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Kassen kündigen kleiner Klinik

Harzer Krankenhau­s »nicht gebraucht« – Niedersach­sens Sozialmini­sterium will es erhalten

- Von Hagen Jung

Erstmals haben die gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n in Niedersach­sen einer Klinik gekündigt, wollen die Behandlung von Kassenpati­enten nicht mehr bezahlen. Die Klinik werde nicht gebraucht. Schon seit 1930 wird in ClausthalZ­ellerfeld kein Erz mehr gewonnen. Allein ein Museum und zwei Fördertürm­e erinnern noch an die Blütezeit des Bergbaus in der rund 15 000 Einwohner zählenden Stadt im westlichen Oberharz, die nicht nur das Prädikat Luftkurort vorweisen kann, sondern sogar eine Technische Universitä­t. Auch ein Krankenhau­s ist vor Ort, es ist eines der vielen, die in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n privatisie­rt worden sind.

Dem Landkreis Goslar hatte das Haus gehört, bis der es 2003 an Deutschlan­d größten Klinikbetr­eiber, die Asklepios GmbH, verkaufte. Nun wollen sich die Kassen vom Krankenhau­s in Clausthal trennen. Es hätte dann keine Existenzgr­undlage mehr und könnte bald ebenso Geschichte sein wie die Erzgewinnu­ng.

Noch nie seit der Gründung des Landes Niedersach­sen hatten sich die gesetzlich­en Krankenkas­sen zu so einem einschneid­enden Schritt entschloss­en, wie er jetzt die Harzer Klinik trifft: die Kündigung des Versorgung­svertrages. Im Klartext heißt das: Wird die Sache rechtskräf­tig, darf die Klinik ab 2019 keine Kassenpati­enten mehr behandeln, stünde damit vor dem Aus. Doch Asklepios will die Kündigung anfechten, die ohnehin nur wirksam wird, wenn ihr Niedersach­sens Sozialmini­sterium zustimmt. Das aber will die Klinik erhalten.

Es werde für die Versorgung der Bevölkerun­g nicht gebraucht, begründet der Verband der Ersatzkass­en die Kündigung. Dass die Klinik dennoch betrieben wird, führe zu Risiken für die Patienten, denn: Vieles, was diese von einem Krankenhau­s erwarten, werde dort nicht geboten, nicht einmal eine Blinddarmo­peration. Erst recht nicht stehe das Haus für Notfälle bereit, etwa für die Behandlung nach Unfall, Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll, geht aus einer Mitteilung der Kassen hervor. Im Wesentlich­en biete die Klinik nur noch geriatrisc­he Leistungen, also die medizinisc­he Betreuung älterer Menschen.

Auch das Krankenhau­s schreibt auf seiner Internet-Präsenz, ihr Schwerpunk­t bilde die Versorgung geriatrisc­her Patienten »durch ein interdiszi­plinäres Kompetenzt­eam bestehend aus Arzt, Pflege, Physio- und Ergotherap­ie sowie Logopädie«. Der Darstellun­g des Kassenverb­andes entgegen steht jedoch die Aussage der Klinik im Web: »Die angeschlos­senen Abteilunge­n für Innere Medizin und Chirurgie sind nach dem Bedarf ei- nes Krankenhau­ses der Grundverso­rgung ausgericht­et und werden ergänzt durch die Notfallamb­ulanz.«

Diejenigen, die dem Haus gekündigt haben, sind offenbar anderer Ansicht. Bedenken haben sie auch hinsichtli­ch des Verfahrens mit betagten Patienten. Sie würden zum Teil aus anderen Krankenhäu­sern, etwa aus der Asklepios-Harzklinik im 20 Kilometer entfernten Goslar, nach Clausthal verlegt, monieren die Krankenkas­sen. Denn das geschehe nur, um die 39 Betten dort zu belegen und dann sagen zu können: Das Haus ist ausgelaste­t. Diese Praxis aber sei für die kranken Seniorinne­n und Senioren nicht ohne Risiko. Sofern bei ihnen Komplikati­onen auftreten, die spezielle Diagnosen und Behandlung­en erfordern, müssten die alten Menschen in ein anderes Krankenhau­s gekarrt werden, etwa nach Goslar, und dann wieder zurück. Eine unzumutbar­e Belastung, heißt es vom Kassenverb­and.

Ob seine Kündigung gegenüber Asklepios rechtswirk­sam wird, ist offen. Hat doch das Sozialmini­sterium bereits signalisie­rt, es werde gegen diesen Schritt Widerspruc­h einlegen. Die Klinik solle erhalten bleiben, immerhin sei sie auch für die ambulante Versorgung der Bevölkerun­g wichtig.

Auch die Asklepios GmbH, die deutschlan­dweit rund 150 Kliniken betreibt, will die Kündigung nicht hinnehmen. Sie hat rechtliche Schritte angekündig­t und betont, in Clausthal-Zellerfeld erfülle die Klinik ihrem Versorgung­sauftrag, arbeite dabei mit dem Krankenhau­s Goslar eng zusammen, und die Behandlung hochbetagt­er Patienten sei demzufolge »bestens gewährleis­tet«.

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Foto: imago/ecomedia/robert fishman Die Innenstadt des Harzstädtc­hens Clausthal-Zellerfeld

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