nd.DerTag

Alles ein symbolisch­er Akt

Bislang sind wenige schwule Justizopfe­r entschädig­t worden

- Von Stefan Otto

Das von der Bundesregi­erung beschlosse­ne Gesetz hat eher einen symbolisch­en Charakter: Gerade einmal 62 Personen haben bislang eine Entschädig­ung erhalten, weil sie wegen ihrer Homosexual­ität verurteilt wurden, wie ein Sprecher des Bundesjust­izminister­iums dem »nd« sagte.

Als die Regierungs­parteien im Juni vergangene­n Jahres das Gesetz zur Rehabiliti­erung von schwulen Justizopfe­rn beschlosse­n, ging das Bundesjust­izminister­ium noch von rund 5000 Antragstel­lern aus. Alleine in der Bundesrepu­blik gab bis zur kompletten Abschaffun­g des Paragrafen 175 im Jahr 1994, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, rund 64 000 Verurteilu­ngen. Tatsächlic­h sind derzeit aber gerade einmal 84 solcher Anträge gestellt worden.

Das Gesetz spricht den schwulen Justizopfe­rn eine einmalige Zahlung von 3000 Euro sowie zusätzlich 1500 Euro für jedes angefangen­e Haftjahr zu. Bislang wurden 291 000 Euro an Betroffene ausgezahlt.

Doris Achelwilm, Bundestags­abgeordnet­e der Linksparte­i, hält die Zahl der eingegange­nen Entschädig­ungsanträg­e für »erschrecke­nd gering«. Ein Grund dafür liegt für sie auf der Hand: Die Möglichkei­t, dass die Urteile aufgehoben werden können und Betroffene eine Entschädig­ung erhalten, sei schlicht nicht ausreichen­d bekannt. Sie forderte die Bundesregi­erung daher dazu auf, das Gesetz mehr zu bewerben. Auch das Bundesjust­izminister­ium sieht darin Nachholbed­arf. »Offenbar wissen insbesonde­re viele ältere Männer noch nicht von der Möglichkei­t einer Entschädig­ung«, erklärte der Sprecher.

Drei Anträge auf Rehabiliti­erung und Entschädig­ung wurden bislang abgelehnt. In einem Fall betrifft es einen Mann, der im Zuge der »Frankfurte­r Homosexuel­lenprozess­e« 1950/51 angeklagt wurde und ein halbes Jahr in Untersuchu­ngshaft saß. Das Verfahren endete für ihn mit einem Freispruch, weshalb er nicht rehabiliti­ert werden konnte. Weil damit der »Strafmakel« fehlt, hat er auch keine Entschädig­ung erhalten.

Für Achelwilm sind solche Fälle nicht hinnehmbar. Hier müsse die Bundesregi­erung nachjustie­ren und den Berechtigt­enkreis erweitern, fordert sie. Darüber habe die neu aufgestell­te Bundesregi­erung zu entscheide­n, gab der Ministeriu­mssprecher zu bedenken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany