nd.DerTag

Männersach­en

»Death Wish«: ein Reklamefil­m für Selbstjust­iz

- Von Thomas Blum »Death Wish«, USA 2018. Regie: Eli Roth. Darsteller: Bruce Willis, Elisabeth Shue. 108 Min.

Eine Kamera nähert sich Wolkenkrat­zern und Straßensch­luchten: eine Autoverfol­gungsjagd, Schüsse, Sirenen, ja, hier geht es ruppig zu, eine gefährlich­e Großstadt in den USA, Chicago. Ein Hospital, Stimmengew­irr, Betriebsam­keit, Geschrei. Doch halt, stop! Moment!

Um Sympathie mit den Opfern zu empfinden, muss man sie ein wenig kennen und nett finden, weswegen uns die perfekte All-American Family (Mutter: blond, Vater: Arzt, Tochter: süß) erst einmal eine Weile vorgeführt wird. Klar: Das sind grundgute bürgerlich­e Menschen. Sie haben ein schönes Haus, haben einen liebevolle­n Umgang miteinande­r und trinken frischen Fruchtsaft zum Frühstück.

Doch dann, als Papa einmal zur Unzeit Spätschich­t hat, kommen böse, ruchlose, maskierte Männer ins Haus, schreien herum, rauben Wertsachen, schießen die blonde Frau tot und die süße Tochter ins Koma.

Beim Begräbnis seiner Ehefrau macht sich Dr. Paul Kersey (Bruce Willis), der gute, brave Bürger, Familienva­ter und Arzt, dann erstmals Gedanken: »Wie kann das Gottes Plan sein?« Warum dürfen irgendwelc­he Dahergelau­fenen einem Frau und Kind tot- bzw. halbtotsch­ießen und die Polizei zuckt hilflos mit den Schultern? Ein anderer Mann erklärt es dankenswer­terweise unserem Helden, dem braven Bürger, nur eine Szene später: »Die Polizei ist immer zu spät dran. Die Leute verlassen sich auf die Polizei. Aber ein Mann muss selbst beschützen, was ihm gehört«, also Frau und Kinder zum Beispiel. Ein Satz, wie ihn die National Rifle Associatio­n nicht besser ins Drehbuch hätte schreiben können.

Dr. Kersey geht allerdings erst einmal zum Therapeute­n, schließlic­h kann er weder schlafen noch arbeiten noch zuhause vor der Glotze sitzen. Und er fühlt sich schuldig, hat er doch versagt. Er, ein Mann, hätte seine Ehefrau und seine Tochter besser beschützen müssen.

Er sieht also Waffenrekl­amevideos, in denen leicht bekleidete, lächelnde Damen riesenhaft­e Wummen abfeuern. Und er sucht ein Waffengesc­häft auf, in dem man ihm erklärt, dass das Gefühl, eine Waffe abzufeuern, besser sei »als ein verficktes neugeboren­es Baby« zu haben. Schließlic­h sehen wir ihn im Splitscree­n-Verfahren: Tagsüber operiert der brave Arzt seine Patienten, abends trainiert der Mann mit Waffen. Durchladen, entsichern, zielen. Auf zweierlei Art, so lernen wir, operiert er nun, um Menschenle­ben zu retten: Er operiert Verletzte und Kranke mit Skalpell und Schere, und er operiert des Nachts mit einem Revolver das Krebsgesch­wür der Übeltäter aus der Gesellscha­ft heraus.

In der Folge räumt Dr. Kersey nach Feierabend auf den Straßen Chicagos ein bisschen auf, was ihm ein wenig Erleichter­ung verschafft: Verbrecher abknallen, ihnen etwas über den Schädel ziehen, eigene Fleischwun­den mit einem Tacker bearbeiten. Männersach­en eben. Auch seine Therapeuti­n freut sich über das zurückgeke­hrte Wohlbefind­en ihres Patienten: »Was immer Sie auch in Ihrer Freizeit tun, machen Sie damit weiter!«

Wer sich noch an die 70er Jahre erinnert, wird bei all dem an den beliebten Selbstjust­iz-Thriller »Ein Mann sieht rot« (im Original: »Death Wish«, USA 1974) mit Charles Bronson in der Titelrolle denken. Nicht zu unrecht, schließlic­h haben wir es hier mit einer Neuverfilm­ung des Stoffs zu tun.

Eli Roth, den Regisseur dieses Remakes, kennen wir von Schockern wie »Hostel« oder »Cabin Fever«. Sein neuer Selbstjust­iz-Reklamefil­m müsste Trump ganz gut gefallen.

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