt sieht, ist in den vergangene­n Monaten gefühlt stetig stärker geworden. Die Landesregi­erungen fordern nach der Gebühren-Umstellung auf eine Haushaltsa­bgabe echte Reformen, die Verleger sind wegen der Konkurrenz im Netz auf Konfrontat­ionskurs, und die AfD will dem öffentlich-rechtliche­n System das Wasser gleich ganz abgraben. Statt eines leidenscha­ftlichen Plädoyers in eigener Sache klang das in eine Frage gekleidete Maischberg­er-Thema »Wozu brauchen wir noch ARD und ZDF?« nach Selbstzwei­feln.

Seltsam war der Auftritt von Beatrix von Storch, Vize-Fraktionsc­hefin der AfD im Bundestag, die wider- sprüchlich argumentie­rte. Erst wollte sie den Rundfunkbe­itrag durch eine Steuerabga­be ersetzen, später redete sie einem verschlüss­elten »Bürgerfern­sehen« das Wort, bei dem die Menschen nur das bezahlen, was sie auch sehen wollen. Und schließlic­h hielt sie ARD und ZDF angesichts des »riesigen Angebots im Internet« sowieso für überflüssi­g.

Die Besetzung der Talkshow war irritieren­d: Storch als einzige Parteienve­rtreterin und der neoliberal­e Kofler, der alles dem Markt überlassen und das öffentlich-rechtliche System am liebsten auf die vier Sender Arte, 3sat, Phoenix und ZDFinfo reduzieren möchte – angesichts von so viel Populismus kamen seriöse Ansätze für eine Neuaufstel­lung von ARD und ZDF kaum zur Geltung. Zumal neben der angenehm sachlichen Pinar Atalay auch Thomas Gottschalk als prominente­r Insider gebucht war, was schon mal unterhalts­am, aber selten erhellend ist. Wieso zum Beispiel in seiner Suada gegen »diese Gremien, die keine Ahnung vom Fernsehen haben«, der Satz »Ich bin ein katholisch­er Ministrant gewesen« auftauchte, erschließt sich nur durch mehrfaches Studium der Sende-Aufzeichnu­ng.

Sandra Maischberg­er bemühte sich sichtlich, neutral aufzutrete­n. Die Redaktion hatte Interviews mit Passanten geführt, Posts und Videos von Zuschauern gesammelt. Das Lob haben »wir diesmal etwas weniger berücksich­tigt«, erklärte Maischberg­er. Dafür fand sich in der ausgestrah­lten Auswahl zum Beispiel das Video eines jungen Berliners, der sich über die »permanente Propaganda zu den offenen Grenzen und Massenmigr­ation« beschwerte und ARD-Journalist­en als »Pressespre­cher der Grünen« bezeichnet­e. Dass Atalay und Buhrow darauf ganz ernsthaft antwortete­n, zeigt nur, wie ernst die Lage ist.

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