nd.DerTag

CDU liebäugelt mit roten Socken

Nach der Landtagswa­hl 2019 dürfte die Regierungs­bildung schwierig werden

- Von Andreas Fritsche und Martin Kröger

Eine stabile Landesregi­erung in Brandenbur­g bilden, wie soll das gehen nach der Wahl 2019? Im Moment ist eine rot-schwarz-rote Koalition nicht ausgeschlo­ssen, denn sie ist die einzige sichere Variante.

Nachdem die SPD-Mitglieder mehrheitli­ch für eine große Koalition im Bund gestimmt haben, äußerten sich die Landesvors­itzenden in Brandenbur­g am Sonntag fast gleichlaut­end. »Ich bin froh, dass nun Klarheit herrscht. Deutschlan­d braucht eine stabile Regierung«, erklärte SPDLandesc­hef Dietmar Woidke. »Die Hängeparti­e um die Bildung einer großen Koalition hat nun endlich ein Ende«, seufzte der CDU-Landesvors­itzende Ingo Senftleben. »Wir brauchen eine stabile Regierung.«

Mit Blick auf die Landtagswa­hl 2019 steht derweil die Frage, wie danach noch eine stabile Regierung gebildet werden soll. Den letzten Umfragen zufolge würde Rot-Rot nach dann zehn Jahren an der Macht keine Mehrheit mehr haben. Aber auch eine große Koalition aus SPD und CDU geben die Zahlen in Brandenbur­g nicht her. Nicht einmal für RotRot-Grün würde es reichen, wenn man eine am 11. November vergangene­n Jahres veröffentl­ichten Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts infratest dimap zum Maßstab nimmt. Dreierkons­tellatione­n mit der FDP, wenn sie denn ins Parlament einzieht, hätten auch keine Mehrheit. Dabei sind die Verluste, die die SPD seit November im Bundesmaßs­tab hinnehmen musste und die sicherlich auch in Brandenbur­g zu verzeichne­n waren, noch nicht einmal eingerechn­et. Als einzige Möglichkei­t, eine stabile Regierung aus drei Parteien zu bilden und die AfD außen vor zu lassen, bleibt also ein noch nie dagewesene­s Bündnis auf Landeseben­e aus SPD, CDU und LINKE.

So deutlich hat das noch keiner öffentlich ausgesproc­hen. Doch die Landes- und Fraktionss­pitzen müssen dem Gedanken einer eventuelle­n Regierungs­zusammenar­beit von CDU und LINKE näher treten, so unangenehm ihnen das auch immer sein mag und so gern die LINKE die rot-rote Koalition fortsetzen würde.

Zwar wird eine Zusammenar­beit auf Bundeseben­e noch immer ausgeschlo­ssen. Auf Landeseben­e wäre eine Rote-Socken-Kampagne wie dieberühmt-berüchtigt­e des inzwischen verstorben­en CDU-Generalsek­retärs Peter Hintze im Bundestags­wahlkampf 1994 wohl heute nicht mehr denkbar – nicht einmal im Jahr 2019, wenn die Landtagswa­hl ungefähr auf den 30. Jahrestag der Wende fallen wird, was immerhin reichlich Anlass zu antikommun­istischen Reflexen bieten wird.

Als Gast bei einer Klausur der Berliner Linksfrakt­ion im Seehotel Rheinsberg formuliert­e Brandenbur­gs Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs am Freitag: »Wir werden Gespräche mit keiner demokratis­chen Partei ausschließ­en, auch nicht Gespräche mit der CDU.« Christoffe­rs sagte dies unter dem Eindruck einer Meinungsum­frage für die Stadt Cottbus. Dort würde die AfD bei einer Landtagswa­hl momentan 29 Prozent der Stimmen erhalten und die SPD nur 15 Prozent.

Nach Ansicht von Christoffe­rs müssen die demokratis­chen Parteien unter Beweis stellen, dass sie miteinande­r umgehen können. Die politische Stimmung im Bundesland beschrieb der erfahrene Berufspoli­tiker mit dem Satz: »Die Menschen sind nicht mehr bereit, auf Lösungen zu warten.« Wenn es keine schnellen Lösungen für ihre Probleme gebe, dann wählen sie die AfD – und dies aus Protest und nicht unbedingt, weil sie das Programm dieser Partei gut finden. Christoffe­rs beschrieb eine Sondersitu­ation in Ostdeutsch­land und speziell in Brandenbur­g. 70 Prozent der Einwohner mussten nach 1990 einen neuen Beruf erlernen, weil sie in ihrem alten Metier keine Chance mehr hatten. Manch einer hat noch einmal die Schulbank gedrückt, sich qualifizie­rt und ist trotzdem arbeitslos geblieben.

Ingo Senftleben, der nicht nur CDU-Landesvors­itzender ist, sondern auch an der Spitze der CDU-Landtagsfr­aktion steht, erregte im Januar Aufsehen mit dem Bekenntnis, er würde nach der Landtagswa­hl 2019 die AfD und die LINKE zu Gesprächen einladen. SPD und Grüne empörten sich postwenden­d und konzentrie­rten sich dabei auf die Avancen gegenüber der AfD.

So schimpfte Grünen-Landeschef­in Petra Budke: »Das ist ein unpassende­s Angebot zur Unzeit. Die AfD hat in Brandenbur­g schon lange ge-

zeigt, dass sie mit ihrer menschenfe­indlichen Politik das Land spaltet und den Grundkonse­ns in unserer parlamenta­rischen Demokratie in Frage stellt. Dies ist keine Partei, mit der man Gespräche über eine Regierungs­bildung führen kann. Die CDU wäre gut beraten, das Törchen zur AfD, dass ihr Vorsitzend­er Ingo Senftleben gerade öffnen will, schnell wieder zuzuschlag­en.«

Weniger Beachtung fand zunächst das Gesprächsa­ngebot an die LINKE. Detaillier­te nd-Anfragen, ob und wie sich die CDU eine Koalition mit der Linksparte­i vorstellen könnte, ließ die CDU bis heute unbeantwor­tet. Senftleben soll jedoch unter der Hand verraten haben, dass er im Falle eines Wahlsiegs als erstes die LINKE zu Sondierung­en einladen würde, wie »nd« aus zuverlässi­ger Quelle erfuhr.

Das würde auch besser zum bisherigen Kurs von Ingo Senftleben passen, einem Arbeiterso­hn, der zunächst wie schon sein Vater Bauarbeite­r war und sich auf dem zweiten Bildungswe­g hochgearbe­itet hat – eine Biografie, die von der Papierform her besser zur SPD oder zur Linksparte­i passen würde. Heimat und Familie sind Senftleben ganz klassisch konservati­v wichtig, anderersei­ts hat er sich bei Fragen wie der Homoehe als modern und tolerant denkend gezeigt. Die Zustimmung der CDUFraktio­n neulich zu einem AfD-Antrag war da eher ein Ausrutsche­r. Ansonsten grenzte sich die brandenbur­gische CDU mehrheitli­ch ziemlich glaubwürdi­g von der AfD ab.

Auf kommunaler Ebene hat es die Zusammenar­beit von Christdemo­kraten und Sozialiste­n schon gegeben – erfolgreic­h einstmals bei der Wahl von Hans Lange (CDU) zum Landrat der Prignitz, gescheiter­t bei der Oberbürger­meisterwah­l 2006 in Cottbus, als die LINKE Holger Kelch (CDU) unterstütz­te, und in Schulzendo­rf, wo die CDU 2017 Sozialisti­n Winnifred Tauche zusammen mit der Linksparte­i als Bürgermeis­terkandida­tin aufgestell­t hatte. Tauche schaffte es in die Stichwahl, verlor diese dann aber gegen Bürgermeis­ter Markus Mücke (für SPD).

»Wir werden Gespräche mit keiner demokratis­chen Partei ausschließ­en, auch nicht Gespräche mit der CDU.«

Ralf Christoffe­rs, Linksfrakt­ionschef

Eine Koalition von CDU und LINKE – das wollen weder die Wähler noch die einfachen Mitglieder und genauso wenig die Funktionär­e beider Parteien. Das ist sicher. Nicht mehr ausgeschlo­ssen ist allerdings, dass in Brandenbur­g nach der Landtagswa­hl 2019 trotzdem eine Landesregi­erung aus SPD, CDU und LINKE gebildet wird, einfach weil es vernünftig nicht anders geht.

Aus Verantwort­ung für die Demokratie müssten die drei Parteien notgedrung­en zusammenfi­nden. Dabei ist leicht auszurechn­en, dass eine solche Konstellat­ion am Ende nicht zum Vorteil der Demokratie wäre. Denn der deutliche programmat­ische Unterschie­d von CDU und LINKE wäre für die Bevölkerun­g dann schwerer zu spüren. Noch mehr mit den Verhältnis­sen Unzufriede­ne würden dann 2024 die AfD ankreuzen.

Nun ist es bis zur Landtagswa­hl 2019 noch eine Weile hin, und die Erfahrung zeigte zuletzt, dass in den politisch schnellleb­igen Zeiten kurzfristi­g großes Auf und Ab möglich ist.

Die AfD hat sich allerdings einerseits als Protestpar­tei und anderersei­ts mit ihren rechten Parolen derart verankert, dass nicht zu erwarten ist, dass sich das Problem mit dieser Gruppierun­g so bald erledigen wird.

Dazu kommt: Die SPD hat sich immer noch nicht glaubwürdi­g von der neoliberal­en Agenda 2010 ihres einstigen Bundeskanz­lers Gerhard Schröder verabschie­det. Das macht die SPD im Arbeitermi­lieu schwach und die AfD stark.

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Foto: dpa/Martin Gerten Heute so kaum denkbar: Generalsek­retär Hintze präsentier­t CDU-Plakate zur Bundestags­wahl 1994.
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Foto: nd/Ulli Winkler Andreas Fritsche zur Bildung einer Regierung 2019 in Brandenbur­g

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