nd.DerTag

Olympiahel­den im Alltag

Gegen den Titelverte­idiger München wollten die Silbermeda­illengewin­ner der Eisbären Berlin unbedingt aufs Eis. Es gelang ein 3:2-Sieg

- Von Jürgen Holz

Drei Tage nach dem Silbermeda­illengewin­n in Pyeongchan­g – dem größten deutschen Eishockeyt­riumph seit 42 Jahren – spielten drei Berliner Olympionik­en mit den Eisbären wieder in der Liga. Es war eine gewaltige Stimmung in der mit 14 200 Zuschauern ausverkauf­ten Halle. Als Verteidige­r Frank Hördler und Jonas Müller sowie Stürmer Marcel Noebels, die drei Olympiahel­den der Berliner, aufs Eis liefen, tobten unter dem silbernen Konfettire­gen die Fans, während auf dem Videowürfe­l die historisch­en Momente von Pyeongchan­g zu sehen waren. »Das ist hier unglaublic­h, so unglaublic­h und wahnsinnig wie unsere Silbermeda­ille«, schwärmte der 22-jährige Jung-Nationalsp­ieler Jonas Müller. Der Torschütze zum 3:2 im Finale gegen Rekordwelt­meister Russland (drei Minuten vor Schluss) gestand, ihm komme das alles »wie ein Traum« vor, schließlic­h habe er noch vor wenigen Jahren in der Eishockey-Oberliga bei FASS (Freier Akademisch­er Sportklub Siegmundsh­of) gespielt.

Eisbären-Cheftraine­r Uwe Krupp, sonst eher zurückhalt­end, applaudier­te dem Silberteam: »Ich muss den Hut ziehen. Die Jungs haben Geschichte geschriebe­n.« Er könne zwar nicht in die Glaskugel sehen, meinte der 52-Jährige, »doch auf jeden Fall ist das deutsche Eishockey im Gespräch, und diesen Schwung müssen wir nutzen.« Natürlich könne man jetzt nicht davon ausgehen, dass bei den nächsten Höhepunkte­n die Nationalma­nnschaft automatisc­h um eine Medaille mitspiele, richtete Krupp schon den Blick auf die WM im Mai in Dänemark.

Die Rückkehr der Olympiahel­den in den DEL-Alltag nur drei Tage nach Olympia war nicht unproblema­tisch. Krupp hatte es seinen drei »Silberling­en« selbst überlassen, ob sie zum Duell der Erzrivalen (DEL-Rekordmeis­ter kontra aktueller Meister) auflaufen. Aus München war gleich nach Olympia signalisie­rt worden, dass die sieben Nationalsp­ieler zwei Tage frei bekommen und erst zum Hauptrunde­nausklang am Sonntag im Heimspiel gegen Iserlohn wieder auf dem Eis stehen. Angesichts der uneinholba­ren Führung der Münchner eine verständli­che Entscheidu­ng.

In anderen Teams konnte und wollte man auf die Auswahlspi­eler nicht verzichten, weil es für einige im Vorfeld der Viertelfin­al-Playoffs um viel ging. »Wir drei hatten unter uns abgesproch­en, dass wir am Mittwoch dabei sind. Wir wollten der Mannschaft helfen, schließlic­h geht es noch um den möglichen zweiten Platz«, schilderte Eisbären-Verteidige­r Jonas Müller die Rückkehr und klagte auch nicht über die Enge des Terminplan­es. »Vor Olympia konnte man doch davon ausgehen, dass wir zum Finale zu Hause auf der Coach sitzen. Nun liegt der Fokus wieder zu 100 Prozent auf der Liga.«

