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Slowakisch­e Polizei vor Mafia gewarnt

- Von Jindra Kolar, Prag

Der Doppelmord an dem Journalist­en Kuciak und seiner Lebensgefä­hrtin weitet sich immer mehr zum Politikum aus. Innenminis­ter Kaliňák gerät unter Druck. Zwei Wochen sind vergangen, seit der Journalist Ján Kuciak und seine Lebensgefä­hrtin Martina Kušnírová in ihrem Haus in Velká Mača brutal ermordet wurden. Viele Hinweise deuten darauf, dass der Mord im Zusammenha­ng mit den Recherchen Kuciaks, die Verbindung­en zwischen der italienisc­hen ´Ndrangheta zu höchsten politische­n Kreisen aufdecken sollten. Durch neue Erkenntnis­se weitet sich die politische Krise in Bratislava weiter aus.

Die Polizei hatte binnen 48 Stunden nach dem Mord sechs verdächtig­e Italiener festgenomm­en, musste sie mangels Beweisen inzwischen wieder freilassen. Dabei hatte die italienisc­he Antimafiab­ehörde DIA bereits 2013 Warnungen ausgesproc­hen, dass der in der Slowakei tätige Unternehme­r Antonio Vadalà Beziehunge­n zu den ´Ndrinen in Kalabrien unterhält. Innenminis­ter Robert Kaliňák (Smer-SD) hatte zunächst jegliche Kenntnis dieser Warnungen negiert, musste sie nun aber einräumen.

Nicht nur der Innenminis­ter, sondern auch Premier Robert Fico selbst gerät mit dem Mord in politische Schwierigk­eiten. Zwei seiner engsten Mitarbeite­r, Sicherheit­sberater Viliam Jasaň und seine eigene Beraterin Mária Trošková, hatten in der Vergangenh­eit enge Kontakte zu Vadalà und seiner Geschäftsw­elt gepflegt. Eine

Die Journalist­in Pavla Holcová vermutet, dass die Ermittler möglichst mehrere Spuren legen, um eine bestimmte Richtung zu verschleie­rn.

mögliche Konsequenz wäre, dass Fico und sein Innenminis­ter von ihren Ämtern zurücktret­en. Dieser Auffassung ist auch der slowakisch­e Staatspräs­ident Andrej Kiska.

Doch Fico geht zum Gegenangri­ff über und beschuldig­t den Präsidente­n, seine Neutralitä­t zu verletzen und sich zum Instrument der Opposition zu machen. In seinen Anschuldig­ungen ging Fico soweit zu behaupten, Kiska sei von dem amerikanis­chen Multimilli­ardär George Soros beeinfluss­t. Fico befürchtet, dass Soros die slowakisch­e Opposition unterstütz­en könnte.

Kritische Journalist­en in der Slowakei befürchten indes, dass die aktuelle Polemik des Regierungs­chefs ein Ablenkungs­manöver von den eigentlich­en Hintergrün­den des Mordes sein könnte. Die italienisc­he Unternehme­rgruppe pflegte intensive Kontakte zur Verwaltung in Bratislava und profitiert­e sowohl von staatliche­n Subvention­en als auch von EUFördermi­tteln. Die tschechisc­he Journalist­in Pavla Holcová, die in der Vergangenh­eit eng mit Kuciak zusammenar­beitet hatte, zeigte sich verwundert, dass die slowakisch­e Polizei sie überhaupt nicht nach Verbindung­en zwischen Politikern, Geschäftsl­euten und dem organisier­ten Verbrechen befragt hatte – allesamt Themen, die Kuciak bearbeitet hatte.

Holcová vermutet, dass die Ermittler möglichst mehrere Spuren legen, um eine bestimmte Richtung zu verschleie­rn. Bereits im Oktober vergangene­n Jahres gab es in Bratislava Demonstrat­ionen gegen Innenminis­ter Kaliňák, dem massive Korruption vorgeworfe­n wurde. Dass nun ausgerechn­et er zur Aufklärung des Mordes an dem Journalist­en beitragen sollte, bezweifeln viele Kollegen Kuciaks.

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