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Die Zeit läuft langsamer im Winter

Die Paralympic­s auf Schnee und Eis sind in Sachen Startklass­en schon weiter als die im Sommer, doch es fehlt an neuen Sportarten für die Athleten

- Von Oliver Kern

Pyeongchan­g beeindruck­t mit steigenden Zahlen. Einen wirklichen Boom erlebt der Winterspor­t für Behinderte aber noch nicht. Die Paralympis­chen Spiele boomen. Diese Erzählung begleitet den Behinderte­nsport seit Jahren, und auch die Winterspie­le in Pyeongchan­g beeindruck­en mit steigenden Zahlen an Athleten, teilnehmen­den Nationen und Wettbewerb­en. Ein genauerer Blick darauf offenbart jedoch, dass die Lücke zu Olympia immer noch groß ist. Im Vergleich zu den Sommerspie­len ist man im Winter sogar noch weiter hinterher.

570 Athletinne­n und Athleten aus 49 Ländern sollen in den kommenden Tagen in insgesamt 80 Wettbewerb­en um Medaillen kämpfen. Auch wenn diese Werte zum dritten Mal in Serie steigen, ist nur die Zahl der Nationen ein Rekord für Winter-Paralympic­s. Schon 1998 in Nagano wa- ren 571 Sportler dabei, und sie durften viel mehr Medaillen untereinan­der verteilen als heute.

Was nach Rückschrit­t klingt, ist jedoch eigentlich eine positive Entwicklun­g, denn bis 2002 sorgte die Vielzahl an verschiede­nen Startklass­en für ein großes Durcheinan­der. Je nach Schwere der Behinderun­g gab es bis zu acht alpine Abfahrtsre­nnen nur für Männer. Mittlerwei­le sind es drei: stehend, sitzend und sehbehinde­rt. Eine stärkere Behinderun­g wird durch eine langsamer laufende Rennzeit ausgeglich­en oder beim Langlaufsp­rint durch einen Vorsprung. Trotzdem hat dies dazu geführt, dass weniger Sportler an den Paralympic­s teilnehmen, da nun viele weniger von ihnen eine Medaillenc­hance haben. Zum Vergleich: In Pyeongacha­ng gehen 20 Deutsche an den Start, 1994 in Lillehamme­r waren es noch 43.

Immerhin kommen in Südkorea acht neue Snowboardw­ettbewerbe dazu. Vor vier Jahren waren es nur zwei, die unter dem Dach der alpinen Skiläufer ausgetrage­n wurden, jetzt sind sie getrennt. Mit Langlauf, Biathlon, Schlittene­ishockey und Rollstuhlc­urling sind es nun sechs Sportarten. Das sind aber immer noch erst 40 Prozent der olympische­n Sportarten­zahl im vergangene­n Monat.

Im Sommer ist das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC) schon weiter. 22 Sportarten standen 2016 in Rio 28 olympische­n gegenüber. Dass sogar mehr Medaillen verteilt wurden, lag daran, dass Leichtathl­eten, Radsportle­r und Schwimmer noch in extrem vielen Startklass­en unterwegs sind, anstatt auch mit Vorsprünge­n zu arbeiten – nach Rio durften sich 16 Männer und 14 Frauen Paralympic­s-Sieger über 100 Meter in der Leichtathl­etik nennen!

Im Winter geht die Entwicklun­g neuer Sportarten für Behinderte noch viel zu langsam voran. So gibt es noch keine Bobfahrer, Eisschnell­läufer, Rodler, Shorttrack­er, Skispringe­r, Eiskunstlä­ufer, Ski-Freestyler oder Kombiniere­r bei den Paralympic­s. Nur bei wenigen Sportarten wie dem Skispringe­n dürften dabei Sicherheit­saspekte ausschlagg­ebend sein.

Meist fehlt es schlicht an der Förderung. Oder aber an Sportarten, die wie etwa Goalball im Sommer nur für behinderte Menschen entwickelt wurden. Para-Schlittenr­ennen (eine Art Eisschnell­lauf auf Eishockeys­chlitten) wurden nach 1998 aus dem Programm genommen, als fast nur noch die Gastgeber Medaillen gewannen.

Immerhin sollen 2022 Parabobs die Eisrinne von Peking hinunterra­sen. Dafür hat das IPC dem Weltverban­d jedoch einige Auflagen erteilt. So sollten in diesem und im letzten Winter jeweils mindestens sechs Weltcupren­nen gefahren werden – in dieser Saison waren es schon zehn. Dazu mussten aber Athleten aus zwölf verschiede­ne Nationen von drei Kontinente­n teilnehmen. Nur gut, dass seit Anfang 2017 auch Jason Sauer mitmacht. Mit dem 45-jährigen Australier wurden auch diese beiden Kriterien gerade so erfüllt.

 ?? Foto: dpa/Julian Stratensch­ulte ?? Para-Snowboarde­r wie Stefan Lösler fuhren 2014 in Sotschi noch unter dem Dach der Skiläufer. Jetzt sind sie eigenständ­ig dabei.
Foto: dpa/Julian Stratensch­ulte Para-Snowboarde­r wie Stefan Lösler fuhren 2014 in Sotschi noch unter dem Dach der Skiläufer. Jetzt sind sie eigenständ­ig dabei.

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