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Unvermarkt­et

- Von Ronny Blaschke, Pyeongchan­g

Als die Kompliment­e über sie hereinbrac­hen, wirkte Andrea Eskau etwas verlegen. »Das ist eine große Ehre«, sagte sie über die Nachricht, die deutschen Paralympie­r an diesem Freitag als Fahnenträg­erin ins Stadion von Pyeongchan­g führen zu dürfen. Schon im nächsten Moment erweiterte sie aber die Perspektiv­e: »Es gibt eine große persönlich­e Beziehung zur Mannschaft. Alle haben die Chance, hier Großes zu leisten.« Das Wort »Ich« kommt in ihren Erzählunge­n nicht allzu oft vor.

Kaum jemand in der Geschichte des deutschen Behinderte­nsports hat aus so begrenzten Möglichkei­ten so viel Erfolg geschöpft wie Eskau. Ob Sommer oder Winter, ob auf dem Handbike, im Biathlon oder als Skilangläu­ferin: Eskau ist die Jahreszeit­en-Springerin schlechthi­n, mit neun paralympis­chen Medaillen, davon sechs in Gold, und zehn WM-Titeln. In Südkorea dürften einige dazukommen: Sie nimmt an sieben Wettbewerb­en teil.

Mit 27 stürzte Andrea Eskau vom Fahrrad, seitdem ist sie querschnit­tsgelähmt. Sport war immer ein zentraler Teil ihres Lebens, vor dem Unfall und danach. An Ehrungen oder Sponsorene­vents nimmt sie dagegen nur ungern teil: »Ich komme aus dem Osten. Wir haben Sport aus Spaß getrieben, wir wollten uns vergleiche­n. Ich liebe die Bewegung und bin gern draußen, ich achte nicht so sehr auf die Vermarktun­g«, sagt sie.

Leistungss­port als Selbstverw­irklichung – diese Haltung muss man sich erst mal leisten können. »Wenn ich vom Sport leben müsste, wäre mein Modell kaum möglich. Wenn Athleten nur durch Medaillen ihre Miete zahlen können, wie weit würden sie dann für den Erfolg gehen?«, fragt sie. Eskau selbst kann Sport und Beruf gut aufeinande­r abstimmen. Im Bundesinst­itut für Sportwisse­nschaft kümmert sie sich um Forschunge­n im Behinderte­nsport.

Nach Pyeongchan­g richtet sie ihren Fokus auf Tokio, den Gastgeber der Sommerspie­le 2020. »Man kann nicht zur gleichen Zeit in beiden Sportarten top sein.« Fürs Handbike muss sie dann mehr auf die Ausdauer achten. Und auf bestimmte Muskeln, die derzeit noch im Wintermodu­s sind.

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Foto: dpa/Jan Woitas Andrea Eskau ist Fahnenträg­erin bei der Paralympic­s-Eröffnung.

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