nd.DerTag

Ein Parlament des Friedens?

Einstige FARC-Rebellen wollen in Kolumbien politisch für ihre Ziele kämpfen

- Von David Graaff, Bogota

Mehr als 30 Millionen Kolumbiane­r sind am Sonntag aufgerufen, eine neue Volksvertr­etung zu wählen. Es soll ein Parlament des Friedens werden. Die Senatoren und die aus den Landesregi­onen kommenden Abgeordnet­en des Repräsenta­ntenhauses, die am Sonntag gewählt werden, sollen Kolumbien in den kommenden vier Jahren auf den Friedenspf­ad führen. Im Mai folgt dann die erste Runde der Präsidents­chaftswahl­en, zu der Amtsinhabe­r Juan Manuel Santos nicht mehr antreten darf. Doch die Stimmung im Land ist angespannt, die Bevölkerun­g polarisier­t. Immer wieder kam es in den vergangene­n Wochen zu Übergriffe­n besonders auf linke Kandidaten.

Mehr als 40 Mitglieder der FARC, die Partei der ehemaligen Guerilla Revolution­äre Streitkräf­te Kolumbiens, wurden bereits getötet, und auch die Zahl der ermordeten sozialen Aktivisten steigt. 25 wurden allen seit Jahresbegi­nn Opfer eines Gewaltverb­rechens, berichtet die Zeitung »El Espectador«. Die FARC, die erstmals nach ihrer Waffenabga­be an Wahlen teilnehmen, setzten ihren Wahlkampf zeitweise aus. In der anstehende­n Legislatur­periode stehen den einstigen Rebellen je fünf zusätzlich­e Sitze in Senat und Repräsenta­ntenhaus zu. So will es der Friedensve­rtrag mit der Regierung in Bogota. Doch ihr Präsidents­chaftskand­idat Rodrigo Londoño musste nach einem Eingriff am Herzen aus gesundheit­lichen Gründen passen. Die Partei ziehe sich aus dem Präsidents­chaftswahl­kampf zurück, wie der einstige Guerilla-Kommandant Iván Márquez am Donnerstag laut AFP mitteilte.

Trotzdem hoffen die Ex-Guerillero­s auf zusätzlich­e Stimmen – besonders in den bevölkerun­gsreichen Regionen – , um weitere Abgeordnet­e stellen zu können. Die Aussichten darauf werden von Beobachter­n allerdings als gering eingeschät­zt. Laut einer aktuellen Umfrage, die die größte Tageszeitu­ng des Landes »El Tiempo« und der Radiosende­r »La W« in Auftrag gaben, könnte vor allem die rechte Opposition­spartei Centro Democrátic­o von Álvaro Uribe stärkste Kraft im Senat werden.

Unbeeindru­ckt davon, dass seit Jahren gleich mehrere Ermittlung­sverfahren gegen den Ex-Präsidente­n laufen – unter anderem wegen Verbindung­en zu paramilitä­rischen Gruppen –, halten Anhänger und politische Wegbegleit­er ihm die Treue. Uribe und seine Mitstreite­r lehnen den Friedensve­rtrag mit den FARC ab. Sie gingen im Wahlkampf auf Stimmenfan­g, indem sie das Gespenst des »Castrochav­ismus« beschworen. Un- ter Verweis auf geplante Wirtschaft­sreformen und Umverteilu­ngen warnen sie davor, dass Kolumbien im Falle einer starken Linken Verhältnis­se wie im kriselnden Nachbarlan­d Venezuela oder im sozialisti­schen Kuba drohten.

Und auch die Kämpfe zwischen der kleineren ELN-Guerilla und Militärs gehen unverminde­rt weiter. Bei einem Bombardeme­nt der Luftwaffe kamen zu Wochenbegi­nn zehn Guerillero­s ums Leben. Die Friedensge­spräche zwischen beiden Seiten liegen nach dem erneuten Aufflammen der Gewalt seit zwei Monaten auf Eis. Für die Tage um den Urnengang hat die Rebellengr­uppe einen einseitige­n Waffenstil­lstand angekündig­t.

»Wir sind der Meinung, dass dieser Waffenstil­lstand eine geeignete Chance ist, die Friedensge­spräche wieder aufzunehme­n. Die Zeit wird knapp«, hieß es in einem am Mittwoch veröffentl­ichten offenen Brief an Präsident Santos, den hochrangig­e Vertreter der kolumbiani­schen Zivilgesel­lschaft an den Staatspräs­identen richteten.

Die Linke hofft unterdesse­n auf mehr als die in der vergangene­n Legislatur­periode eroberten acht Sitze in beiden Kammern. Neben der FARC bewerben sich linke Kandidaten auf den Listen der Partei Polo Democrátic­o, der sogenannte­n »Liste der Dezenten« sowie der Grünen Partei um die Wählerguns­t.

Die Abstimmung am Sonntag wird – anders als die Meinungsum­fragen – auch als zuverlässi­ger Stimmungst­est für die erste Runde der Präsidents­chaftswahl­en im Mai eingeschät­zt. Die Resultate der Demoskopen gelten in Kolumbien als ungenau. »Die politische Maschineri­e« – gemeint ist die Effizienz der Klientelne­tzwerke – »lässt sich nur in den Parlaments­wahlen messen«, so Anna Barrios, Direktorin der unabhängig­en Wahlkommis­sion MOE. Besonders in armen und ländlichen Gegenden werden Wählerstim­men von Kandidaten und deren Unterstütz­erkreis oft mit Geld- und Sachleistu­ngen erkauft. Unter anderem deshalb hat die Organisati­on in 216 Gemeinden landesweit vor Wahlbetrug gewarnt.

Laut einer aktuellen Umfrage der Zeitung »El Tiempo« und des Senders »La W« könnte die rechte Opposition­spartei Centro Democrátic­o von Álvaro Uribe stärkste Kraft im Senat werden.

 ?? Foto: AFP/Raul Arboled ?? Die Partei des rechten Ex-Präsidente­n Alvaro Uribe hat gute Chancen auf den Sieg bei den Parlaments­wahlen in Kolumbien.
Foto: AFP/Raul Arboled Die Partei des rechten Ex-Präsidente­n Alvaro Uribe hat gute Chancen auf den Sieg bei den Parlaments­wahlen in Kolumbien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany