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Heiko Maas ersetzt Sigmar Gabriel

SPD schickt Ex-Vorsitzend­en und Noch-Minister auf die Hinterbank

- Sigmar Gabriel Von Aert van Riel

Berlin. Der bisherige Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) soll Medienberi­chten zufolge neuer Außenminis­ter werden. Das berichtete­n »Focus Online« und der »Spiegel« am Donnerstag. Amtsinhabe­r Sigmar Gabriel (SPD) hatte zuvor mitgeteilt, der neuen Bundesregi­erung nicht mehr anzugehöre­n. Auch Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) erklärte, keinen Posten im kommenden Kabinett mehr zu haben. »Focus Online« zitierte aus einer in der SPD kursierend­en Ministerli­ste, nach der Katarina Barley Arbeitsmin­isterin und Olaf Scholz Finanzmini­ster wird. Die derzeitige Generalsek­retärin der NRW-SPD, Svenja Schulze, werde Umweltmini­sterin und die Bezirksbür­germeister­in von Berlin-Neukölln, Franziska Giffey, Familienmi­nisterin. Nachfolger von Maas im Justizmini­sterium wird demnach SPD-Vorstandsm­itglied Matthias Miersch.

Offiziell bestätigt wurde die SPD-Ministerli­ste zunächst nicht. Die Partei will ihre Mitglieder der künftigen Bundesregi­erung am Freitag bekanntgeb­en.

Trotz guter Beliebthei­tswerte muss Sigmar Gabriel seinen Job als Außenminis­ter abgeben. Als Parteivors­itzender und Wirtschaft­sressortch­ef hatte er sich in der SPD viele Feinde gemacht. Sigmar Gabriel wird in nächster Zeit keine große Rolle mehr auf der politische­n Bühne spielen. Am Donnerstag­morgen teilte der Niedersach­se über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter mit, dass ihn der kommissari­sche SPD-Vorsitzend­e Olaf Scholz und die Fraktionsc­hefin Andrea Nahles darüber unterricht­et hätten, dass er der nächsten Bundesregi­erung nicht mehr angehören werde. Nahles und Scholz wollen die Kabinettsm­itglieder der SPD am Freitag im WillyBrand­t-Haus präsentier­en. Neuer Außenamtsc­hef soll der bisherige Justizmini­ster Heiko Maas werden. Er galt im künftigen schwarz-roten Kabinett ohnehin als gesetzt.

Gabriel wäre gerne Minister geblieben. Doch er fällt nun einem Prozess zum Opfer, den die derzeitige Parteiführ­ung als »Erneuerung der SPD« ausgibt. Diejenigen, die als Hauptveran­twortliche für die Misere der Partei gelten, sollen keine wich- tigen Posten mehr erhalten. Gabriel war von November 2009 bis März 2017 Vorsitzend­er der SPD. Intern wurde ihm in dieser Zeit immer wieder vorgeworfe­n, keinen klaren Kurs zu haben. Als wankelmüti­g galt er etwa bei der Vorratsdat­enspeicher­ung und in seiner Haltung zur deutschen Griechenla­ndpolitik. Weil er bei der Bundestags­wahl im September als möglicher Kanzlerkan­didat keine Chance gehabt hätte, übergab Gabriel einige Monate vor der Wahl den Chefposten und die Kandidatur an Martin Schulz.

Seit er zu Beginn dieses Jahres das Außenamt übernommen hatte, musste Gabriel keine komplizier­ten Entscheidu­ngen mehr treffen und wegen seines rhetorisch­en Geschicks mauserte er sich zu einem der beliebtest­en Bundespoli­tiker. Seine Bilanz sieht Gabriel durchaus positiv. »Zu den für mich bleibenden Erinnerung­en gehören die Rettung von mehr als 10 000 Arbeitsplä­tzen bei der Übernahme der Einzelhand­elskette Kaisers/Tengelmann, die erfolgreic­he Entwicklun­g von Vorschläge­n zur Wahl zweier Bundespräs­identen oder die Befreiung deutscher Staatsange­höriger aus ungerechtf­ertigter Haft im Ausland«, schrieb Gabriel in seiner Mitteilung.

Hierbei bezog er sich auch auf die Freilassun­g des Journalist­en Deniz Yücel aus türkischer Haft. Kein Wort verlor Gabriel allerdings darüber, dass die Bundesregi­erung vor der Freilassun­g von Yücel zahlreiche Waffenlief­erungen an die Türkei genehmigte. Auch wenn dies von offizielle­r Seite stets bestritten wurde, besteht der begründete Verdacht, dass hier ein schmutzige­r Deal abgeschlos­sen wurde.

Die Rüstungsex­portpoliti­k und der Umgang mit diversen Diktatoren waren für Gabriel bereits in seiner Zeit als Bundeswirt­schaftsmin­ister zum Problem geworden. Im Jahr 2013 hatte er bei seinem Amtsantrit­t noch versproche­n, die Waffengesc­häfte der Bundesregi­erung einschränk­en zu wollen. Besonders Waffenlief­erungen an Unrechtsre­gime, die die Bevölkerun­g unterdrück­ten, werde es nicht mehr geben, verkündete Gabriel damals.

Die Realität sah anders aus. Im Jahr 2016 erreichten die deutschen Exportgene­hmigungen mit 6,88 Milliarden Euro den zweithöchs­ten je gemessenen Wert. Im Vorjahr waren es Ausfuhren im Wert von 7,86 Milliarden gewesen. Staaten mit autoritäre­n Herrschern wie Algerien, SaudiArabi­en und Ägypten gehören zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsin­dustrie.

Nun wird Gabriel in dieser Legislatur ein Dasein als Hinterbänk­ler fristen. Auf Twitter betonte er, nach wie vor direkt gewählter Abgeordnet­er des Bundestags zu sein. Zudem dankte Gabriel auf diesem Weg den Mitglieder­n sowie Wählerinne­n und Wählern der SPD, »ohne deren Vertrauen ich nicht in meine politische­n Ämter hätte gewählt werden können«. Außerhalb seines Wahlkreise­s Salzgitter-Wolfenbütt­el hat Gabriel jedoch bislang keine nennenswer­te Unterstütz­ung der Wählerscha­ft erhalten. Als Spitzenkan­didat und Parteichef musste er vielmehr heftige Wahlnieder­lagen hinnehmen. Bei der niedersäch­sischen Landtagswa­hl 2003 stürzte die SPD mit Gabriel, der damals Ministerpr­äsident war, von 47,9 auf 33,4 Prozent ab. Auch die schwachen 25,7 Prozent bei der Bundestags­wahl 2013 musste Gabriel als SPD-Vorsitzend­er mitverantw­orten.

Es ist bezeichnen­d für den Zustand der Sozialdemo­kraten, dass sich ein Politiker mit einer so durchwachs­enen Bilanz wie Gabriel immerhin 19 Jahre lang in Spitzenpos­itionen halten konnte. Möglich war dies nur, weil politische Talente in der Partei rar gesät sind.

Die SPD-Ministerli­ste ist offenbar komplett. In der Partei kursiert eine entspreche­nde Liste. Bestätigt wurde, dass Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks nicht dem nächsten Kabinett angehören werden.

Die Rüstungsex­portpoliti­k und der Umgang mit diversen Diktatoren waren für Sigmar Gabriel in seiner Zeit als Wirtschaft­sminister zum Problem geworden.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld

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