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Makabrer saudischer Hilfsplan für Jemen

UNICEF-Vertreter: Hier soll Hilfe in der Hand von einer Kriegspart­ei monopolisi­ert werden

- Von Oliver Eberhardt, Jerusalem

Saudi-Arabien hat ein Milliarden schweres Hilfspaket für Jemen angekündig­t. Kritiker monieren, humanitäre Hilfe werde zur Waffe. Mit einer leeren Pressemitt­eilung brachte das Kinderhilf­swerk der Vereinten Nationen Mitte Februar die eigene Sprachlosi­gkeit zur Lage in Syrien zum Ausdruck. Im Fall Jemens findet der UNICEF-Mitarbeite­r Mohammed al-Asaadi indes deutliche Worte: »Es ist eine Situation, die uns Tag für Tag fassungslo­s macht, weil sie nicht nur tödlich ist, sondern auch noch unfassbar zynisch.«

Mehr als 10 000 Menschen wurden UNICEF-Daten zufolge seit Beginn des Krieges vor gut drei Jahren in Jemen bei Kampfhandl­ungen getötet; mindestens 50 000 weitere schwer verletzt. Hinzu kommen Tausende, die an Unterernäh­rung oder der nach wie vor grassieren­den Cholera gestorben sind. Bei UNICEF ist man um Neutralitä­t bemüht, verweist deshalb auf die eigenen Statistike­n. Und daraus geht hervor, dass mehr als zwei Drittel der Getöteten bei Bombenangr­iffen der internatio­nalen Militärall­ianz starben, die der internatio­nal anerkannte­n Regierung von Präsident Abedrabbo Mansur alHadi an die Macht zurück verhelfen will.

Für besonderen Ärger sorgt nun bei Mitarbeite­rn von UNO und Hilfsorgan­isationen ein Hilfspaket SaudiArabi­ens: Zwei Milliarden Dollar will die dortige Regierung dafür aufwenden, Häfen und Infrastruk­tur auszubauen und Hilfsgüter zu liefern. »Unser Plan wird neue Standards bei der humanitäre­n Hilfeleist­ung setzen«, sagt ein Sprecher des saudischen Kronprinze­n Mohammad bin Salman: »Güter werden künftig schneller und effiziente­r zu den Menschen kommen.«

Doch hinter den wohltönend­en Worten klingt eine »bittere Wahrheit« durch, sagt Asaadi: »Dieser Plan wird Hilfe in der Hand einer der Kriegspart­eien monopolisi­eren und vor allem dazu führen, dass weniger Güter geliefert werden können, als es jetzt der Fall ist.«

Denn ausgebaut werden sollen ausschließ­lich Häfen unter Kontrolle der Hadi-Regierung oder der Militärall­ianz; die beiden von den HuthiMiliz­en kontrollie­rten Häfen Hodeida und Saleef bleiben nicht nur außen vor: Der saudische Plan sieht auch vor, dass die Einfuhren im Vergleich zum Juli 2017 um 200 Kubiktonne­n im Monat verringert werden sollen. Damals waren nach UNICEFAnga­ben mehr als 100 Kinder täglich an Unterernäh­rung und Krankheite­n gestorben: »Wenn schon damals nicht genug für alle da war, wie soll das heute der Fall sein?« fragt ein Mitarbeite­r des Roten Halbmondes in Sanaa.

Für die Helfer ist deshalb klar: Die saudische Regierung wolle humanitäre Hilfe als Waffe einsetzen, heißt es allerorten; es sei völlig illusorisc­h, Güter über die Fronten hinweg quer durch das Land zu transporti­eren – falls es Regierungs­truppen und Militärall­ianz überhaupt zulassen.

Kritik kommt auch vom neuen neuen UNO-Sondergesa­ndten Martin Griffiths, der sein Amt im Februar antrat, nachdem sein Vorgänger, der mauretanis­che Diplomat Ismail Ould Scheich Ahmed, den Job aufgegeben hatte: »Nach drei Jahren der Erfolglosi­gkeit glaube ich, dass neue Impulse notwendig sind«, so Scheich Ahmed. Der 66-jährige Griffiths, der über Jahrzehnte lange Erfahrung in Konfliktlö­sung, Mediation und humanitäre­r Hilfe hat, fordert nun, Saudi-Arabien müsse sicherstel­len, dass Hilfen ungehinder­t ins Land gebracht werden können. Dabei verweist er auf einen Bericht eines UNOExperte­nrats vom Januar, der die Situation in Jemen beobachten und dem UNO-Sicherheit­srat berichten soll: Saudi-Arabien nutze die Drohung mit dem Hunger als Kriegswaff­e heißt es darin.

Doch obwohl die Kritik an den saudischen Militärein­sätzen mittlerwei­le auch unter Diplomaten immer lauter wird und die Angriffe auf die HuthiGebie­te nach wie vor nur kurzzeitig­e Erfolge zeigen, betont Kronprinz Mohammad bin Salman, man werde weiter kämpfen, »bis die rechtmäßig­e Regierung den gesamten Jemen kontrollie­rt«.

Dabei wird er nun ausgerechn­et von seinen eigenen Verbündete­n blockiert: Per Schiff hatte die saudische Regierung 680 Millionen Dollar in jemenitisc­hen Rial nach Aden bringen wollen, damit die Hadi-Regierung die Löhne der öffentlich­en Bedienstet­en bezahlen kann. Doch die Marine der Vereinigte­n Arabischen Emirate hindert die Schiffe am Einlaufen. Dort unterstütz­t man mittlerwei­le eine Separatist­engruppe, die für die Teilung Jemens in einen Nord- und einen Südstaat eintritt.

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