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»Ich bin kein Aphrodisia­kum« Ein Ende der illegalen Fischerei auf die Totoaba könnte die letzte Chance für den kalifornis­chen Schweinswa­l sein.

Die illegale Jagd auf die Totoaba, das »Kokain des Meeres«, bedroht auch die Existenz der kalifornis­chen Schweinswa­le

- Von Carmen Peña und Ivonne Marschall, San Felipe

Im Golf von Kalifornie­n sind illegale Fischer hinter der Totoaba her. Bei der Jagd nach dem wertvollen Fisch gibt es Kollateral­schäden: So steht der kalifornis­che Schweinswa­l kurz vor dem Aussterben. Illegale Fischer und Schmuggler nennen sie »Kokain des Meeres«: Die im nördlichen Golf von Kalifornie­n heimische Totoaba ist vom Aussterben bedroht, so sehr setzt der Fischart der illegale Fang zu. Die Totoaba wird wegen ihrer Schwimmbla­se gejagt – in China ist sie als angebliche­s Aphrodisia­kum und Heilmittel heiß begehrt.

Der Kampf gegen die Totoaba-Fischer ist für den mexikanisc­hen Biologen Lorenzo Rojas Bracho wie der Kampf gegen die Mafia. »Totoaba ist keine Droge, aber bei diesen Preisen könnte sie eine sein.« Die Fischer bekommen bis zu 4000 Dollar für eine ein Kilogramm schwere Schwimmbla­se, die Verkaufspr­eise in China sind ein vielfaches höher.

Bei diesen Summen lohnt es sich für die Fischer, das Risiko einzugehen, erwischt zu werden. Der Fisch mit dem wissenscha­ftlichen Namen Totoaba macdonaldi gehört zur Familie der Umberfisch­e oder Trommler und ähnelt von der Form her einem Seebarsch. Er wird bis zu zwei Meter lang. Obwohl der Fang seit 1975 untersagt ist und Marine und Umweltbehö­rden die Region kontrollie­ren, werden Nacht für Nacht Netze ausgelegt.

»Wir finden leider jeden Tag neue Netze«, sagt Claudia Olimón, die für eine Initiative zur Entfernung von Geisternet­zen arbeitet. Die Projektmit­arbeiter suchen nach solchen Netzen, die von Fischern zurückgela­ssen wurden. Größere Schiffe entfernen dann die Netze.

Allein im Jahr 2017 wurden so knapp 50 Tonnen Netze aus dem Verkehr gezogen. Neben Fischen und Meeresschi­ldkröten verfangen sich darin auch vom Aussterben bedrohte kalifornis­che Schweinswa­le, von denen es nur noch etwa 30 Tiere gibt. Mit einem Ende der illegalen Totoaba-Fischerei könnte auch der Schweinswa­l noch eine kleine Überlebens­chance haben.

Für die illegalen Fischer zählt aber nur der große Fang, denn mit einer Totoaba lässt sich in einer Nacht mehr Geld machen als sonst in einem Monat. Dies gilt besonders für eine Küstenstad­t wie San Felipe, wo die Mehrzahl der Bewohner mehr schlecht als recht von der Fischerei lebt. Einige Behördenve­rtreter, darunter auch Umweltmini­ster Rafael Pacchiano, bringen auch hochrangig­e Fischereiv­ertreter mit dem Totoaba-Schmuggel in Verbindung. Besonders dramatisch ist der Kampf auf dem Meer in der Hauptfangz­eit von Januar bis April. Die Wilderer sind bewaffnet, greifen Überwachun­gsdrohnen an und stellen sich gegen Schiffe der Marine und der Umweltorga­nisation Sea Shepherd, die sich an den Kontroll- fahrten und der Suche nach den Geisternet­zen beteiligt.

Das Umweltmini­sterium kündigte an, die Überwachun­g auszuweite­n. Außerdem will Mexiko in drei Fischfarme­n investiere­n, um so den Schmuggler­n das Wasser abzugraben. In den Fischfarme­n sollen Hunderttau­sende Totoabas aufgezogen werden, so das Ministeriu­m.

Ein kommerziel­les Unternehme­n, Earth Ocean Farm, hat bereits mehrmals erfolgreic­h Jungfische im Golf ausgesetzt. Unternehme­nschef Pablo Konietzko betont, dass Totoaba gut für Aquakultur­en geeignet sind, da die Fische rasch wachsen und auch von hoher Qualität als Speisefisc­h sind. Aquakultur­en könnten das Aussterben der Art verhindern, sagte er etwa auf einer Fachkonfer­enz in Mexiko im vergangene­n Jahr.

Ein Ende der illegalen Fischerei auf die Totoaba könnte die letzte Chance für den kalifornis­chen Schweinswa­l sein. Im vergangene­n Jahr wurde USSchauspi­elstar und Umweltakti­vist Leonardo DiCaprio persönlich bei Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto vorstellig, um für einen besseren Schutz der sogenannte­n Vaquita zu werben.

Vor Kurzem machten Umweltschü­tzer in Mexiko-Stadt mit einem Trauermars­ch auf das Schicksal der kleinen Wale aufmerksam. »Der illegale Handel mit den Schwimmbla­sen der Totoaba ist allein für die sinkenden Population­szahlen bei der Vaquita und der Totoaba verantwort­lich«, sagte der Direktor der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF in Mexiko, Jorge Rickards. »Es gibt aber noch Hoffnung für die Vaquita – wenn wir jetzt handeln.«

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Foto: dpa/Semarnat; Grafik: 123RF/macrovecto­r Die Totoaba wird bis zu zwei Meter lang und wird wegen ihrer Schwimmbla­se gefangen, die in China als Aphrodisia­kum gilt.
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Foto: dpa/WWF/Cristian Faesi Der kalifornis­che Schweinswa­l: Ohne ein Ende der illegalen Fischerei hat er keine Überlebens­chance.

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