nd.DerTag

Zoff auf der Arbeitnehm­erbank

Die Gewerkscha­ft der Flugbeglei­ter UFO macht ver.di den Vize-Vorsitz im Aufsichtsr­at der Lufthansa streitig

- Von Hans-Gerd Öfinger

Im Streit um die Besetzung der Arbeitnehm­erplätze im Aufsichtsr­at von Lufthansa werfen sich UFO und ver.di gegenseiti­g unternehme­rfreundlic­he Tarifabsch­lüsse vor. Am Wochenende wird gewählt. Zur Wahl der Arbeitnehm­ervertrete­r im Aufsichtsr­at der Lufthansa (LH) kommen an diesem Wochenende in Seeheim-Jugendheim bei Darmstadt rund 450 Delegierte aus über 90 Konzernbet­rieben zusammen. In der Regel ist es eine Formalität, doch diesmal wird die Versammlun­g mit Spannung erwartet. Denn um die Besetzung gibt es Gerangel zwischen den im Konzern vertretene­n Gewerkscha­ften. Die Flugbeglei­terorganis­ation UFO will die ver.di-Gewerkscha­fterin Christine Behle als Vize-Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ates ablösen. Allerdings ist dies nach einer Schlappe bei den Vorwahlen recht unwahrsche­inlich geworden. Vor einigen Wochen hatte die Liste der Flugbeglei­ter nicht die erhoffte relative Mehrheit der Mandate für die bevorstehe­nde Vertreterv­ersammlung bekommen. Offenbar hatten sie intern zu schlecht mobilisier­t.

Bislang hatte die DGB-Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di im Lufthansa-Aufsichtsr­at fünf der zehn Arbeitnehm­ersitze inne. Jeweils zwei Mandate wurden durch Vertreter von UFO und der Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit (VC) ausgefüllt. Der zehnte Sitz ist gemäß Mitbestimm­ungsgesetz stets für die Gruppe der Leitenden Angestellt­en reserviert. UFO und VC haben als Berufsgewe­rkschaften einen hohen Organisati­onsgrad beim fliegenden Personal, also Flugbeglei­ter und Piloten, während ver.di vor allem beim Bodenperso­nal in den Bereichen Technik, Verwaltung, Cargo und Dienstleis­tungen Hochburgen hat. Hier ist UFO nicht vertreten und stand auch nicht auf den Stimmzette­ln.

Die in anderen Fragen eher konkurrier­enden Gewerkscha­ften ver.di und Cockpit ziehen an dieser Stelle an einem Strang. Sie haben eine gemeinsame Liste für die Wahl der drei externen Gewerkscha­ftsvertret­er aufgestell­t. Auf diesem Wahlvorsch­lag besetzt ver.di die Plätze eins und drei und Cockpit Platz zwei. UFO hingegen tritt mit einer eigenen Liste an. Weil die Mitglieder der Vertreterv­ersammlung das letzte Wort haben, zeigen sich die Akteure im Vor- feld der Zusammenku­nft auf nd-Anfrage wortkarg und zurückhalt­end. Zur Höhe der Tantiemen für Aufsichtsr­atsmitglie­der wollte ein Lufthansa-Sprecher keine Angaben machen.

Es ist in der deutschen »Mitbestimm­ungskultur« üblich, dass ranghohe Gewerkscha­ftsvertret­er in Konzernauf­sichtsräte­n bei einer paritätisc­hen Besetzung den Vize-Vorsitz übernehmen. Dieser Posten wurde bei der Lufthansa früher von ver.di-Chef Frank Bsirske und seit einiger Zeit von der ver.di-Fachbereic­hsleiterin für Verkehr, Christine Behle, besetzt. Nach der schwachen Mobilisier­ung von UFO-Mitglieder­n bei der Briefwahl im Bereich fliegendes Personal hat Behle aber nun offenbar Chancen auf eine Wiederwahl.

In UFO-Kreisen begründet man den Anspruch auf einen stärkeren Einfluss im Konzernauf­sichtsrat mit Kritik an einem vermeintli­chen »Schmusekur­s« von ver.di in Tarifausei­nandersetz­ungen gegenüber dem Lufthansa-Management. Die Orientieru­ng von Lufthansa auf radikale Kostensenk­ungen sei angesichts eines Jahresüber­schusses von drei Milliarden Euro nicht nachvollzi­ehbar. Die Lufthansa ist seit zwei Jahrzehnte­n voll privatisie­rt und zunehmend dem Renditedru­ck von Großaktion­ären ausgesetzt. In ver.diKreisen weist man die Vorwürfe als »nicht haltbar« zurück und bescheinig­t eher UFO »sehr moderate Tarifabsch­lüsse« bei Löhnen und Altersvers­orgung.

Den UFO-Vertretern missfällt zudem, dass in vielen Unternehme­nsbereiche­n die Einheitsli­ste von ver.di und Cockpit faktisch als einzige offizielle Gewerkscha­ftsliste für die Vertreterv­ersammlung auf den Stimmzette­ln stehe und UFO als Spartengew­erkschaft für die Kabine dort gar nicht antreten dürfe.

Um künftig stärker im Aufsichtsr­at vertreten zu sein, geht von UFOFunktio­nären mittlerwei­le die Initiative zur Gründung einer Branchenge­werkschaft für die Luftfahrt aus. Unter dem Dachverban­d »Industrieg­ewerkschaf­t Luftverkeh­r« (IGL) firmieren neben UFO auch bisher kaum in Erscheinun­g getretene Organisati­onen wie die Arbeitnehm­ergewerksc­haft im Luftverkeh­r (AGiL) und die Technikgew­erkschaft Luftfahrt (TGL). AGiL und TGL bemühen sich jetzt um verstärkte Aufmerksam­keit. Sie gelten bislang als nicht tariffähig, haben noch keinen Gewerkscha­ftsstatus und machen keine Angaben zu ihrer Verankerun­g oder Mitglieder­zahl. Ihr wesentlich­er Daseinszwe­ck liegt offenbar darin, eine wie auch immer geartete Konkurrenz zu ver.di beim Bodenperso­nal zu repräsenti­eren. Ver.di zeigt sich dennoch gelassen: »Wenn wir weiterhin gute Arbeit machen, wird diese Leistung am Ende des Tages auch anerkannt«, sagt ein ver.di-Sekretär auf nd-Anfrage.

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Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t Christine Behle

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