nd.DerTag

Scheinheil­ige Debatte

- Marie Frank über die radikale Transforma­tion der Liberalen

Es war eine hitzige Debatte im Abgeordnet­enhaus. Zwischenze­itlich wurde es sogar so laut, dass die Opposition­sparteien zur Ordnung gerufen werden mussten. Grund für den Unmut war das von Rot-Rot-Grün erarbeitet­e Mobilitäts­gesetz, das endlich die Verkehrswe­nde in der Hauptstadt einleiten soll. Von der AfD ist man ja mittlerwei­le in solchen Debatten verbale Entgleisun­gen und wüste Beschimpfu­ngen gewohnt, doch auch bei den anderen Parteien redete man sich um Kopf und Kragen. Oliver Friederici von der CDU beschimpft­e SPD, LINKE und Grüne etwa als »Umerziehun­gspolitike­r«, die sich dem Druck der Fahrradlob­by gebeugt hätten. Das kritisiert­e ausgerechn­et auch die FDP, sonst selbst eine Paradeform­ation für Klientelpo­litik. Doch wenn Lobbyisten in Radlerhose­n statt in Anzug kommen, scheinen sie den freien DemokratIn­nen plötzlich nicht mehr geheuer zu sein.

Dabei war mit dem Wandel der FDP zu einer Anti-Lobby-Partei die radikale Erneuerung der Liberalen längst noch nicht zu Ende. Überrasche­nd entdeckte der Unternehme­nsberater und stellvertr­etende Landesvors­itzende der FDP Berlin, Henner Schmidt, seine ökologisch­e Seite. So sei das Mobilitäts­gesetz in Wirklichke­it überhaupt nicht gut für die Umwelt, schließlic­h würden für den Bau von Radwegen wertvolle Bäume gefällt, behauptete der selbst ernannte Naturschüt­zer. Das geht für die auf ökologisch­e Nachhaltig­keit bedachte FDP natürlich gar nicht.

Ein Schelm ist, wer dabei denken sollte, dass es den Marktliber­alen statt um Naturschut­z doch eher um Klientelpo­litik geht – nur eben nicht für die Frauen und Männer in Radlerhose­n, sondern für die viel mächtigere Autolobby.

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Foto: nd/Anja Märtin

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