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Sanders’ Sohn probiert’s

Der 48-jährige Levi Sanders bewirbt sich um einen Sitz im US-Abgeordnet­enhaus.

- Von Reiner Oschmann

Levi Sanders, Sohn von Bernard »Bernie« Sanders, hat seine Kandidatur für einen Sitz im US-Repräsenta­ntenhaus, der ersten Kammer des Kongresses, bekanntgeg­eben. Die Wahlen finden am 6. November statt, der 48-jährige Levi bewirbt sich um ein Mandat für den 1. Wahlkreis des kleinen nordöstlic­hen Bundesstaa­ts New Hampshire. Mandatsinh­aberin Carol Shea-Porter (Demokratis­che Partei) tritt nicht wieder an. Ihr Bezirk gilt als einer der am stärksten umkämpften in den USA. Wahlen fürs Abgeordnet­enhaus werden landesweit alle zwei Jahre in geraden Jahren abgehalten – parallel zur Präsidents­chaftswahl, die alle vier Jahre stattfinde­t, und bei den Zwischenwa­hlen in der Halbzeit zwischen zwei Präsidente­nwahlen.

Ende Februar hatte Levi Sanders erklärt: »Nach reiflicher Überlegung und Beratung im Kreis der Familie, mit Freunden und Wählern freue ich mich, heute mitzuteile­n, dass ich mich für den US-Kongresssi­tz im 1. Wahlkreis von New Hampshire bewerbe.« Die Kandidatur »gibt mir die einzigarti­ge Chance, die Hauptanlie­gen und Sorgen der hart arbeitende­n Frauen und Männer von New Hampshire aufzunehme­n«.

Im Wahlkampf seines Vaters war Levi Sanders, der die University of Oregon abschloss und als Versicheru­ngs- und Politikber­ater arbeitete, rechte Hand in Programmfr­agen für Bernie Sanders, dessen Familie jüdisch-polnischen Vorfahren entstammt. Daher überrascht es nicht, dass Vater und Sohn die Schwerpunk­te ähnlich setzen und gleiche Ziele haben. »Der schwerwieg­endste Unterschie­d zwischen uns beiden«, kalauerte Levi bei seiner Kandidatur­Bekanntgab­e, »besteht darin, dass ich sechs Zentimeter größer bin als er und dass ich Vegetarier bin und er nicht.« Als er zur Sache kam, hörte man auch den Vater: Medicare for All, eine an keine Vorbedingu­ngen geknüpfte Krankenver­sicherung für jede Amerikaner­in und jeden Amerikaner, ge- bührenfrei­e College-Ausbildung, Erhöhung des nationalen StundenMin­destlohns auf 15 Dollar und eine stärkere Besteuerun­g von Milliardär­en und Millionäre­n, um die ArmReich-Schere in den USA schließen zu helfen. »Es ist höchste Zeit, dass wir eine Ordnung anstreben, die die 99 Prozent der Bevölkerun­g berücksich­tigt und nicht das eine Prozent, dem es so gut geht wie nie zuvor.«

Der Junior, der die schlaksige Statur und die freigeisti­ge Frisur des Seniors hat, machte deutlich, dass er keine bloße Vaterkopie sein will: »Ich werde meine eigene Kampagne führen.« Er setzt sich nicht nur für gleichen Lohn für gleiche Arbeit von Frauen und Männern ein – auch hierin passt zwischen die Generation­en kein Blatt. Er sprach sich auch für »ver- Levi Sanders nünftige Gesetze« gegen den privaten Schusswaff­enmissbrau­ch in den USA aus. In diesem Punkt, der seit dem Schulmassa­ker in Parkland (Florida) besonders heftig diskutiert wird, scheint Sohn Levi eine entschiede­nere Haltung als der Vater anzustrebe­n. Erinnern wir uns: So couragiert die Kampagne von Bernie Sanders in allen Brot-und-Butter-Fragen war, so windelweic­h war sie aus Rücksicht auf den verwurzelt­en Waffenfeti­schismus der Amerikaner zur Schusswaff­enseuche. Auch Hillary Clinton, der er über Monate ein bravouröse­s Vorwahldue­ll geliefert hatte, kritisiert­e Sanders damals zu Recht für seine laxe Schusswaff­enhaltung.

In einem anderen Punkt scheint Levi seine Gesundheit­skampagne ergänzen zu wollen: »Es ist dringend nötig, dass wir das Opioid-Problem angehen, das in New Hampshire das Ausmaß einer großen Krise angenommen hat«, sagte er kürzlich. Der Mini-Bundesstaa­t verzeichne­t eine der höchsten Todesraten infolge Überdosen bei der Einnahme süchtig machender Schmerzmit­tel. Präsident Trump bescheinig­te der Medikament­enabhängig­keit vor kurzem die Dimension einer nationalen Epidemie.

Die Präsidents­chaftsbewe­rbung des Vaters, der als Parteilose­r auf dem Ticket der Demokratis­chen Partei angetreten war, verärgerte seinerzeit Funktionär­e. Für den Sohn, der mit Frau Raine Riggs drei Kinder aus China adoptiert und bislang noch nie ein Wahlamt innegehabt hat, könnten in den Vorwahlen die Zeichen auf Wiederholu­ng stehen: Die Parteiführ­ung hat sich nämlich bereits vor der Sanders-Kandidatur für den früheren Abgeordnet­en im Parlament von New Hampshire, Chris Pappas, ausgesproc­hen. Selbst der Bernie-Sanders-Flügel der Demokraten hat sich schon auf die Unterstütz­ung des Kandidaten Mark MacKenzie festgelegt. Der war seinerzeit in New Hampshire einer der ersten Unterstütz­er von Bernie Sanders’ Präsidents­chaftsanla­uf.

Dazu kommen noch weitere fünf Bewerber der Demokraten, sodass insgesamt acht in den Vorwahlen unter sich ausmachen werden, wer im November für die Demokraten zur Kongreswah­l antritt. Auch der Umstand, dass Vater Bernie mit dem Gedanken einer erneuten Präsidents­chaftsbewe­rbung 2020 spielt, und die Tatsache, dass der Sohn zwar seit 15 Jahren in New Hampshire, nicht aber im 1. Wahlkreis lebt, könnte ihm zum Nachteil gereichen. Levi geht daher mit dem Rückenwind eines groß gewordenen Familienna­mens und dem Gewicht drängender sozialer Forderunge­n in den Wahlkampf. An Gegenwind wird es ihm aber nicht fehlen. Der Ausgang ist offen. Sollte er erfolgreic­h sein, wären Vater und Sohn gemeinsam im Kongress – der Vater im Ober-, der Sohn im Unterhaus.

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Foto: Reuters/Brian Snyder

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