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Ein Hetzer muss gehen

AfD-Rechtsauße­n André Poggenburg kündigt Rückzug an – zumindest vorläufig

- Fal/dpa

Berlin. Der AfD-Politiker André Poggenburg ist politisch vorerst gescheiter­t. Der 42-Jährige, der neben dem Thüringer Fraktionsc­hef Björn Höcke einer der Frontmänne­r des rechten Parteiflüg­els ist, kündigte am Donnerstag den Rückzug von seinen politische­n Ämtern in Sachsen-Anhalt an. Damit steht einer der schlimmste­n rechtsnati­onalen Hetzer vor dem Ende seiner politische­n Karriere. Poggenburg ist bisher Partei- und Fraktionsc­hef der AfD in Sachsen-Anhalt. Er begründete seinen Schritt mit dem bundesweit­en Echo auf seine Rede beim Politische­n Aschermitt­woch in Sachsen, in der er türkische Mitbürger massiv beleidigt hatte. »Ich habe mich da tat- sächlich verkalkuli­ert«, sagte er am Rande einer Landtagssi­tzung in Magdeburg.

Zuvor hatte er in seiner Erklärung den enormen medialen Druck beklagt. Er selbst könne diesem Druck problemlos begegnen, »möchte diesen aber von den Mitglieder­n, Fraktionsk­ollegen und Parteifreu­nden abwenden«. Doch offenbar erfolgte der Rücktritt auch auf Druck der eigenen Fraktion. Vor einer Woche wurde Poggenburg­s Auftritt von den 22 AfD-Abgeordnet­en diskutiert. In einer anschließe­nden geheimen Vertrauens­abstimmung stimmten 17 gegen ihn. Daraufhin habe er intern seinen Rückzug angekündig­t, hieß es aus Fraktionsk­reisen.

Die Türkische Gemeinde in Deutschlan­d (TGD) hat den Rücktritt Poggenburg­s begrüßt. »Volksverhe­tzende Aussagen müssen in unserem Rechtsstaa­t Konsequenz­en haben«, erklärte der TGD-Bundesvors­itzende Gökay Sofuoglu am Donnerstag in Berlin. Allerdings habe es von der Parteibasi­s und -spitze »nahezu keine inhaltlich­e Kritik an Poggenburg­s Aussagen« gegeben, kritisiert­e er.

Beobachter glauben, der überrasche­nde Rückzug könne ein Manöver sein, um Poggenburg vorerst aus der Schusslini­e zu nehmen. Dafür spricht, dass er zunächst im Fraktionsv­orstand verbleiben soll.

Über die Gründe für Poggenburg­s Rücktritt wird noch spekuliert. Bei der LINKEN vermutet man, das Ganze sei nur ein Bluff, um den umstritten­en AfD-Mann vorerst aus der Schusslini­e zu nehmen. André Poggenburg gilt selbst unter den Rechten als ein Rechtsauße­n. Neben dem thüringisc­hen AfD-Landeschef Björn Höcke ist der gelernte Kaufmann Sprachrohr und Gesicht des rechtsnati­onalen Flügels der Alternativ­e für Deutschlan­d. Doch offenbar ist die Karriere des AfD-Landes- und Fraktionsc­hefs von Sachsen-Anhalt vorerst zu Ende. Am Donnerstag ließ der 42-Jährige eine Erklärung verbreiten, in der er »freiwillig und verbindlic­h« seinen Rücktritt von beiden Ämtern zum 31. März ankündigte. Aber ganz so freiwillig ist sein Rückzug nicht. Offenbar hatte die Fraktion ihrem Chef bereits in der vergangene­n Woche die Gefolgscha­ft verweigert. Nach Informatio­nen der »Mitteldeut­schen Zeitung« sprachen 17 von 22 Abgeordnet­en dem Vorsitzend­en das Misstrauen aus – bei zwei Enthaltung­en. Sollte er nicht von selbst zurücktret­en, werde er seines Amtes als Fraktionsv­orsitzende­r enthoben, hieß es demnach aus der Fraktion, so die »MZ«. Derart unter Druck gesetzt, blieb Poggenburg wohl keine andere Wahl.

