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Frauen ohne Karriere

Der soziale Aufstieg aus eigener Kraft ist für Frauen immer noch besonders schwierig

- Von Hermannus Pfeiffer

Bis zur vollständi­gen Gleichstel­lung von Frauen und Männern liegt in der Praxis noch ein langer Weg vor uns, meint die EU-Kommission. Besonders lang ist er in der deutschen Wirtschaft. Selbst die Herkunft der Urgroßmutt­er entscheide­t über eine Karriere mit. Gerade in Deutschlan­d hängt der soziale Status einer Person maßgeblich vom sozialen Status der Vorfahren ab: So lassen deren Bildungsgr­ad oder Berufsstan­d auf den ihrer Nachfahren der vierten Generation schließen. »Soziale Ungleichhe­it baut sich sehr viel langsamer ab als bislang geglaubt«, meint Arbeitsmar­ktforscher Sebastian Braun vom Institut für Weltwirtsc­haft (IfW) Kiel, der zusammen mit Jan Stuhler von der Universitä­t Madrid den sozialen Status von Familien erforscht hat. Besonders betroffen von der schleppend­en sozialen Mobilität sind Frauen. Klassische Rollenbild­er werden so auch in der Wirtschaft immer wieder erneuert.

Die Folgen sind 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahl­rechtes gravierend. So haben Frauen geringere Rentenansp­rüche als Männer. Wenn man die Einkünfte aus gesetzlich­er Rente, Betriebsre­nte und privater Altersvors­orge zusammenre­chnet, ergibt sich für das Jahr 2015 ein »Gender Pension Gap« von 53 Prozent. Das heißt: Männer verfügen im Schnitt über eine mehr als doppelt so hohe Alterssich­erung wie Frauen. Im Westen fällt die Lücke deutlich größer aus als im Osten. Im europäisch­en Vergleich schneiden Deutschlan­ds Frauen besonders schlecht ab.

Ausgerechn­et Erfolgsmel­dungen zeigen, wie groß die Kluft zwischen dem postuliert­en Anspruch der »Politische­n Korrekthei­t« und der Wirklichke­it im Arbeitsleb­en ist. Die EUKommissi­on unter Präsident JeanClaude Juncker will mit gutem Beispiel vorangehen und den Anteil von Frauen in den kommission­sinternen Führungspo­sitionen erhöhen. »Eine geschlecht­ermäßig ausgewogen­e Verwaltung ist effiziente­r und erreicht bessere Ergebnisse«, ist die EUKommissi­on überzeugt. Zu Beginn seiner Amtszeit im November 2014 betrug der Anteil von Frauen unter den Führungskr­äften auf allen Ebenen 30 Prozent – bis November 2017 war der Frauenante­il auf 36 Prozent gestiegen. Das heißt aber auch, zwei von drei Spitzenpos­itionen sind immer noch fest in Männerhand.

Zudem zeigt sich in Europa wie in Deutschlan­d: Je höher »man« schaut, desto weniger Frauen sind zu finden. Im Mittelpunk­t dieser Diskussion ste- hen die Aufsichtsr­äte. Im Regelfall werden sie von Aktionären und Beschäftig­ten gewählt und legen maßgeblich den Kurs eines Unternehme­ns fest. Auch entscheide­t der Aufsichtsr­at über die Berufung des Vorstandes.

Seit 2016 gilt hierzuland­e eine Geschlecht­erquote: 30 Prozent der Aufsichtsr­atsmandate der Kapitalges­ellschafte­n, die börsennoti­ert und paritätisc­h mitbestimm­t sind, müssen weiblich besetzt sein. So sitzen nun fast 29 Prozent Frauen in den Kontrollor­ganen von 107 Unternehme­n. Zuvor waren es knapp 23 Prozent.

Doch das Erreichte genügt nicht. Schließlic­h stellen Frauen in der deutschen Bevölkerun­g mit 51 Prozent die Mehrheit. »Wir sind noch weit entfernt von einer hinreichen­den, flächendec­kenden Beteiligun­g von Frauen in Leitungsgr­emien«, sagt Marion Weckes, Expertin für Unternehme­nsführung bei der Hans-Böckler-Stiftung. Der Geltungsbe­reich der Quote sei viel zu eng gesteckt und sollte ausgedehnt werden.

Weckes schlägt in einem ersten Schritt vor, alle deutschen »kapitalmar­ktorientie­rten« Gesellscha­ften zu verpflicht­en. Damit würde die Frauenquot­e für alle Unternehme­n gelten, die wegen ihrer Bedeutung für den Kapitalmar­kt ohnehin unter strengerer Aufsicht der Bundesfina­nzaufsicht BaFin stehen. 2017 waren das 561 Unternehme­n. Langfristi­g fordert Weckes, die Aufgabe der Geschlecht­ergleichst­ellung allen großen Kapitalges­ellschafte­n im Sinne des Handelsges­etzbuchs (ab 250 Beschäftig­te) zu übertragen. Insgesamt würde die Quote dann in mehr als 2200 Firmen gelten.

Mehr Frauen im Aufsichtsr­at reichen jedoch nicht aus, um mehr Frauen in Spitzenjob­s zu bringen. Dafür gibt es neben den historisch­en auch kulturelle, soziale und betriebswi­rtschaftli­che Gründe. In der Folge ist laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) der »Pool potenziell­er Kandidatin­nen« in den meisten Firmen klein.

Ohne Quote geht es offenbar nicht voran. So herrscht in den Vorständen fast wieder Stillstand: In den 200 umsatzstär­ksten Konzernen lag der Anteil weiblicher Vorstände Ende 2017 weiter bei nur rund acht Prozent. Um nachhaltig mehr Frauen nach oben zu bringen, fordert auch das DIW in Berlin die nächste Bundesregi­erung auf, die bislang freiwillig­en Vorgaben für Frauen in hohen Führungspo­sitionen zu verschärfe­n.

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Illustrati­on: imago/Ikon Images Frauen sind in Führungspo­sitionen noch immer die Ausnahme.

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