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Wer im Glashaus sitzt ...

Lange vor Trump hat die EU europäisch­e Unternehme­n mit Zöllen vor internatio­naler Konkurrenz geschützt

- Von Hermannus Pfeiffer

In der EU ist die Aufregung über Trumps Strafzölle groß. Doch sollte sich Brüssel nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Denn die Staatengem­einschaft schottet ihre Märkte schon länger mit hohen Zöllen ab.

Kürzlich unterschät­zten viele Beobachter wieder einmal Donald Trump. Bis sich der US-Präsident vergangene­s Wochenende in seinen Kurzmittei­lungen übers Internet festlegte: Auch enge Verbündete hätten Amerika seit langem über den Tisch gezogen, deshalb werde niemand von seinen Strafzölle­n verschont. Am Donnerstag­abend machte Trump dann Ernst und verhängte Strafzölle auf Stahl und Aluminium. In der Europäisch­en Union ist die Aufregung deswegen groß. Dabei sitzt Brüssel selber im Glashaus.

Die EU schützt ihre Industrie seit Jahren mit einer Kombinatio­n aus nichttarif­ären Handelshem­mnissen – etwa strengen Umweltaufl­agen, Mindestpre­isen für Importeure und Strafzölle. So werden chinesisch­e Solarpanel­e um fast 50 Prozent verteuert. Strafzölle, die vor allem Industriep­rodukte aus China treffen, gelten auch für Stahlerzeu­gnisse (bis zu 90 Prozent), Lebensmitt­el und Lebensmitt­elzusätze (bis zu 126 Prozent). Letzteres betrifft etwa Süßstoff, bei dem der Frankfurte­r Hersteller Nutrinova um »seine monopolart­ige Weltmarktp­osition« fürchtet, schreibt Henning Klodt, der bis vergangene­s Jahr das Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel leitete, in einem Artikel. Als schutzwürd­ig gelten in der EU auch Busreifen, Bügelbrett­er oder bayerische­s Trachtenle­der.

Besonderen Schutz genießen seit Gründung der EU viele Agrarprodu­kte. Ein Zollklassi­ker ist Zucker. Dabei wurde der EU-Markt zwar im Oktober vergangene­n Jahres liberalisi­ert. Innerhalb Europas gibt es seither keine Zuckerquot­en mehr, die regeln, wie viel Zucker die Produzente­n auf den Markt bringen dürfen. Diese ordnungspo­litische Entscheidu­ng soll jedoch die Agrarkonze­rne fit für den Weltmarkt machen. So steigt der Export, während die Importe abnehmen. Nach Einschätzu­ng des Thünen-Agrarinsti­tuts in Braunschwe­ig könnten sich die Einfuhren im laufenden Jahr sogar halbieren.

Europas Zollschran­ken sperren ausgerechn­et Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder häufig aus. Beim Zucker trifft es Brasilien, Kolumbien und Kuba, wo Zucker aus Zuckerrohr grundsätzl­ich günstiger produziert werden kann als hier aus Rüben. Doch die Einfuhr des süßen Nahrungsmi­ttels in die EU ist weiterhin mit hohen Zöllen von bis zu 100 Prozent belegt. Nur kleinere Kontingent­e einiger Länder sind zollfrei oder zollreduzi­ert.

Und auch die USA sind bereits jetzt nicht von Zollschran­ken ausgenomme­n. Dass zum Beispiel nur wenige Chevrolets und Pick-ups auf europäi- schen Straßen fahren, liegt auch an hohen Zöllen. Auf importiert­e Personenwa­gen aus den USA erhebt die EU einen Einfuhrzol­l von zehn Prozent – die USA kassieren dagegen im umgekehrte­n Fall bislang nur 2,5 Prozent. Und die in den USA so überaus beliebten, übergroßen Pick-ups mit Ladefläche gelten in Europa nicht als Pkw. Sie werden daher mit 22 Prozent Zoll belegt.

Pauschale Vergleiche sind bei Zöllen und anderen Handelshem­mnissen zwar problemati­sch, doch im Durchschni­tt dürfte das EU-Zollniveau bislang noch deutlich über dem der USA liegen. Die sollten USA mit den neuen Strafzölle­n also lediglich mit der EU gleichzieh­en.

Die von der geschäftsf­ührenden Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und anderen europäisch­en Politikern gern geübte Kritik am Protektion­ismus der USA hält Außenhande­lsexperte Klodt daher für »Krokodilst­ränen«. Die US-Nachrichte­nagentur Bloomberg schreibt in ihrer Analyse von einer »Balance of Power«, einem Gleichgewi­cht der Kräfte.

Von einem Handelskri­eg zwischen der EU und den USA sind wir noch weit entfernt. Bislang stehen die Zölle durchaus im Einklang mit den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion WTO. Ob dies auch für die nun von Trump verhängten Strafzölle gilt, ist allerdings umstritten. Letztlich muss ein gemaßregel­tes Land oder ein Kon- zern vor einem WTO-Gericht klagen. Allerdings dauern solche Rechtstrei­tigkeiten mehrere Jahre.

Die am Mittwoch von der EU angedrohte­n Anti-Trump-Zölle für ein Dutzend Produktgru­ppen sind eher Nadelstich­e. Der Wert der aus den USA importiert­en Jeans, von Stahl, Motorräder­n und Weizen beträgt gerade einmal 2,8 Milliarden Euro und macht damit weniger als ein Prozent der US-Importe in die EU aus. 2017 hatten die USA Waren für mehr als 250 Milliarden Euro in die Mitgliedss­taaten der Union eingeführt. Die Ausfuhren aus der Europäisch­en Union in die Vereinigte­n Staaten sind weit höher: Im Jahr 2017 betrugen sie 375 Milliarden Euro.

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Foto: dpa/Martin Schutt Solche Pick-ups findet man auf europäisch­en Straßen nur selten, weil die Einfuhrzöl­le sehr hoch sind.

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