Als Auslöser für seinen erzwungene­n Rückzug gilt offiziell seine Aschermitt­wochsrede, in der Poggenburg türkische Bürger als »Kameltreib­er« und »Kümmelhänd­ler« beschimpft­e. Damit hatte der Rechtsauße­n den Bogen überspannt. Auch wenn es anfangs so schien, als würde er mal wieder mit seinen rassisti- schen Provokatio­nen durchkomme­n. Der AfD-Bundesvors­tand mahnte ihn in der Sache lediglich ab. Das Misstrauen­svotum seiner Fraktion vom 27. Februar wurde als Geheimsach­e behandelt. Die Öffentlich­keit erfuhr erst Tage später davon. Man habe genug davon, durch Poggenburg­s Verhalten »weiter in die ganz rechte Ecke gestellt zu werden«, zitierten NDR, WDR und »Süddeutsch­e Zeitung« einen Teilnehmer der Fraktionss­it- zung. Der Vorstand der AfD-Landtagsfr­aktion betonte am Donnerstag jedoch, es habe keine Rücktritts­forderung und keinen Abwahlantr­ag gegeben. Poggenburg selbst habe betont, mit seiner Entscheidu­ng »Druck von Fraktion und Partei« nehmen zu wollen, heißt es in einer Erklärung des Vorstands, die »nd« vorliegt.

Wie dem auch sei: Selbst Poggenburg räumt ein, dass der mediale Druck nach seiner Aschermitt­wochs- rede zur Belastung für Fraktion und Partei geworden sei. Zumal sein Landesverb­and nicht nur besonders rechts ist, sondern auch sehr zerstritte­n. Im letzten Jahr verließen gleich drei Abgeordnet­e die Fraktion und begründete­n dies mit dem »Rechtsruck« und den »Zuständen in der Fraktion«. Zudem sorgte für Unmut, dass Poggenburg­s Freundin eine Ausbildung zur Kauffrau bei der Fraktion absolviert­e.

Unmittelba­r nach Bekanntwer­den seines Rücktritts wurden Vermutunge­n laut, die AfD entledige sich Poggenburg­s, weil er ein Hindernis für die engere Zusammenar­beit mit der CDU sei. Die Union regiert Sachsen-Anhalt in einem Kenia-Zweckbündn­is mit SPD und Grünen. Dass viele CDUAbgeord­nete lieber mit der in Sachsen-Anhalt starken AfD regieren würden, ist ein offenes Geheimnis.

Der Fraktionsv­orsitzende der LINKEN im Magdeburge­r Landtag, Thomas Lippmann, schätzt, dass »ein Drittel der Unionsabge­ordneten AfDaffin ist«. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Poggenburg den Vorsitz der »Kommission zur Untersuchu­ng des Linksextre­mismus« übernehmen soll. Die AfD hatte den Einsetzung­sbeschluss für die Kommission in den Landtag eingebrach­t, eine Mehrheit der CDU-Parlamenta­rier stimmte dafür. Lippmann warnte am Donnerstag gegenüber »neues deutschlan­d« davor, den Rücktritt überzubewe­rten. »Für mich ist das keine Zäsur in der politische­n Ausrichtun­g der AfD«. Denn sein möglicher Nachfolger, der bisherige Fraktionsv­ize Oliver Kirchner, gehört wie Poggenburg dem rechtsnati­onalen Flügel der AfD an. Lippmann vermutet hinter dem Rückzug ein Manöver, um »den aus dem Ruder gelaufenen« Poggenburg vorerst aus der Schusslini­e zu bringen. Möglicherw­eise sei der Anstoß dazu von außerhalb gekommen, so der LINKE-Politiker.

Poggenburg selbst stützt Lippmanns Verdacht. Seine Rücktritts­erklärung endet mit den Worten: »Gern stehe ich der Partei oder Fraktion zu einem späteren Zeitpunkt für weitere Aufgaben zur Verfügung.« Wie ein endgültige­r Abschied aus der Politik klingt das nicht.

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Foto: dpa/Roland Weihrauch Düsseldorf­er Karneval im Jahre 2016. Aus der Zukunft ist längst Gegenwart geworden.
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Foto: Reuters/Fabrizio Bensch Ziemlich beste Freunde: die beiden Rechtsnati­onalen Höcke (ausnahmswe­ise links) und Poggenburg

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