nd.DerTag

Rechtsstaa­t ohne Völkerrech­t?

Sebastian Bähr findet die Abkehr von politische­n Grundwerte­n beunruhige­nd

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Einige mögen das internatio­nale Völkerrech­t für naiv oder aus der Mode gekommen halten; für die von Tod und Missbrauch Bedrohten in den unzähligen Krisenherd­en der Welt ist es oft die einzige Rechtsordn­ung, auf die sie sich berufen können. Die Bundesregi­erung selbst pocht immer wieder darauf, dass die mühsam errungenen Regelungen eingehalte­n werden, im Blick hatte sie dabei in der Vergangenh­eit die Krim, das syrische OstAleppo oder jüngst Ost-Ghouta. Das dortige Leid ist real – mit jedem moralische­n Fingerzeig wird jedoch deutlicher, dass Berlins Humanismus nur bei ideologisc­h und strategisc­h passenden Konflikten Anwendung findet.

Einige aktuelle blinde Flecken: Die Türkei führt mit deutschen Waffen im nordsyrisc­hen Afrin Krieg und ist kurz davor, eine Großstadt einzuschli­eßen. Die EU-geförderte libysche Küstenwach­e attackiert seit Monaten Seenotrett­er und zwingt Fliehende zurück in das Bürgerkrie­gsland. Die USA koordinier­en von der in Deutschlan­d liegenden Luftwaffen­basis Ramstein aus regelmäßig Drohnenein­sätze in verschiede­nen Ländern.

In allen drei Fällen erklärte sogar der wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s – nicht bekannt für »Gutmensche­ntum« – , dass ein Verstoß oder eventuell ein Verstoß gegen das Völkerrech­t vorliegt. Berlin zeigt demonstrat­iv seine Gleichgült­igkeit – eine sehr beunruhige­nde Entwicklun­g.

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