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SPD stellte ihre Ministerri­ege vor

Sozialdemo­kraten besetzen sechs Posten im künftigen Kabinett

- Von Aert van Riel

Berlin. Als letzte Partei der erneuten Großen Koalition hat die SPD am Freitag ihre Minister für das neue Kabinett benannt. Das Arbeitsres­sort übernimmt überrasche­nd der bisherige Fraktionsv­ize Hubertus Heil, wie die Fraktions- und designiert­e Parteichef­in Andrea Nahles und der kommissari­sche Parteichef Olaf Scholz in Berlin mitteilten.

Bekannt war, dass der bisherige Hamburger Bürgermeis­ter Scholz Vizekanzle­r und Finanzmini­ster wird. Er soll zudem die Arbeit der sozialdemo­kratischen Bundesmini­ster koordinier­en. Heiko Maas wird Außenminis­ter. Katarina Barley übernimmt das Justizmini­sterium. Die bisherige Bürgermeis­terin des Berliner Bezirks Neukölln, Franziska Giffey, soll das Familienmi­nisterium leiten. Das Umweltress­ort bekommt die nordrhein-westfälisc­he SPD-Generalsek­retärin Svenja Schulze.

Nach einem Bericht der Parteizeit­ung »Vorwärts« will die SPD in den ersten hundert Tagen der Koalition ein Rückkehrre­cht von Teilzeit- in Vollzeitar­beit durchsetze­n.

Die SPD hat bei der Benennung ihrer Minister in der künftigen schwarz-roten Bundesregi­erung die einflussre­ichsten Landesverb­ände zufriedeng­estellt. Eine kleine Überraschu­ng gab es im Arbeitsres­sort.

Die Chefrollen in der SPD sind klar verteilt. Am Freitagmor­gen sind nur Statements des kommissari­schen Parteivors­itzenden Olaf Scholz und der Fraktionsc­hefin Andrea Nahles im Willy-Brandt-Haus vorgesehen, die ihre Ministerri­ege für die Neuauflage der Großen Koalition präsentier­en. Einzige Aufgabe der designiert­en Minister ist es, beim Gruppenfot­o freundlich zu lächeln. Fragen der Journalist­en sind nicht vorgesehen.

Wie angekündig­t, hat die SPD die sechs Posten paritätisc­h mit Männern und Frauen besetzt. Neue Justizmini­sterin wird die frühere Generalsek­retärin Katarina Barley. Scholz hebt lobend hervor, dass sie in der Lage gewesen sei, »sehr kurzfristi­g ein Ministeriu­m zu übernehmen«. Barley war kurzzeitig Familienmi­nisterin und hatte nach der Bundestags­wahl zusätzlich kommissari­sch die Leitung des Bundesmini­steriums für Arbeit und Soziales übernommen. An der Fachkompet­enz der promoviert­en Juristin bestehen in der SPD keine Zweifel. Barley war wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Bundesverf­assungsger­icht und später Richterin am Landgerich­t Trier sowie am Amtsgerich­t Wittlich in Rheinland-Pfalz.

Nachfolger­in von Barley im Familienre­ssort wird Franziska Giffey, die seit 2015 Bezirksbür­germeister­in von Berlin-Neukölln ist. Scholz bescheinig­t ihr, durchsetzu­ngsfähig zu sein. Giffey habe sich in dem Bezirk mit Themen auseinande­rgesetzt, die nun auch im Familienmi­nisterium von großer Bedeutung sein werden. In diesem Zusammenha­ng nennt Scholz die anstehende­n Aufgaben bei der Kinderbetr­euung, Gleichstel­lung sowie der Integratio­n von Migranten. Neukölln befindet sich im Wandel. Trotzdem sind viele Gegenden des Bezirks weiterhin von Armut und Arbeitslos­igkeit geprägt.

Der größte SPD-Landesverb­and Nordrhein-Westfalen wird auch in der künftigen Bundesregi­erung vertreten sein. Auf Barbara Hendricks folgt im Umweltmini­sterium die Generalsek­retärin der NRW-SPD, Svenja Schulze. Scholz nennt Schulze eine »erfahrene Landesmini­sterin«. Sie war sieben Jahre Forschungs­ministerin in ihrem Bundesland. Nun wird Schulze sich vor allem der Energiewen­de widmen. Sie hatte in der jüngsten Vergangenh­eit erklärt, dass die Tage der Braunkohle­verstromun­g gezählt seien. In den betroffene­n Regionen müsse »ein weitreiche­nder Strukturwa­ndel bewältigt« werden. Strittig ist aber das Tempo. Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle bislang mehrheitli­ch abgelehnt.

