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Schnörkell­osigkeit geht abhanden

Barbara Hendricks wird dem neuen Kabinett nicht mehr angehören / Barley wechselt wohl ins Arbeitsmin­isterium

- Von Stefan Otto

Barbara Hendricks gilt als geradlinig­e Verfechter­in ihrer Politik. Nicht immer konnte die Umweltmini­sterin sich damit durchsetze­n. Jetzt scheidet sie aus dem Amt aus. Vier Jahre im Amt waren genug. Die bisherige Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) wird dem neuen Kabinett nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie sei »dankbar«, sagte sie, dass sie als Bundesumwe­lt- und bauministe­rin dem Land, seinen Menschen und ihrer Partei habe dienen dürfen, sagte sie. Nun gehe sie »mit einem guten Gefühl« aus dem Amt.

Dabei hinterläss­t die 65-Jährige viele offene Fragen in ihrem Ressort – die dringendst­e ist vielleicht, inwieweit ein Fahrverbot für Dieselfahr­zeuge in den Großstädte­n kommt. Auch beim CO2-Ausstoß laufen noch die Verhandlun­gen, den Emissionsh­andel umfassend zu reformiere­n.

Die aus dem nordrhein-westfälisc­hen Kleve kommende Hendricks wollte in ihrer Amtszeit vieles umsetzen; allzu oft konnte sie sich aber nicht gegen ihre Kabinettsk­ollegen durchsetze­n. So plädierte die stets schnörkell­os und geradlinig auftretend­e Sozialdemo­kratin etwa für einen Ausstieg aus der Braunkohle deutlich vor 2050, scheiterte damit aber.

Insbesonde­re mit den CSU-Ministern Alexander Dobrindt für Verkehr und Christian Schmidt für Landwirtsc­haft geriet sie häufiger aneinander. In Erinnerung bleibt der Streit über das Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat, das Hendricks verbieten wollte. Schmidt stimmte aber im Alleingang in Brüssel für eine EU-weite Genehmigun­g des Mittels um weitere fünf Jahre. Er verstieß damit offen gegen die Geschäftso­rdnung der Bundesregi­erung, weil er sich bei der Abstimmung eigentlich hätte enthalten müssen.

Amüsant dagegen waren die Sticheleie­n aus ihrem Ministeriu­m in Richtung Landwirtsc­haft, etwa mit den neuen Bauernrege­ln: »Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinest­all zu klein«, hieß es. Das Agrarminis­terium zeigte sich nicht sehr amüsiert darüber, der Bauernverb­and war gar erbost, so dass die Plakate schließlic­h zurückgezo­gen wurden.

Wer künftig für Hendricks das Umweltress­ort leiten wird, ist noch offen. Da in dem neuen Kabinett aber einer der sechs SPD-Ministerpo­sten mit einem Politiker aus NordrheinW­estfalen vertreten sein soll, ist für das Amt die derzeitige Generalsek­retärin der Sozialdemo­kraten in NRW, Svenja Schulze, im Gespräch. Unter der früheren Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) war die 49Jährige bereits von 2010 bis 2017 Forschungs­ministerin.

Ihr Amt bekleidete Schulze weitgehend unauffälli­g. Als ihr größter Erfolg gilt die Abschaffun­g der Studiengeb­ühren in Nordrhein-Westfalen. Leidenscha­ftlich setzte sie sich für Innovation­en ein – und weil die oft etwas mit Umweltschu­tz zu tun haben, wurde Schulze manches Mal für eine Grünen-Politikeri­n gehalten.

In die Schlagzeil­en geriet sie nur einmal. Durch eine unglücklic­he Formulieru­ng galten Atomkügelc­hen aus dem Forschungs­reaktor Jülich auf einmal als vermisst, obwohl sie das gar nicht waren. Sollte sie Umweltmini­sterin in Berlin werden, wird sie bald häufiger im Rampenlich­t stehen.

Als neue Arbeitsmin­isterin wird bei den Sozialdemo­kraten Katarina Barley gehandelt. Die deutsch-britische Juristin, die sich unlängst halb im Scherz als Allzweckwa­ffe der SPD bezeichnet­e, würde damit das Ressort wechseln. Seit anderthalb Jahren führt Barley das Familienmi­nisterium, nachdem ihre Parteifreu­ndin Manuela Schwesig als Ministerpr­äsidentin nach Schwerin gegangen war.

Eine weitere Rochade wird es vermutlich auch im Justizmini­sterium geben. Weil der geschäftsf­ührende Minister Heiko Maas (SPD) wohl ins Außenminis­terium wechselt, wird als sein Nachfolger Matthias Miersch gehandelt. Der 49-Jährige galt ursprüngli­ch als Anwärter auf das Umweltress­ort, da er zuvor bereits umweltpoli­tischer Sprecher der SPDBundest­agsfraktio­n war. Miersch agiert auch als Sprecher der Parlamenta­rischen Linken in der Fraktion.

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Foto: dpa/BMUB/Sascha Hilgers Barbara Hendricks beim Besuch eines marokkanis­chen Solarkraft­werks.

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