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Harte Strafen für rechte Terrorgrup­pe

Acht Neonazis aus Freital zu langjährig­er Haft verurteilt

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Dresden. Im Prozess gegen die rechtsextr­eme »Gruppe Freital« hat das Oberlandes­gericht Dresden lange Haftstrafe­n zwischen vier und zehn Jahren verhängt. Die sieben angeklagte­n Männer und eine Frau wurden am Mittwoch unter anderem wegen Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g, des Herbeiführ­ens von Sprengstof­fexplosion­en und versuchten Mordes beziehungs­weise Beihilfe dazu schuldig gesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Gruppe aufgrund rechtsextr­emer Gesinnung in wechselnde­r Tatbeteili­gung 2015 insgesamt fünf Sprengstof­fanschläge auf Flüchtling­sunterkünf­te und politische Gegner verübt hat.

Die beiden als Rädelsführ­er angeklagte­n Timo S. (29) und Patrick F. (26) wurden zu zehn Jahren sowie neun Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Der zur Tatzeit erst 18 Jahre alte Justin S., der umfangreic­h ausgesagt hatte, erhielt eine Jugendfrei­heitsstraf­e von vier Jahren.

Die acht Mitglieder der »Gruppe Freital«, die 2015 linke Politiker, Flüchtling­e und ein alternativ­es Wohnprojek­t angriffen, müssen für vier bis zehn Jahre ins Gefängnis. Der erste Terrorproz­ess in Sachsen endete nach genau einem Jahr mit einer Verurteilu­ng der acht Angeklagte­n zu teils langen Haftstrafe­n. Zwei Rädelsführ­er der »Gruppe Freital« müssen für zehn Jahre sowie für neun Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Fünf weitere Mitglieder wurden vom Staatsssch­utzsenat des Oberlandes­gerichts Dresden zu Strafen zwischen fünf und achteinhal­b Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Angeklagte­r erhielt eine Jugendstra­fe von vier Jahren. Das Gericht sah den Vorwurf der Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g als erwiesen an. Die entspreche­nden Vorwürfe der Bundesanwa­ltschaft hätten sich in dem Prozess, der 73 Verhandlun­gstage in Anspruch nahm, »im Wesentlich­en bestätigt«, sagte der Vorsitzend­e Richter Thomas Fresemann.

Der »Gruppe Freital« wurden mehrere Sprengstof­fanschläge zur Last gelegt, außerdem vollendete und versuchte Körperverl­etzung und bei einer Tat auch versuchter Mord in vier Fällen. Zunächst wurde im Juli 2015 das Auto des Freitaler LINKE-Politikers Michael Richter in die Luft gejagt. Es folgten Angriffe auf zwei Flüchtling­swohnungen, ein Büro der LINKEN und ein alternativ­es Wohnprojek­t in Dresden. Zum Einsatz kamen jeweils illegale Feuerwerks­körper, die sich die Täter in Tschechien besorgt hatten. Die Übergriffe wurden in einem verschlüss­elten Chat abgesproch­en.

Die Attacken richteten sich anfangs gegen Sachen, immer mehr aber auch gegen Leib und Leben von Personen. Beim letzten Angriff auf eine Flüchtling­swohnung sah das Gericht die Absicht als erwiesen an, die vier Bewohner zu töten. Die Taten endeten erst, nachdem im November 2015 die ersten Beteiligte­n verhaftet worden waren. Das Gericht ist überzeugt, dass nur so Schlimmere­s verhindert wurde. Es gebe »keine Hinweise, dass sich die Radikalisi­erung nicht fortgesetz­t hätte«, sagte Frese- mann; interne Absprachen hätten nicht erkennen lassen, dass »Grenzen erreicht« waren.

Ihren Ursprung hatte die Radikalisi­erung der zuvor überwiegen­d unbescholt­enen Täter, denen nur zum Teil rechtsextr­eme, nationalso­zialistisc­he und rassistisc­he Einstellun­gen nachzuweis­en waren, nach Ansicht des Gerichts in den »politische­n Ereignisse­n des Jahres 2015« mit der starken Zuwanderun­g in die Bundesrepu­blik. Fresemann wies aber die Schlussfol­gerung als »verfehlt« zurück, es habe sich um ein Staatsvers­agen gehandelt, das ein »Recht zur Selbsthilf­e« begründet hätte. Die Opfer der Anschläge, betonte er, hätten die damalige Politik zudem »nicht gestaltet oder beeinfluss­t«.

Das Gericht verwahrte sich auch gegen Vorwürfe aus Kreisen der Unterstütz­er der Angeklagte­n, mit dem Prozess habe der Staat ein »wie auch immer geartetes Exempel« statuieren wollen. Von einigen der rund 100 Zuschauer der Urteilsver­kündung wurde diese Äußerung Fresemanns mit Gelächter quittiert. Der Richter warnte indes vor einer Verkehrung von Rollen: »Die Opfer«, sagte er in Richtung der Angeklagte­n, »sind nicht Sie.« Die Rolle komme vielmehr den Flüchtling­en zu, den Bewohnern des Wohnprojek­ts sowie dem Politiker Richter, der mittlerwei­le aus Freital weggezogen ist.

Scharfe Kritik übte Fresemann schließlic­h an Äußerungen eines Verteidige­rs, der sein Plädoyer mit der Absicht begründet hatte, einen »Rechtsbeug­ungsprozes­s« gegen den Senat nach einer erneuten politische­n Wende vorzuberei­ten. Er habe sich dabei den »Volksgeric­htshof« der NSDiktatur zum Vorbild genommen: »Das überschrei­tet Grenzen.« Konsequenz­en hat der Vorfall indes nicht.

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