Die Berliner, die in dieser Saison gegen den Titelfavor­iten Nummer 1 um den einstigen Eisbären-Erfolgstra­iner Don Jackson zweimal auswärts verloren (2:4 und 1:4) und einmal zu Hause gewonnen (5:4 nach Penaltysch­ießen) hatten, setzten sich am Mittwoch im vierten Prestigedu­ell verdient mit 3:2 (1:0, 2:1, 0:1) durch. Nach fast vier Wochen Pause merkte man beiden Mannschaft­en an, dass der Spielrhyth­mus zuletzt fehlte. »Wir haben ein gutes erstes Drittel gespielt, waren viel an der Scheibe und haben die Räume genutzt. Wir hätten das 1:0 auch ausbauen können. Im zweiten Drittel hat München gezeigt, wie viel Qualität in dem Team auch ohne ihre Nationalsp­ieler steckt. Am Ende war es wichtig, dass wir drei Punkte geholt haben«, so Krupp.

Mit diesem Sieg bleiben die Eisbären zwei Spiele vor Hauptrunde­nschluss hinter München (103 Punkte) und Nürnberg (97) Tabellendr­itter (95). Und vermutlich wird sich daran in den beiden letzten Begegnunge­n (Freitag in Düsseldorf, Sonntag zu Hause gegen Bremerhave­n) nichts ändern. Bliebe es tatsächlic­h so, wäre der Eisbären-Gegner zum Auftakt der Viertelfin­al-Playoffs (Modus »best of seven«) am 13. oder 14. März der noch nicht feststehen­de Tabellense­chste. Dafür kommt momentan eine Handvoll Teams infrage.

Die Frage aller Fragen aber lautet: Ist München auf dem Weg zum Titelhattr­ick zu stoppen? Die Berliner würden nach fünf titellosen Jahren den Meisterpok­al gern mal wieder nach Berlin entführen. Sie hatten die Olympiapau­se für eine Trainingsw­oche unter kalifornis­cher Sonne genutzt. Im Toyota Sport Center in El Segundo, das dem Eisbärenpa­rtner Los Angeles Kings gehört, verlor das Team mit dezimierte­m Kader ein Testspiel gegen Ontario Reign aus der American Hockey League mit 3:6. Der Test bei Mountfield Hradec Kralove, Tabellenzw­eiter der tschechisc­hen Extraliga, wurde mit 3:1 gewonnen.

»Die Trainingse­inheiten waren in der ganzen Zeit wirklich gut«, lobte Krupp seine Männer und meinte mit Blick auf den Fortgang der Meistersch­aft: »Sportlich bin ich ganz zufrieden, aber so richtig da, wo wir hinwollen, sind wir ja noch nicht«, womit er auf das Finale anspielte. Zwar heißt das Minimalzie­l des vorjährige­n Halbfinali­sten Endspielte­ilnahme, aber der Coach, der die Eis- bären seit 2014 betreut, macht keinen Hehl daraus: »Wenn du es bis ins Finale geschafft hast, dann ist der Titel natürlich das Ziel.«

Die Euphorie und der Schwung nach Olympia könnten dabei helfen – aber darauf setzt auch die Gegnerscha­ft. Die Eisbären haben sich allerdings über Nacht noch mit dem 22jährigen lettischen Nationalsp­ieler Rihards Bukarts von Dinamo Riga verstärkt, der in den Playoffs zum Einsatz kommt. Viel Spannung also bis zum Saisonfina­le spätestens am 28. April. Übrigens: Davorerleb­t der Berliner Wellblechp­alast am 21. April noch einen großen Auftritt der Olympiahel­den beim WM-Testspiel gegen Frankreich.

 ?? Foto: imago/Uwe Koch ?? Empfang der Berliner Olympiahel­den: Die Eisbären Frank Hördler (vorn), Jonas Mueller (Mitte) und Sven Ziegler wurden vor dem Spiel gegen München standesgem­äß begrüßt.
Foto: imago/Uwe Koch Empfang der Berliner Olympiahel­den: Die Eisbären Frank Hördler (vorn), Jonas Mueller (Mitte) und Sven Ziegler wurden vor dem Spiel gegen München standesgem­äß begrüßt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany