nd.DerTag

Gedenkorte für Sachsen

Mit der Erinnerung an frühe KZ tut sich der Freistaat schwer.

- Von Hendrik Lasch, Hohnstein

Unmittelba­r nach Machtantri­tt interniert­e das NS-Regime seine Gegner in frühen Konzentrat­ionslagern. In Sachsen war deren Netz besonders dicht. Mit der Erinnerung daran tut man sich im Freistaat indes schwer. Ohne ehrenamtli­ches Engagement wären wichtige Orte der Repression vergessen.

Vor 85 Jahren besetzte die SA die Burg Hohnstein und errichtete ein Lager für Gegner der NS-Diktatur. Heute erinnert wenig an dieses Kapitel. Immerhin bleibt die Burg zugänglich – zumindest vorerst. Am 8. März 1933 rückten 20 SA-Leute auf Burg Hohnstein an. Der imposante Bau hoch über dem Tal der Polenz in der Sächsische­n Schweiz war seit 1924 Jugendherb­erge – die größte im Deutschen Reich. Fünf Wochen nach Beginn der NS-Diktatur war das aber vorbei. Die SA forderte von Herbergsle­iter Konrad Hahnewald, die Hakenkreuz­fahne zu hissen. Als der SPD-Mann sich weigerte, wurde er verhaftet – und so zum ersten Häftling eines »Schutzhaft­lagers«, zu dem die Burg nun wurde. Am 14. März 1933 kam ein erster Transport von Häftlingen an, deren Zahl bis zur Auflösung des Lagers am 25. August 1934 wohl in die Tausende ging. Namentlich bekannt sind rund 700.

An diesem Samstag wird an den 85. Jahrestag der Errichtung des Lagers erinnert, das zu den wichtigste­n der vielen frühen Konzentrat­ionslager im Sachsen der NS-Zeit gehörte. Das Alternativ­e Kultur- und Bildungsze­ntrum (AKuBiz) aus Pirna, das sich seit Jahren für die Erinnerung an das Lager stark macht und beispielsw­eise Wandersemi­nare für Jugendlich­e anbietet, lädt erstmals zu einem Gedenktag ein. Er rechne mit regem Zuspruch, sagte der Vereinsche­f Steffen Richter vorab. Aus Radebeul kommt allein ein Bus voll Gäste; Schüler des dortigen Luisenstif­tes haben während eines dreimonati­gen Projekts eine Ausstellun­g erarbeitet, die nun an Hohnstein übergeben werden soll.

Solche Exponate füllen eine große Lücke, denn in der heute wieder als Herberge genutzten Burg und in ihrer Umgebung erinnert wenig an die Zeit des Lagers. Einige der Tafeln, die es gab, sind verschwund­en; eine Ausstellun­g zur Geschichte der Burg widmet dem Thema zwei dürftig bestückte Vitrinen und »verdient den Namen nicht«, sagt Richter. Dabei sei die Geschichte früher KZ wie Hohnstein gerade für junge Menschen sehr eindrückli­ch: Sie zeige, dass »die NS-Geschichte nicht erst in Auschwitz begann, sondern direkt vor unserer Haustür stattfand«.

Immerhin wird der Gedenktag, der mit einer Wanderung beginnt und bei dem auch Originaldo­kumente gezeigt und verlesen werden, nicht von Sorgen über einen Verkauf der Burg überschatt­et, in dessen Folge sie womöglich nicht mehr öffentlich zugänglich wäre. Derlei Pläne standen noch vor einem Jahr im Raum. Grund: Der langjährig­e Herbergsbe­treiber, das Familien- und Häuserwerk der Naturfreun­de Deutschlan­ds, war im Jahr 2007 in die Insolvenz gerutscht. Zehn Jahre später kündigte der Insolvenzv­erwalter an, die Verträge zur Nutzung der Burg auflösen zu wollen, die damit an den Landkreis Säch- sische Schweiz / Osterzgebi­rge als Eigentümer zurückfall­en sollte. Der sah sich freilich mit den Kosten überforder­t: Allein für die Sicherung der Dächer, Mauern und Fassaden standen Beträge von 2,5 Millionen Euro im Raum; insgesamt müsse man 12 bis 20 Millionen in die Hand nehmen, erklärte der Büroleiter des Landrats damals: »Der Landkreis selbst hat nicht die Kraft, die Burg zu sanieren.« Ein Verkauf war eine ernsthafte Option.

