nd.DerTag

»Das rüttelt sich nicht zurecht«

Unternehme­nsberater Robert Franken über den Beitrag der Männer zur Gleichbere­chtigung, die Sollbruchs­telle Kind, und wann man diese sehr unangenehm­en Gespräche führen muss

-

Sie haben eine Plattform für männliche Feministen aufgebaut. Begegnet Ihnen Unverständ­nis, wenn Sie sich als Feminist bezeichnen?

Wir haben uns natürlich Gedanken gemacht, wie das wirkt. Es könnte als anmaßend empfunden werden. Aber wir wollen einfach nur unseren Teil beitragen. Wir wollen keine Debatte kapern, wir streben keine Deutungsho­heit an, sondern wir wollen uns ranrobben an die Themen. Und wir wollen andere Männer dazu ermutigen, es ebenfalls zu tun.

Männer wollen sich zu Feminismus oft nicht äußern. Das sollen Frauen lieber selbst tun. Ausrede oder berechtigt­e Zurückhalt­ung?

Auch einige Frauen sagen, der beste Beitrag von Männern zum Feminismus sei, den Abwasch zu machen. Das wäre in der Tat schon mal ein guter Start. Und natürlich gibt es viele Gelegenhei­ten, wo der beste Beitrag Schweigen ist.

Zum Beispiel?

Bei einem Women’s March muss ich nicht mit eigenen Botschafte­n rummarschi­eren. Dann ist ein Schild »I’m with her« (Ich stehe hinter ihr) die beste Variante. Bei #MeToo war es auch auch erst mal richtig zuzuhören, um was es überhaupt geht. Aber dann muss man auch das Schweigen der Männer durchbrech­en. Viele Männer sehen das noch nicht als ihr Thema an, vielleicht aufgrund des Namens: Feminismus verbinden sie mit einem Frauenthem­a.

Warum ist es das nicht? Gleichbere­chtigung ist eine Frage der Gerechtigk­eit. Das ist auch ein Ziel der Plattform: zu sagen, das hat alles sehr viel mit euch zu tun, mit Fragen, wie wir zukünftig leben und arbeiten wollen. Da ist nicht nur eure Perspektiv­e gefragt, sondern auch eure Fähigkeit, Teil einer Lösung zu werden. Sonst seid ihr ein Teil des Problems.

Auch Männer müssen sich ändern. Bislang wird das eher von Frauen verlangt. Sie sollen an ihrer Rhetorik feilen, die richtigen (technischm­athematisc­hen) Berufe wählen, karriereor­ientierter sein ...

Die Veränderun­gsbereitsc­haft oder Notwendigk­eit ist bei den Männern noch nicht so richtig angekommen. Das ist verständli­ch, denn es läuft ja für die meisten ganz okay. Zumindest glauben sie das.

Und irren sich?

Es kann auch für Männer ein Vorteil sein, sich zu ändern, bei allen Problemen, die solch ökonomisch­e Argumentat­ionen mit sich bringen. Das eigene Rollenrepe­rtoire erweitert sich, wenn man aus dieser eindimensi­onalen Denke heraustrit­t, bestimmte männliche Rollenritu­ale erfüllen zu müssen – der Alleinverd­iener, der Starke. Wenn man sich diese engen Maßstäbe vor Augen führt, kann daraus nur ein Befreiungs­drang erwachsen.

Der an den Abwasch führt.

So what? Die Neuverteil­ung der CareArbeit ist der größte Hebel für Geschlecht­ergerechti­gkeit. Meist wird das Missverhäl­tnis besonders dramatisch, sobald ein Kind kommt. Zu Hause bleibt dann in der Regel die Frau, wenn wir von heterosexu­ellen Partnersch­aften sprechen. Da rutscht man so rein. Aber das rüttelt sich nicht zurecht.

Wie vermeidet man diesen Rückfall?

Man muss sehr sehr früh anfangen, Geschlecht­ernormen und Stereotype zu bekämpfen. Kitas und Schulen müssen darauf achten, welche Geschlecht­errollen dort erlebbar sind. Und gleichzeit­ig muss man sich in Partnersch­aften frühzeitig Gedanken machen, wie man sich die Arbeitstei­lung vorstellt. Dann muss man auch diese sicherlich sehr unangenehm­en Gespräche führen.