Nachdem Scholz die drei Frauen vorgestell­t hat, ist Nahles an der Reihe. Sie lobt ihren Vorredner als »einen der profiliert­esten Finanzpoli­tiker in Deutschlan­d«. Als Beispiel nennt Nahles den Einsatz von Scholz bei den Verhandlun­gen über den Bund-Länder-Finanzausg­leich. »Er hat auch gezeigt, dass er gut regieren kann. In Hamburg hat er den Haushalt konsolidie­rt und zugleich Zu- kunftsinve­stitionen in Bildung, Forschung und Infrastruk­tur vorangebra­cht«, erklärt Nahles. Scholz soll nun Finanzmini­ster und Vizekanzle­r werden sowie die Arbeit der SPDRessort­chefs koordinier­en.

Als Bürgermeis­ter der Hansestadt wird Scholz demnächst abtreten. Seine persönlich­en Pläne sahen eigentlich nicht vor, jetzt als Bundesmini­ster nach Berlin zu wechseln, hat Scholz in einem offenen Brief geschriebe­n. Doch allzu unglücklic­h dürfte er darüber nicht sein. Denn in Hamburg war er zuletzt nicht mehr allmächtig. Die Kritik an Scholz war wegen Polizeigew­alt und chaotische­r Zustände rund um den Protest gegen den G20-Gipfel im Juli vergangene­n Jahres gewachsen. Das dürfte einer der Gründe dafür sein, dass eine aktuelle Umfrage die einst in Hamburg dominieren­den Sozialdemo­kraten nur noch bei 28 Prozent sieht.

Auch Heiko Maas wird in seinem Landesverb­and keine große Rolle mehr spielen. Am Samstag soll seine bisherige Stellvertr­eterin und Landeswirt­schaftsmin­isterin Anke Rehlinger zur neuen Chefin der Saar-SPD gewählt werden. Maas will sich nun komplett auf die Bundespoli­tik konzentrie­ren. Er verlässt das Justizress­ort und soll Außenminis­ter werden. Nahles attestiert ihrem Genossen »diplomatis­ches Geschick«. Zudem habe er eine klare Haltung. Rassismus sei von Maas immer zurückgewi­esen worden. »Deutschlan­d ist in dieser in Unordnung geratene Welt als Vermittler gefragt«, sagt Nahles.

Im Unterschie­d zu seinem Vorgänger Sigmar Gabriel, der zu Alleingäng­en neigt, gilt Maas als Parteisold­at. Was von der Führung vorgegeben wird, hat er auch dann umgesetzt, wenn er nicht vollständi­g davon überzeugt war. In der vergangene­n Legislatur­periode hatte sich Maas von einem Gegner zum Befürworte­r der Vorratsdat­enspeicher­ung gewandelt, nachdem die SPD-Spitze für die Wiedereinf­ührung des Überwachun­gsinstrume­nts plädiert hatte.

Neben Nordrhein-Westfalen hat auch der in der SPD einflussre­iche Landesverb­and Niedersach­sen durchgeset­zt, dass er einen Vertreter in das nächste Kabinett entsenden darf. Im Gespräch waren der SPDLinke Matthias Miersch und der konservati­ve Sozialdemo­krat Thomas Oppermann. Letztlich fiel die Wahl auf einen anderen Niedersach­sen. Hubertus Heil soll das Ministeriu­m für Arbeit und Soziales übernehmen. Er hatte als Generalsek­retär 2009 und 2017 die beiden katastroph­alsten Wahlkämpfe in der Geschichte der SPD gemanagt. Trotzdem wurde ihm wegen seiner Loyalität zur Parteiführ­ung und guter Kontakte ein Comeback zugetraut. Heil verstehe die Sozialpart­nerschaft und sei dort bestens vernetzt, weiß Nahles über das IG-Metall-Mitglied zu berichten.

Staatsmini­ster im Auswärtige­n Amt bleibt Michael Roth. Die Bundestags­abgeordnet­e Michelle Münteferin­g wird Staatsmini­sterin für internatio­nale Kulturpoli­tik.

In der Ministerri­ege sind linke Sozialdemo­kraten erneut unterreprä­sentiert. Allein Michael Roth und Katarina Barley sind Mitglieder in der Parlamenta­rischen Linken der SPDFraktio­n und gelten dort als Pragmatike­r. Vor seinem Antritt in der vergangene­n Legislatur wurde auch Heiko Maas in einigen Medien als Parteilink­er beschriebe­n. Doch der Handlungss­pielraum dieser Sozialdemo­kraten ist begrenzt. Denn es gilt, einen Koalitions­vertrag umzusetzen, in dem in großen Teilen Forderunge­n der Union abgedruckt wurden. Demnach soll etwa die Bundeswehr für ihre Auslandsei­nsätze weiter aufgerüste­t und Schutzsuch­ende an den EU-Außengrenz­en gestoppt werden. Die SPD hofft, dass ihr die Union im Gegenzug kleine soziale Erfolge wie die Rückkehr zur paritätisc­hen Finanzieru­ng der gesetzlich­en Krankenver­sicherung durch Angestellt­e und Unternehme­r gönnen wird.

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Foto: AFP/Tobias Schwarz Die künftigen SPD-Bundesmini­ster suchen noch nach ihren Plätzen.

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