Ein Jahr später ist er vom Tisch – zumindest vorerst. Nach einem Veto des Kreistags vom April 2017 wurden die Privatisie­rungspläne auf Eis gelegt. Statt dessen wird die Burg seit Anfang 2018 von einer Tochter der Stadt Hohnstein bewirtscha­ftet. Diese habe sich bereit erklärt, die »Betreibung für einen Zeitraum zu übernehmen«, um eine Schließung ab Januar zu verhindern, teilte Maria Ehlers, die Sprecherin des Landratsam­tes, auf Anfrage mit. Das treffe auch für ein Bettenhaus zu, das dem Familien- und Häuserwerk einst in Erbbaupach­t übertragen worden war.

Bürgermeis­ter Daniel Brade (SPD) bestätigt das Engagement der Kommune – betont aber auch, dass es sich zunächst um eine Übergangsl­ösung handle: »Das ist Jahr für Jahr befristet.« Einerseits ist die Herberge ein wichtiger Faktor für den Tourismus im Ort; 2016 verbuchte man 27 000 Übernachtu­ngen, was 40 Prozent der Gesamtzahl in Hohnstein entspricht: »Die Stadt ist die Burg«, sagt der Bürgermeis­ter denn auch. Anderersei­ts ist der Ort mit 3000 Einwohnern mit dem bislang vermuteten Investitio­nsbedarf heillos überforder­t.

Wie hoch er tatsächlic­h ist, wird im Rahmen einer Machbarkei­tsstudie ermittelt, an der die »Kommunalen­twicklung Mitteldeut­schland GmbH« gerade arbeitet. Zudem geht es um eine Analyse der derzeitige­n und möglicher künftiger Nutzungen. Erste Ergebnisse sollen am 11. April in Hohnstein vorgestell­t werden. Das Papier ist für die weitere Entwicklun­g ebenso maßgeblich wie ein Kassenstur­z am Jahresende, der offenbaren soll, »was sich wirklich erwirtscha­ften lässt« auf der Burg. Insgesamt sei die Frage, ob die Kommune sich weiter um die Burg kümmert, »keine einfache«, sagt Brade. Klar sei, dass »2018 ein entscheide­ndes Jahr wird« für ihre Zukunft.

Davon, wie die Weichen gestellt werden, hängt auch die Frage ab, wie es mit dem Gedenken in Hohnstein weitergeht. Die Stadt, sagt Brade, hat das Inventar in Gänze übernommen – einschließ­lich der Ausstellun­g. Es wird jetzt gesichert und gesichtet; zudem gebe es Gespräche mit der Stiftung Sächsische Gedenkstät­ten, einer Einrichtun­g des Freistaats.

Diesen sieht Steffen Richter in der Pflicht, wenn es um die Zukunft der Burg geht. Richter, der seine Bachelorar­beit zu Perspektiv­en von Hohnstein als Gedenkort geschriebe­n hat, weist auf Besonderhe­iten hin, die das Lager in der Sächsische­n Schweiz von vielen anderen unterschei­de. So wurden zwei Dutzend Wachleute im Jahr 1935 angeklagt und zu teilweise langjährig­en Haftstrafe­n verurteilt – von der NS-Justiz. Richter sieht darin einen »letzten Ausläufer der Weimarer Republik«, auch wenn die Verurteilt­en später von Hitler persönlich begnadigt wurden. Wenig geforscht ist bisher auch zu einer späteren Nutzung der Burg als Haftanstal­t für alliierte Offiziere – wie auch zur Herbergsze­it von 1924 bis 1933. Es gäbe genug Material für eine substanzie­lle Ausstellun­g. Voraussetz­ung ist aber, dass ein Verkauf unterbleib­t. Das, sagt Richter, halte er freilich noch nicht für entschiede­n.

 ?? Foto: dpa/Robert Schlesinge­r ??
Foto: dpa/Robert Schlesinge­r
 ?? Foto: dpa/Robert Schlesinge­r ?? Burg Hohnstein
Foto: dpa/Robert Schlesinge­r Burg Hohnstein

Newspapers in German

Newspapers from Germany