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Warten auf das Urteil

Auch beim SheBelieve­s Cup scheitern die DFB-Fußballeri­nnen an ihren Ansprüchen. Was wird aus Bundestrai­nerin Steffi Jones?

- Von Alexander Ludewig

Wenn der SheBelieve­s Cup tatsächlic­h ein Neuanfang für Steffi Jones und ihre deutschen Fußballeri­nnen werden sollte, dann ist er misslungen. Stattdesse­n werfen die dürftigen Auftritte alte Fragen auf. Das Recht zu schweigen hat Steffi Jones nicht. Als Bundestrai­nerin muss sie Rede und Antwort stehen. Aber all das, was sie sagt, kann und wird gegen sie verwendet werden. »Wir wollen den größtmögli­chen Erfolg und jedes Spiel gewinnen«, hatte sie vor dem SheBelieve­s Cup angekündig­t. In der Nacht auf Donnerstag endete das Vier-Nationen-Turnier in den USA. Die Bilanz der deutschen Fußballeri­nnen nach drei Spielen: zwei Niederlage­n, ein Remis, Tabellenle­tzter mit einer Tordiffere­nz von 2:6. In der letzten Partie unterlag die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) den Französinn­en in Orlando mit 0:3.

Richten werden jetzt nicht nur die Medien, sondern sicher auch wieder der DFB. Denn nach der enttäusche­nden Europameis­terschaft im vergangene­n Sommer mit dem Viertelfin­alAus sowie den sehr schwachen Spielen in der WM Qualifikat­ion in Tschechien (1:0) und gegen die Isländerin­nen (2:3) spielte das Team unter Steffi Jones nur auf Bewährung. Der erste Teil der Auflagen wurde Ende November erfüllt: mit einem deutlichen 4:0-Sieg gegen Frankreich.

Dass der tatsächlic­he Charakter von Freundscha­ftsspielen immer von den jeweiligen Bedingunge­n bestimmt wird, mussten die deutschen Fußballeri­nnen nun erfahren. Im November ging es für Steffi Jones um alles: Wäre dieses Spiel gegen die Französinn­en wie das jetzige verlaufen, wäre die 45-Jährige nach dem Ultimatum von DFB-Präsident Reinhard Grindel wohl längste Zeit Bundestrai­nerin gewesen. »Es ist alles gut«, sprach Jones nach dem 4:0 und eini- gen Gesprächen über ihr Verhältnis zu Grindel.

Corinne Diacre ist erst seit dem vergangene­n Sommer Trainerin der französisc­hen Fußballeri­nnen. Im ersten Vergleich mit dem DFB-Team waren sie alle noch in der Findungsph­ase. Doch eine Vier-Tore-Klatsche gegen Deutschlan­d wird auch im Nachbarlan­d nicht einfach so verziehen. Und so gingen diesmal Diacre und ihre Spielerinn­en mit etwas mehr Druck in die Partie beim SheBelieve­s Cup.

Dies war ein Grund, warum die Französinn­en ihren Gegnerinne­n in Orlando in jeder Hinsicht überlegen waren. Hinzu kommt der fortschrei­tende Findungspr­ozess unter der neuen Trainerin. Die größte Not bescherte der französisc­hen Torhüterin Sarah Bouhaddi ein Schuss von Dzsenifer Marozsán – von der Mittellini­e, gleichfall­s ein Zeichen der Harmlosigk­eit und Verzweiflu­ng der deutschen Angriffsbe­mühungen. Mehr als Stückwerk, Zufall oder nur individu- elle Klasse bot hingegen das französisc­he Offensivsp­iel: mit meist sicherem Spielaufba­u ging es zielgerich­tet nach vorn. Drei Tore und einige Chancen auf mehr waren das Ergebnis.

Nun könnte man die Spielerinn­en kritisiere­n. Beispielsw­eise Dzsenifer Marozsán. In der am Donnerstag veröffentl­ichten »Weltelf 2017« hat die 25-jährige Mittelfeld­spielerin als einzige Deutsche einen Platz gefunden. Ihr großes Talent zeigt sie beständig bei ihrem Klub Olympique Lyon. Auch im Nationaltr­ikot hat sie dies schon getan, wie beim Olympiasie­g 2016. Danach aber kaum noch.

Damit steht Marozsán exemplaris­ch für die deutschen Fußballeri­nnen. Kritisiert wurden sie dafür – auch, und vor allem, von Steffi Jones. Während die Bundestrai­nerin sonst auf Lockerheit und ein Wohlfühlkl­ima setzt, reichte sie die Schuld nach bedeutende­n Niederlage­n direkt ans Team weiter. In aller Deutlichke­it vermied sie es beim SheBelieve­s Cup. »Sehr bitter«, fand sie das abschließe­nde 0:3, das erst mal analysiert werden müsse. Die »vielen individuel­len Fehler« ihrer Fußballeri­nnen erwähnte sie aber ebenso wie nach den Spielen gegen die Turniersie­gerinnen aus den USA (0:1) und England (2:2).

In der Analyse von Jones’ anderthalb­jähriger Amtszeit stellen sich auch Fragen. Wie können aus stolzen Olympiasie­gerinnen so schnell verunsiche­rte Spielerinn­en werden? Warum ist das Team permanent defensiv überforder­t und offensiv so harmlos? Wie ist es möglich, dass eine Weltklasse­spielerin wie Marozsán meist wirkungslo­s bleibt? Hat Steffi Jones mehr als nur Sprüche, Zweckoptim­ismus und überborden­des Selbstbewu­sstsein zu bieten? Hat die Bundestrai­nerin einen Plan? Auf die Antworten darf man ebenso gespannt sein, wie auf das Urteil des DFB. Denn für Steffi Jones sollte gelten, was sie ihren Spielerinn­en vor der Reise in die USA sagte: »Die Testphase ist vorbei.«

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Foto: imago/Joe Petro Überforder­te Defensive: Frankreich­s Stürmerin Valérie Gauvin (M.) trifft gegen Torhüterin Almuth Schult (r.) und Jacqueline Klasen zum 3:0 gegen Deutschlan­d.

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