Die rechte Internationale
Donald Trumps Ex-Sonderberater Stephen Bannon tourt durch Europa
Berlin. »Patrioten aller Länder, vereinigt euch«, rief der Moderator beim Parteitag der rechten Front National den 1500 Delegierten zu, als diese am Wochenende in Lille mit stehenden Ovationen ihrem Überraschungsgast zujubelten: Stephen »Steve« Bannon, ehemaliger Kopf der US-amerikanischen Alt-Right-Plattform »Breitbart News«, ultrarechter Wahlkampfstratege Donald Trumps und bis zum Rauswurf vor sieben Monaten dessen Sonderberater.
Nun reist Bannon durch Europa und schmiedet an einer Art rechter Internationale. Auch mit der AfD-Politikerin Alice Weidel hat er sich in der vergangenen Woche getroffen – in der Schweiz, wo Bannon bei einer Veranstaltung der konservativen »Weltwoche« von Kryptowährungen als Waffe gegen das Establishment schwärmte, mit der man »den Zentralbanken die Kontrolle« entziehen könne.
Der Aufritt in Lille war der bisherige Höhepunkt von Bannons Tournee. »Die Geschichte ist auf unserer Seite und wird uns von Sieg zu Sieg führen«, rief er dort den französischen Rechten zu. Und: »Wenn Trump es geschafft hat, könnt ihr es auch schaffen!« Nach den USA zuerst Europa, dann die ganze Welt, so seine Vision. Den Anhängern der FN versicherte er: »Ihr seid Teil einer weltweiten Bewegung, die größer ist als Frankreich, größer als Italien, größer als Ungarn, größer als all das.«
Nachdem 2017 bei Wahlen in den Niederlanden und Frankreich rechte Regierungsträume platzten und die EU-feindliche UKIP in Großbritannien sogar ganz aus dem Unterhaus flog, geriet vor allem die Front National in eine Sinnkrise. Nun aber wittert die rechte Internationale wieder Morgenluft: In Österreich ist die FPÖ inzwischen an der Regierung beteiligt. Und in Italien, wo Bannon derzeit sein Hauptquartier aufgeschlagen hat, konnte ein Rechtsbündnis vor einer Woche einen beachtlichen Erfolg erzielen.
Auf dem Parteitag der Front National arbeitete Marine Le Pen weiter daran, die Partei hoffähig zu machen. Trumps Ex-Berater Steve Bannon wurde als Gastredner gefeiert. Der 16. Parteitag der rechtsextremen Front National, der am Wochenende in Lille stattfand, sollte einen Neuanfang für die Partei mit Blick auf die Europawahl 2019 einleiten. Um die Wende der Partei deutlich zu machen, hat die von den 1500 Delegierten – ohne Gegenkandidat – wiedergewählte Parteivorsitzende Marine Le Pen vorgeschlagen, die FN in Rassemblement National (Nationale Sammlung) umzubenennen. Die Ankündigung dieser Namensänderung wurde durch die Delegierten befürwortet, doch sie muss noch in den nächsten Tagen durch eine Abstimmung der Parteibasis bestätigt werden.
Marine Le Pen begründete die Namensänderung damit, dass die Front National »erwachsen« geworden sei und ihren »Charakter geändert« habe. Von einer Protest- und Oppositionspartei habe sie sich weiterentwickelt zu einer Partei, die Regierungsverantwortung übernehmen will+ und die dafür Bündnisse einzugehen bereit sei. Die Namensänderung sei in diesem Sinne »ein Signal und eine Einladung«. Ganz offensichtlich will Marine Le Pen damit die »Entdämonisierung« der Front National und die Trennung von der Vergangenheit und dem Schmuddel-Image fortsetzen, das die wiederholten antidemokratischen und antisemitischen Provokationen des Parteigründers Jean-Marie Le Pen der FN mitgegeben hatten.
Ihren Vater hat Marine Le Pen längst ausschließen lassen und dass der seinen Titel als »Ehrenpräsident« der Partei per Gerichtsbeschluss retten konnte, ist nun auch Vergangenheit, denn der Parteitag hat dieses Amt per Statutenänderung ersatzlos gestrichen. Jean-Marie Le Pen hatte zwar erwogen, uneingeladen auf dem Partei in Lille aufzutauchen, doch diese Idee hat er wieder fallen gelassen, um nicht zu riskieren, auf Weisung seiner Tochter und vor laufenden Kameras hinausgeworfen zu werden.
Ein umjubelter Überraschungsgast des Parteitags war dagegen Steve Bannon, der ehemalige Wahlkampf- ideologe und Sonderberater von USPräsident Donald Trump. Als er den Delegierten zurief »Wenn Trump es geschafft hat, könnt ihr es auch schaffen!«, erhielt Bannon stürmischen Beifall, ebenso als er gegen die Globalisierung, die Europäische Union und die Medien wetterte. Doch die Parteispitze in der ersten Reihe klatschte nicht mehr mit und war sichtlich betreten, als Bannon hinzufügte: »Lasst sie euch ruhig Rassisten, Ausländerfeinde oder Abtreibungsgegner nennen. Nehmt es als Ehrentitel. Denn mit jedem Tag werdet ihr stärker und ihr werdet schließlich die Sieger sein.« Diese scharfmacherischen Worte passten so gar nicht zur Weichspül-Taktik von Marine Le Pen, könnten aber deren Nichte Marion Maréchal-Le Pen in die Hände spielen, in der viele Parteimitglieder ihre Hoffnungsträgerin sehen, nachdem Marine Le Pen sie im Präsidentschaftswahlkampf 2017 tief enttäuscht hat.
Vor allem können sie ihr nicht verzeihen, dass sie sich im Fernsehduell gegen Emmanuel Macron vor 16 Millionen Zuschauern durch ihr unsachlich-aggressives Auftreten disqualifiziert und damit um die Wahlaussichten für sich selbst wie für die Partei gebracht hat. Als Konsequenz daraus hat sich bereits im September 2017 ein Flügel der Partei um den ehemaligen Vizepräsidenten Florian Philippot abgespalten und eine eigene Partei – Les Patriotes (LP) – gegründet. Diesen Kräften ist Marine Le Pen zu lasch geworden, beispielsweise durch ihren Verzicht auf den in der Bevölkerung unpopulären Ausstieg aus dem Euro.
Doch die neue Partei macht der FNVorsitzenden wenig Angst, denn sie dürfte ebenso in der Bedeutungslosigkeit versinken wie schon der 1986 abgespaltene Flügel um den einstigen FN-Hoffnungsträger Bruno Mégret. Ernster nimmt Marine Le Pen die möglichen Ambitionen ihrer Nichte und heimlichen Gegenspielerin Marion Maréchal-Le Pen, denn der jungen und charismatische Enkelin des Parteigründers, die sich im Mai 2017 vorgeblich aus der Politik zurückgezogen hat, sagen Beobachter Ambitionen nach, eine rechte Sammlungsbewegung bilden und dafür nicht nur Enttäuschte der Front National, sondern auch der Republikaner an sich ziehen zu wollen.