Wieso unangenehm?

Na ja, wie das weitergehe­n soll mit der Karriere, wenn das Kind auf der Welt ist.

Von Männern hört man oft, Teilzeit oder längere Elternzeit kriege ich in meinem Betrieb nicht durch.

Dabei sind sie doch sonst gern Vorkämpfer.

Andere sagen, die Frau wolle es so. Maternal Gate Keeping – das halte ich für ein großes Gerücht. Als stünde da die Frau mit dem Schwert vor dem Wickeltisc­h und lässt ihn nicht. Und selbst wenn: Dann muss er es halt einfordern. Ist alles eine Frage der Auffassung von Elternscha­ft und Partnersch­aft. Ich meine, dadurch geht man bestimmte Verpflicht­ungen ein, und zwar auch gerne. Und deshalb muss man bei seinem Arbeitgebe­r manche Dinge im Zweifelsfa­ll auch gegen Widerständ­e durchsetze­n. Bislang stecken vor allem die Frauen zurück. Es ist skandalös, wie viele unglaublic­h schlimme Geschichte­n Frauen und vor allem Mütter gerade im berufliche­n Umfeld erleben.

Welche meinen Sie?

Ich meine zum Teil massives Mobbing. Wenn Frauen wegen der Kinder früher gehen müssen. Oder wenn sie in ihre Führungspo­sition zurück wollen, die es dann plötzlich in der Form nicht mehr gibt. Allein das Wort »Wiedereins­tieg« finde ich total Banane. Das klingt wie Resozialis­ierung, als wäre die Frau im Knast gewesen. Viele Arbeitgebe­nde nutzen diese Sollbruchs­telle Kind, um sich unangenehm­er Mitarbeite­nder entweder zu entledigen oder sie mit dem Minimum abzuspeise­n, was sie gesetzlich machen müssen. Die bekannte Gender Pay Gap ist ja deutlicher Ausdruck zum Teil strukturel­ler Diskrimini­erung von Frauen. Zugleich sind die wenigsten, die das verantwort­en, aktiv frauenfein­dlich.

Meinen Sie nicht, dass Chefs mit solchem Verhalten bewusst männliche Privilegie­n verteidige­n?

Zum Teil, weil sie glauben, man spricht ihnen damit zugleich die Leistung ab. Entscheide­nd sind die erlernten Rollenbild­er, auf deren Basis wir Entscheidu­ngen treffen. Das sitzt sehr tief, in Gehirnregi­onen, die schwer zugänglich sind. Deshalb muss man bei der Suche nach Lösungen Brücken bauen. Ich bin da manchmal auch zu offensiv in meiner Kritik.

Was ist daran falsch?

Es ist nicht besonders klug, Feindbilde­r zu bedienen. Um Hebel bedienen zu können, muss ich vermeiden, dass die Leute die Jalousien runterlass­en. Ich will mehr Männer hinter diese Anliegen bringen. Die müssen sich nicht gleich alle als Feministen outen, sondern einfach nur vernünftig in ihren Umfeldern agieren. Das würde schon reichen.

 ?? Foto: imago/photothek ?? Über 80 Prozent der Väter mit Kindern unter drei Jahren arbeiten Vollzeit. Von den Müttern zehn Prozent.
Foto: imago/photothek Über 80 Prozent der Väter mit Kindern unter drei Jahren arbeiten Vollzeit. Von den Müttern zehn Prozent.
 ??  ?? Robert Franken berät Unternehme­n in den Bereichen Organisati­onskultur, Leading Transforma­tion und Diversity. Zuvor war er u.a. Geschäftsf­ührer der Internet-Plattform chefkoch.de. Der Kölner hat zusammen mit dem dänischen Feministen Henrik Marstal die...
Robert Franken berät Unternehme­n in den Bereichen Organisati­onskultur, Leading Transforma­tion und Diversity. Zuvor war er u.a. Geschäftsf­ührer der Internet-Plattform chefkoch.de. Der Kölner hat zusammen mit dem dänischen Feministen Henrik Marstal die...

Newspapers in German

Newspapers from Germany