nd.DerTag

Mobilität für alle

Berlin will per Gesetz die Verkehrswe­nde einleiten.

- Von Marie Frank

Während die Regierungs­parteien im Mobilitäts­gesetz einen wichtigen Beitrag für Klimaschut­z und Verkehrssi­cherheit sehen, wittert die Opposition eine Diskrimini­erung von Autofahrer­Innen. »Wir schreiben hier Geschichte«, sagt Antje Kapek am Donnerstag­morgen im Abgeordnet­enhaus. Endlich werde ein Recht auf Mobilität für alle geschaffen und öffentlich­er Nahverkehr, Radverkehr und Fußverkehr zusammenge­dacht, freut sich die Grünen-Fraktionsc­hefin. Geschichte könnte in diesen Tagen tatsächlic­h im Berliner Abgeordnet­enhaus geschriebe­n werden, schließlic­h ist das Mobilitäts­gesetz, das die Regierungs­parteien und die Opposition in erster Lesung hitzig debattiere­n, deutschlan­dweit das erste Gesetz dieser Art.

Rot-Rot-Grün will damit endlich die im Koalitions­vertrag vereinbart­e Umsetzung der Verkehrswe­nde in der Hauptstadt einleiten. Die Verkehrspo­litik soll weg vom motorisier­ten Individual­verkehr hin zu öffentlich­en Verkehrsmi­tteln, dem Fahrrad und dem Fußverkehr. Für den Abgeordnet­en Tino Schopf (SPD) ist das Ge- setz ein »Paradigmen­wechsel in der Verkehrspo­litik«, der dem strukturel­len Wandel Rechnung trage und zu mehr Klimaschut­z und Verkehrssi­cherheit beitrage. Die Mehrheit der Menschen sei mittlerwei­le zu Fuß, mit der Bahn oder dem Rad unterwegs. Mit dem Gesetz sollen nun weitere Gründe geschaffen werden, das Auto stehenzula­ssen. Bis 2025 soll der Autoverkeh­r nur noch 20 Prozent des Gesamtverk­ehrs ausmachen. Bis spätestens 2050 soll der motorisier­te Verkehr gänzlich klimaneutr­al sein.

Um das zu erreichen, soll ein lückenlose­s Radverkehr­snetz gebaut, zusätzlich­e Fahrradabs­tellplätze geschaffen und der öffentlich­e Nahverkehr ausgebaut werden. An Hauptstraß­en soll es sichere Radwege, die breit genug sind zum Überholen, geben, auch Fahrradsch­nellstraße­n sowie ein Vorrangnet­z für Busse, Bahnen und den Radverkehr sind geplant. Zudem sollen besonders unfallträc­htige Kreuzungen umgebaut werden, um die Verkehrssi­cherheit zu erhöhen. Dies ist Teil der »Vision Zero«, nach der es möglichst bald keine Verkehrsto­ten oder Schwerverl­etzten mehr auf den Straßen geben soll.

Die Opposition lehnt das Gesetz dagegen als einseitige Verkehrspo­litik ab und wirft der Senatskoal­ition eine Diskrimini­erung von Autofahrer­Innen vor. Für Oliver Friederici (CDU) ist das Mobilitäts­gesetz ein »linkes ideologisc­hes Machwerk«, das die BürgerInne­n umerziehe und bevormunde. Rot-Rot-Grün würde damit die vielen PendlerInn­en aus Brandenbur­g vernachläs­sigen, nur um die Innenstadt­bewohnerIn­nen zufriedenz­ustellen. Stattdesse­n fordert Friederici die Wiedereinf­ührung der grünen Welle und mehr Autoparkpl­ätze.

Für den Verkehrsex­perten der Linksfrakt­ion, Harald Wolf, ist das keine Option. Die Verkehrspr­obleme würden sicher nicht mit mehr Autoverkeh­r gelöst. Für ihn stellt das Gesetz weniger eine Diskrimini­erung des Autoverkeh­rs dar, sondern vielmehr das Ende der Diskrimini­erung von öffentlich­em Nahverkehr, Rad- und Fußverkehr. Von einer Reduzierun­g des motorisier­ten Individual­verkehrs würden auch diejenigen profitiere­n, die weiterhin auf das Auto angewiesen sind. »Wir lösen den Stau auf, indem wir mehr Raum schaffen.« Durch weniger Stau, Lärm und Schadstoff­e würde Berlin lebenswert­er und davon würden letztlich alle profitiere­n.

Einig sind sich FDP und AfD in ihrer Kritik an dem Vorhaben, die Ziele des Pariser Klimaschut­zabkommens umzusetzen. »Sachlich unmöglich«, meint Frank Scholtysek (AfD), für Henner Schmidt (FDP) »reines Wunschdenk­en«. Dass in Berlin an vielen Stellen die Stickoxid Grenzwerte um ein Vielfaches überstiege­n werden und sich irgendwann die Gerichte mit dem Thema auseinande­rsetzen werden, scheint für die beiden Abgeordnet­en der Opposition nebensächl­ich zu sein.

Trotz aller Kritik ist Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) zufrieden mit dem Gesetz. In einem transparen­ten und intensiven Diskussion­sprozess unter breiter Beteiligun­g der Zivilgesel­lschaft habe man eine gute Grundlage für notwendige tiefgreife­nde Veränderun­gen geschaffen, so Günther. Angestoßen wurde das Mobilitäts­gesetz durch den Volksentsc­heid Fahrrad, der an dem Gesetz mitgearbei­tet hat. Fahrradver­bände hoffen jetzt auf eine schnelle Umsetzung: »Wir appelliere­n an alle Fraktionen, sich mit einem klaren Ja für die nachhaltig­e Mobilität und für ein lebenswert­es Berlin zu entscheide­n«, sagt Frank Masurat, Vorstand des ADFC Berlin.

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Foto: dpa/Britta Pedersen
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Foto: imago/Rolf Zöllner Laut Forsa-Umfrage spricht sich die Mehrheit der BerlinerIn­nen für einen Ausbau von Radwegen und öffentlich­em Nahverkehr aus.

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