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»Muss sich erst herumsprec­hen«

Noch sind wenige Fahrgäste mit dem ersten Bürgerbus Sachsen-Anhalts unterwegs

- Von Simon Ribnitzky, Osterburg

Seit kurzem rollt Sachsen-Anhalts erster Bürgerbus durch die Altmark. Vor allem Senioren soll der Kleinbus mit ehrenamtli­chen Fahrern den Alltag erleichter­n. Mit vollen Einkaufstü­ten steigt Margarete Schulze in den Kleinbus. »Diesen Bus finde ich gut – der hält überall und man muss nicht so weit zu den Haltestell­en laufen«, bringt die 80Jährige die Vorteile von Sachsen-Anhalts erstem Bürgerbus auf den Punkt. Sie wohnt im 300-Seelen-Ort Walsleben. Ein eigenes Auto, um zum Einkaufen oder für einen Arzttermin nach Osterburg zu kommen, hat sie nicht. »Ich bin auf meine Kinder angewiesen.« Tagsüber müssen die jedoch arbeiten und das Angebot an regulären Buslinien ist dürftig. Mit dem Bürgerbus kommt sie unkomplizi­ert ins Zentrum, zudem hält der Bus auch direkt vor dem Supermarkt. »Gerade für ältere Leute ist das schon schön.«

Das Prinzip des Bürgerbuss­es: Ehrenamtli­che Fahrer setzen sich in ihrer Freizeit hinters Lenkrad – Bürger fahren also Bürger. Das im Februar gestartete und mit EU-Geldern finanziert­e Projekt ist das erste der Art in Sachsen-Anhalt. Demnächst soll ein Bus in Möser im Jerichower Land folgen. Andere Bundesländ­er haben mehr Erfahrung. In Sachsen rollen die Busse im Vogtland und in Nord- und Ostsachsen. In Nordrhein-Westfalen, wo die Idee entstand, gibt es Bürgerbuss­e seit mehr als 30 Jahren.

Solche Projekte könnten dazu beitragen, dass kleine Orte auch in Zeiten des demografis­chen Wandels lebenswert bleiben, sagt Sachsen-Anhalts Verkehrsmi­nister Thomas Webel (CDU). Gerade in ländlichen Regionen sind die Wege oft weit und Einkaufsmö­glichkeite­n oder Ärzte gibt es oft nur in größeren Orten. Osterburgs Bürgermeis­ter Nico Schulz (CDU) betont, das Projekt stärke auch den nachbarsch­aftlichen Zusammenha­lt.

Acht ehrenamtli­che Fahrer sitzen im Wechsel hinter dem Steuer des Osterburge­r Bürgerbuss­es. Im Rhythmus von zwei Wochen bedient er acht verschiede­ne Routen. Jeden Freitag in ungeraden Kalenderwo­chen ist die Tour Walsleben dran, bei der Lutz Klooß den Bus steuert. »Solange es mir gesundheit­lich gut geht, mache ich das gern«, sagt der 69-Jährige, der im Berufslebe­n in ganz Deutschlan­d auf Montage unterwegs war.

Vor ihrem Einsatz wurden die Fahrer umfangreic­h geschult, berichtet Wolfgang Ball von der Nahverkehr­sgesellsch­aft Nasa, die das Projekt un- terstützt. Dazu gehörte neben einer Gesundheit­suntersuch­ung auch ein Reaktionst­est, wie Fahrer Klooß berichtet. Gemeinsam mit den anderen Fahrern hätte sie zudem die Routen abgefahren, um sich mit Ablauf und Haltestell­en vertraut zu machen.

Auch wenn alle Beteiligte­n das Projekt loben – in den ersten Tagen sitzen nur wenige Fahrgäste im Bus. »Natürlich haben wir nicht erwartet, dass von Beginn an jeden Tag sieben Leute vor der Tür stehen«, sagt Verwaltung­samt-Leiterin Anke Müller. Sie ist zuversicht­lich, dass die Nachfrage rasch wächst. »Das neue Angebot muss sich erst herumsprec­hen, die Leute müssen Vertrauen fassen.«

Ein Blick nach Sachsen zeigt, dass das gelingen kann. Den Bürgerbus im Vogtland gibt es seit einem Jahr, mehr als 10 000 Fahrgäste haben das Angebot schon genutzt. Der Bus stoppt alle paar hundert Meter, damit die Fahrgäste möglichst kurze Wege haben. Das Interesse ist entspreche­nd groß, Leerfahrte­n eine Seltenheit.

Auch der Bürgerbus in Osterburg ergänzt zunächst mit Fahrten am Vormittag den regulären Busverkehr – mit anderer Linienführ­ung und Zusatzhalt­estellen. An Nachmittag­en und am Wochenende soll der Bus Vereinen zur Verfügung stehen. So könnten Kinder zum Sporttrain­ing gebracht werden oder Seniorengr­uppen einen Theateraus­flug machen, sagt Müller.

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Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert Lutz Klooß fährt ehrenamtli­ch den Bürgerbus.

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